Konzentration im Energiesektor - Bund
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3. Auswirkungen der Liberalisierung auf die<br />
<strong>Konzentration</strong> <strong>im</strong> <strong>Energiesektor</strong><br />
3.1. Europäische Vorgaben für die<br />
Liberalisierung der Energiemärkte<br />
Grundlage für die Liberalisierung der Energiewirtschaft<br />
waren die Richtlinie 96/92/EG (Elektrizität)<br />
und die Richtlinie 98/30/EG (Gas). Die Richtlinien<br />
sahen einen freien Marktzugang für Anbieter von<br />
Energiedienstleistungen, einen freien Netzzugang und<br />
eine freie Auswahl des Energielieferanten für Endkunden<br />
vor. Allerdings schrieb die Richtlinie Letzteres<br />
erst ab einer best<strong>im</strong>mte Mindestabnahme vor.<br />
Beide Richtlinien sahen eine Entflechtung der Energieversorgungsunternehmen<br />
in die Bereich Erzeugung,<br />
Übertragung, Verteilung und sonstige Aktivitäten<br />
(Elektrizität) bzw. in die Bereiche Fernleitung,<br />
Verteilung, Speicherung und sonstige Aktivitäten<br />
(Gas) vor. Dabei handelte es sich lediglich um die<br />
Vorgabe einer buchhalterischen Trennung, d.h., die<br />
weiterhin integrierten Unternehmen mussten die angegebenen<br />
Bereiche getrennt in ihrer Bilanz ausweisen.<br />
Die vollständig getrennte Bilanzierung sollte zu<br />
mehr Transparenz und zur Aufdeckung von Quersubventionierung<br />
und Wettbewerbsverzerrungen dienen.<br />
Die Unternehmen konnten aber als Gesamtgebilde<br />
bestehen bleiben und somit die Geschäftspolitik<br />
der unterschiedlichen Sparten <strong>im</strong> eigenen Interesse<br />
einsetzen.<br />
Die Umsetzung der Liberalisierung des <strong>Energiesektor</strong>s<br />
in den Mitgliedstaaten blieb weit hinter<br />
den Vorgaben der EU zurück. Daraufhin wurden<br />
am 26.06.2003 die Beschleunigungsrichtlinien<br />
2003/54/EG für Strom und 2003/55/EG für Gas,<br />
sowie die grenzüberschreitende Stromhandelsverordnung<br />
1228/2003 verabschiedet.<br />
Die neuen Regelungen sahen die vollständige Öffnung<br />
der Gas- und Strommärkte für gewerbliche Kunden<br />
ab dem 1.7.2004 und für Privatkunden ab dem<br />
1.7.2007 vor. Zudem wurde die Einführung von Regulierungsbehörden<br />
zwingend vorgeschrieben. Diese<br />
mussten von den Mitgliedstaaten die mit dauerhaften<br />
Überwachungskompetenzen und Berichtspflichten,<br />
sowie ex post Eingriffsbefugnissen ausgestattet<br />
werden.<br />
Das unbundling wurde zu einem legal unbundling verschärft.<br />
Die Netzbetreiber mussten künftig bezüglich<br />
ihrer Rechtsform, Organisation und Entscheidungsgewalt<br />
unabhängig vom übrigen Tätigkeitsbereich der<br />
Unternehmen agieren.<br />
In der grenzüberschreitenden Stromhandelsverordnung<br />
wurden Ausgleichsmechanismen, harmonisierte<br />
Entgeltgrundsätze und Kapazitätszuweisungen der<br />
z.T. sehr begrenzten Grenzkupplungsstellen festgelegt,<br />
um die Voraussetzungen für einen grenzüberschreitenden<br />
Binnenmarkt zu verbessern.<br />
Anfang 2007 sah sich die EU-Kommission jedoch <strong>im</strong>mer<br />
noch veranlasst, die mangelnde Umsetzung des<br />
europäischen Rechtsrahmens heftig zu kritisieren, 16<br />
insbesondere den hohen <strong>Konzentration</strong>sgrad <strong>im</strong><br />
<strong>Energiesektor</strong>, den fehlenden diskr<strong>im</strong>inierungsfreien<br />
Netzzugang und die Schwäche der nationalen Regulierungsbehörden.<br />
3.2. Umsetzung in Deutschland<br />
Mit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes<br />
<strong>im</strong> April 1998 wurde der Strommarkt in Deutschland<br />
liberalisiert. Es entfielen die Regelungen für den<br />
Abschluss von Demarkationsverträgen und exklusiven<br />
Konzessionsverträgen. Während die EU-Richtlinie<br />
die Marktöffnung nur schrittweise, abhängig von der<br />
Höhe des Stromabsatzes vorschrieb, liberalisierte<br />
Deutschland den gesamten Strommarkt sofort, so<br />
dass auch jeder Privathaushalt den Stromlieferanten<br />
frei wählen konnte.<br />
„Auf Eingriffe in die Industriestruktur wurde ebenso<br />
verzichtet wie auf einschneidende regulatorische<br />
Maßnahmen oder die Einsetzung eines sektorspezifischen<br />
Regulierers. Stattdessen vertraute der Gesetzgeber<br />
auf die Selbstregulierungskräfte der Marktteilnehmer<br />
und das allgemeine Wettbewerbsrecht.“ 17<br />
Deutschland hatte sich als einziger Mitgliedstaat<br />
für das Modell des verhandelten Netzzugangs<br />
entschieden. Die praktische Umsetzung wurden<br />
den Energieversorgern selbst <strong>im</strong> Rahmen von Verbändevereinbarungen<br />
überlassen. Erst infolge der<br />
Be schleunigungsrichtlinie wurde der verhandelte<br />
Netzzugang abgeschafft und durch den regulierten<br />
Netzzugang ersetzt.<br />
Bezüglich des Unbundlings kommt es <strong>im</strong>mer wieder<br />
zu Differenzen zwischen Deutschland und der EU-<br />
Kommission. Für den Gassektor wurde das buchhalterische<br />
Unbundling erst mit der Neureglung<br />
vom 20.5.2003 umgesetzt. Eine vollständige eigentümerische<br />
Trennung von Erzeugung und Netzbetrieb<br />
konnte Deutschland bisher zusammen mit Frankreich<br />
erfolgreich verhinderten (s. Kap. 6.1).<br />
Der deutsche Großhandelsmarkt für Strom besteht<br />
aus einem organisierten (Strombörse) und einem<br />
unorganisierten Markt (bilaterale Verträge). Die<br />
Einführung einer Strombörse wurde den Stromkräften<br />
überlassen. „Am 5. Oktober 2007 waren an der EEX<br />
16<br />
KOM(2006)851 endg.: Untersuchung der europäischen<br />
Gas- und Elektrizitätssektoren gem. Art. 17 VO (EG) 1/2003 und<br />
KOM(2006)841 endg. Aussichten für den Erdgas- und<br />
Elektrizitätsbinnenmarkt.<br />
17<br />
13. Hauptgutachten der Monopolkommission 1998/1999,<br />
Drucksache 14/4002, S. 67<br />
14