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Konzentration im Energiesektor - Bund

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worden ist, die letztlich dem Verbraucher abverlangt<br />

worden sind. Offenbar sind die Gewinnmargen seit<br />

vielen Jahren hoch, was ein bezeichnendes Licht auf die<br />

aufsichtsrechtliche Preisgenehmigung <strong>im</strong> Tarifsektor bei<br />

Strom und auf die kartellrechtliche Preisaufsicht wirft.“ 4<br />

Mit dem dritten Verstromungsgesetz 1974 5 sicherte der<br />

Staat die Monopolprofite der EVU vor der Abhängigkeit<br />

vom Weltmarktpreis für Steinkohle ab. Im sogenannten<br />

Jahrhundertvertrag verpflichteten sich die Stromversorger<br />

zur Abnahme eines best<strong>im</strong>mten Kontingentes deutscher<br />

Steinkohle. Im Gegenzug bekamen die Energieversorgungsunternehmen<br />

auf jeden Fall die Differenz zwischen<br />

dem Erdölpreis und dem Kohlepreis ersetzt. Bezahlt wurde<br />

dies von den EndverbraucherInnen als „Kohlepfennig“.<br />

Reichte der nicht aus, griff der Staat mit Steuergeldern<br />

ein. Der Kohlepfennig betrug 1985 3,5 % Aufschlag auf die<br />

Stromrechnung, 1988 bereits 7,15 %. Für die Energieversorger<br />

entfiel jegliches Risiko, das die Festlegung auf<br />

Kraftwerke mit best<strong>im</strong>mten Energieträgern und die Abhängigkeit<br />

vom Weltmarktpreis für die benötigten Rohstoffe<br />

mit sich bringt. Ihr Kapital, das sie in Kohlkraftwerke<br />

stecke, entging durch den Jahrhundertvertrag jeglicher<br />

Gefahr der Vernichtung, die Rendite war garantiert. Erst<br />

1995 wurde der Kohlepfennig abgeschafft, nachdem am<br />

11.10.1994 das <strong>Bund</strong>esverfassungsgericht entschieden<br />

hatte, dass der Stromkunde keine besondere Finanzierungsverpflichtung<br />

für die Steinkohle habe.<br />

Weiterer Baustein der staatlichen Absicherung der Monopolprofite<br />

der EVU ist die Regelung <strong>im</strong> Atomgesetz zu<br />

den steuerfreien Entsorgungsrückstellungen für Atomkraftwerke.<br />

Im Gegensatz zu anderen Kraftwerken müssen<br />

bei Atomkraftwerken Rückstellungen für den Abriss und<br />

die spätere Lagerung des Atommülls gebildet werden.<br />

Diese Geldmittel können bis zum Fälligkeitstermin <strong>im</strong><br />

eigenen Unternehmen gewinn- bzw. zinsbringend angelegt<br />

werden. Damit bilden sie eine preiswerte Innenfinanzierung,<br />

da für Investitionen kein Kapital bei Banken<br />

aufgenommen werden muss. Ein solch konkurrenzlos<br />

preiswertes Finanzierungsinstrument steht nur Energieversorgungsunternehmen<br />

zur Verfügung, die Atomkraftwerke<br />

betreiben. 6 Ein klarer Wettbewerbsvorteil, der bereits,<br />

wenn auch ergebnislos, den EUGH beschäftigte. Diese<br />

Rückstellungen waren Kernstück der Diversifizierung der<br />

EVU in der 80er Jahren. Heute belaufen sie sich bei E.ON,<br />

RWE, EnBW und Vattenfall auf 27,39 Mrd. Euro. 7<br />

4<br />

Klaue, Siegfried / Schwintowski, Hans-Peter: Strategische Minderheitsbeteiligungen<br />

in der deutschen Energiewirtschaft, Baden-Baden<br />

2004, S. 11.<br />

5<br />

Das erste Verstromungsgesetz von 1965 räumte steuerliche Vergünstigungen<br />

für neue Steinkohlekraftwerke ein, infolge des zweiten<br />

aus dem Jahr 1966 wurde die Mehrkosten der Kohleverstromung<br />

gegenüber dem Einsatz von Erdöl ausgeglichen. Jedoch erst der „Jahrhundertvertrag“<br />

mit der Einführung des „Kohlepfennigs“ sicherte den<br />

Einsatz deutscher Steinkohle dauerhaft ab.<br />

6<br />

Andres als bei Pensionsrückstellungen von Unternehmen, bei denen<br />

es einen mehr oder weniger kontinuierlichen Zu- und Abfluss gibt, gibt<br />

es bei den Entsorgungsrückstellungen seit Jahrzehnten eine kontinuierliche<br />

Akkumulation. Hierin liegt seit langem eine entscheidende<br />

Motivation der EVU, Atomkraftwerke solange wie möglich am Netz zu<br />

belassen, denn damit wird der Mittelzufluss gesichert und der Abfluss<br />

in die Zukunft verschoben.<br />

7<br />

<strong>Bund</strong>estags-Drucksache 16/6303 S. 24, Antwort auf eine schriftliche<br />

Frage des Abg. Fell.<br />

Die staatliche Energiepolitik der <strong>Bund</strong>esregierung<br />

war in den ersten 25 Jahren ihrer Existenz von der<br />

Abwesenheit eines umfassenden Energieprogramms<br />

gekennzeichnet. Erst 1973 erließ die <strong>Bund</strong>esregierung<br />

das erste staatliche Energieprogramm. Kernstück<br />

war die Schaffung eines auf dem Weltmarkt konkurrenzfähigen,<br />

bundesdeutschen, von ausländischem<br />

Kapital unabhängigen, Mineralölkonzerns. Instrument<br />

war die damals bereits teilprivatisierte VEBA.<br />

Ergebnis des <strong>im</strong> 1. Energieprogramm angelegten<br />

VEBA-Engagements war die Durchsetzung eines<br />

hohen Grades horizontaler Integration innerhalb des<br />

gesamten Energiebereichs, nicht nur bei der VEBA<br />

selbst. Ziel war die Schaffung eines bundesdeutschen<br />

Energiemonopols an sich. 1987 wurde die VEBA, zu<br />

dem Zeitpunkt der größte deutsche Mischkonzern,<br />

voll ständig privatisiert.<br />

Einen weiteren Beitrag für die Monopolisierung der<br />

Energiewirtschaft leistete die Politik, Ost wie West,<br />

bei der Übernahme der DDR und der Privatisierung<br />

der ostdeutschen Energieversorgung. Als einer der<br />

letzten Staatsakte der ehemaligen DDR wurde am<br />

22.8.1990 der „Stromvertrag“ zwischen ost- und<br />

westdeutschen Verbundunternehmen geschlossen.<br />

RWE, VEBA und VIAG/Bayernwerke ließen sich<br />

die „Geschäftsbesorgung“ für die ostdeutsche<br />

Stromwirtschaft übertragen und gründeten dazu das<br />

Gemeinschaftsunternehmen VEAG. Zuvor war <strong>im</strong><br />

Treuhandgesetz (§1 Abs.4) geregelt worden, dass die<br />

Treuhand Besitzerin der inzwischen zu Kapitalgesellschaften<br />

umgewandelten Energiekombinate wurde.<br />

Da das Treuhandvermögen kraft Treuhandgesetz nicht<br />

für die Kommunalisierung zu Verfügung stand, wurde<br />

eine Kommunalisierung und damit eine dezentrale,<br />

öffentliche Energieversorgung bewusst unterbunden<br />

und der Energiekuchen unter den drei großen Westkonzernen<br />

aufgeteilt. 1993 wurde der Handel mit<br />

einem Kauf der Energieanlagen besiegelt. Lediglich<br />

2 Milliarden Mark zahlte das Gemeinschaftsunternehmen<br />

VEAG für die Anlagen an die Treuhand und das<br />

für Kraftwerkskapazitäten und ein Versorgungsgebiet,<br />

das der Größe der Bayernwerke entsprach. 8<br />

2.3. Struktur der Energiewirtschaft vor der<br />

Liberalisierung<br />

2.3.1. Stromsektor<br />

Im Bereich Stromerzeugung betrug die installierte<br />

Kraftwerksleistung 1998 97.417 MW. Davon entfielen<br />

82.072 MW auf Großkraftwerke mit einer Leistung größer<br />

als 200 MW. Diese Großkraftwerke befanden sich fast<br />

ausnahmslos <strong>im</strong> Besitz der acht Verbundunternehmen,<br />

RWE, PreußenElektra (VEBA-Tochter), Bayernwerk, VEAG,<br />

EnBW, VEW, HEW und dem Berliner Versorger BEWAG.<br />

8<br />

Dazu kamen noch 4 Milliarden DM Ausschüttung, die die VEAG der<br />

Treuhand geben musste. Dies entsprach den Extraprofiten, die die<br />

VEAG seit ihrem Bestehen angesammelt hatte. Die VEAG kassierte<br />

„schon von 1990 an Preise wie <strong>im</strong> Westen – bei wesentlich niedrigeren<br />

Kosten. In nur zweieinhalb Jahren spülte VEAG-Chef Jürgen Stotz so<br />

stolze vier Milliarden Mark liquide Mittel in die Kasse.“ DER SPIEGEL<br />

11/1997, S. 108.<br />

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