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DIE PHILANTROPHIE UND DIE ROLLE DER FRAUEN IN UNGARN*

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Drachenzahn: Schlangenhorn; Hasenauge, usw. Weit bekannt waren noch die Truhen von Borbála<br />

Thurzó und der Frau von István Pálffy: der Wert dieser letzteren wurde 1262 auf 1.200 Forint geschätzt.<br />

In der Ausstellung des „Semmelweis-Museums" in Budapest und des „Apothekenmuseums zum<br />

Goldenen Adler" im Burgviertel von Buda sind zwei Apothekentruhen zu besichtigen. Die eine ist ein<br />

mit Intarsien verziertes Nussbaumholz-Kästchen im Spätbarockstil der Zeit Maria Theresias; in ihren<br />

Fächern hatte man in viereckigen, mittels zinnkappen verschlossenen Gläschen die Öle und<br />

Blumenwässer gehalten. Im unteren Teil des Kästchens, in einem abschliessbaren Schubfach befanden<br />

sich die Salbentiegel aus Zinn und die nötigen Utensilien. In der anderen, um 1720-1730 in Südtirol<br />

angefertigten Truhe wurden eine Handwaage, eine Gewichtgarnitur bzw. Messlöffel in separaten<br />

Fächern untergebracht. 20<br />

Die sich auf dem Deckel bzw. an der Seite befindlichen Messinghandgriffe<br />

verraten, dass die Truhen oft auf längere Reisen oder zu kranken Nachbaren mitgenommen wurden.<br />

Organisierung und Lenkung einer Grossfamilie im Sinne des „Ganzen Hauses" war bis zur Mitte des<br />

18. Jahrhunderts die Aufgabe des dem Grossgrundbesitz vorstehenden Hochadligen, in seiner<br />

Abwesenheit aber die der Herrin des Hauses. Die Fürsorge für deneinzelnen erkannte der Staat nicht als<br />

seine eigene Aufgabe an. Nur die städtischen Munizipien beschäftigten sich mit dem sogenannten<br />

„Armenwesen", wobei hier - neben den Belangen der öffentlichen Wohlfahrt - oft die<br />

Polizeiangelegenheiten dominierten. 21<br />

Auf die Bedeutung individueller Verantwortlichkeit weist die<br />

Tatsache hin, dass die Kulturzentren des Hochadels Sárvár, Németújvár, Sárospatak, die die Rolle des<br />

königlichen Hofes übernommen hatten, die Sozialfürsorge, und zwar vor allem die Gesundheitsfürsorge<br />

als ihre Hauptaufgabe, wenn nicht sogar als ihre Pflicht ansahen. Aus der Reihe unserer „Edelfrauen"<br />

möchte ich nur diejenigen erwähnen, deren ausgedehnte medizinische Kenntnisse und Praktiken<br />

weitläufig bekannt waren.<br />

Die sozial-fürsorgerische Tätigkeit der Frauen der Batthyánys, einer anderen Familie mit<br />

Grossgrundbesitz in Westungarn, wurde über Generationen hinweg zur Tradition. Der Begründer des<br />

Familienvermögens war Ferenc Batthyány (1497-1566), Ban von Kroatien. Seine erste Frau Kata<br />

Bánffy (um 1500/10 - 1562) war der „spiritus rector" des volkreichen Hofes von Németújvár, jenem<br />

Grossgrundbesitz, den die Familie 1524 als Donation bekam. 22<br />

Sie war eine bedeutende Briefschreiberin<br />

ihrer Zeit, die nicht nur mit ihrem Mann, sondern auch mit dem Statthalter von Niederlanden und mit der<br />

verwitweten ungarischen Königin Maria korrespondierte. Ausserdem kannte sie sich ausgezeichnet in<br />

der Behandlung von Krankheiten aus und stand mit Rat und Medikamenten der Bevölkerung der<br />

Gegend zur Seite. Für ihren gichtkranken Mann fertigte sie Sandalen und einen Fuss-sack (sacculus<br />

pedalis) an, mit deren Hilfe dessen grosse Schmerzen gelindert werden konnten. Je ein Stück ihrer<br />

Erfindungen Hess sie auch dem Palatin, Tamás Nádasdy, und dem Erzbischof von Esztergom zukommen.<br />

Ferenc Batthyány schien sie mit solchem Erfolg kuriert zu haben, dass jener seine erste Frau überlebte<br />

und sich sogar noch als alter Mann wiederverheiratete. Seine zweite Frau, Kata Svetkovics (? - um<br />

1575) hatte ebenso den Ruf einer guten Ärztin. In ihrer Hausapotheke hielt sie etliche Medikamente,<br />

Heilwässer und Kräuter. 23<br />

Ein Grossteil ihrer erhaltengebliebenen Briefe handelt über Medikamente<br />

und ärztliche Ratschläge: einem Mann verordnete sie zur Behandlung einer Bisswunde z.B.<br />

Ligusterkäfer. Um den verwundeten Fuss des Boldizsár Batthyány behandeln bzw. rotes Öl und<br />

Kräuter. In der Heilpraktik verschaffte sich jedoch die Enkelin Eva Lobkovitz-P oppel (1585/1590 -<br />

1640), die Ehefrau von Ferenc Batthyány, den grossten Ruhm. Sie war die Ziehmutter von Miklós<br />

Zrínyi, dem Dichter und dem heldenhaften Verteidiger von Szigetvár, und dessen Bruder Péter.<br />

Wenn auch die aus der Hausapotheke der Damen Batthyány stammenden Medikamente landes<br />

weit berühmt waren, so wurden sie doch von der Apotheke und den zahlreichen Rezepten der Eva<br />

20<br />

Aus der Geschichte der Heilkunde. Museum, Bibliothek und Archiv für die Geschichte der Medizin „Ignaz<br />

Semmelweis". Bp. 1984. Comm. Hist. Artis Med. Suppl. 13—14. 55 Bild. Nr. 143.<br />

21<br />

Mohl, K.: Polizeiwissensclwft. 1. Bd. 52.§.; Sonnenfels, F.: Grundsätze der Polizey-Handlungs- und Finanzwissenschaft.<br />

Wien, 1769—176. vgl. Csizmadia, A.: A szociális gondoskodás Magyarországon. (Die soziale<br />

Betreuung in Ungarn.) Bp. 1977. IL, 16—19.<br />

22<br />

Takács, S.: a.a.O. (Fußnote Nr. 7.) Batthyányné Bánffy Kata. 89—109.<br />

23<br />

Takács, S.: a.a.O. (Fußnote Nr. 7.) Svetkovics Kata 141—148.

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