DIE PHILANTROPHIE UND DIE ROLLE DER FRAUEN IN UNGARN*
DIE PHILANTROPHIE UND DIE ROLLE DER FRAUEN IN UNGARN*
DIE PHILANTROPHIE UND DIE ROLLE DER FRAUEN IN UNGARN*
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
nötig war, erwarb zuerst die Familie Hunyadi. János Hunyadi verzichtete auf die Würde des<br />
Reichsverwesers: dafür bekam er den Titel des Erbgrafen, ein immenses Gebiet und dazu noch die<br />
richterliche Gewalt. 5<br />
So ist es nicht verwunderlich, dass die erste warhafte ungarische „Edelfrau" der<br />
Renaissance in der Person seiner Gattin Erzsébet (Elisabeth) Szilágyi (? -1483) Gestalt bekommt. Sie<br />
leitet die Politik und die Wirtschaft des Grossgrundbesitzes, während ihr Mann mit der Kriegsführung<br />
gegen die Türken beschäftigt ist. Sie schuf die materielle Basis für jene Aktion, infolge derer ihr Sohn<br />
Mátyás (Mathias) Hunyadi zum König gewählt wurde. Sie war sogar die federführende Akteurin des<br />
mit Lastlê Garai 1458 in Szeged unter Dach und Fach gebrachten Abkommens. Ihre Zeitgenossen<br />
nannten sie zu Recht „mulier heroica".<br />
Das höfische und die nationale Kultur standen bis zum 16. Jahrhundert in enger Verbindung zueinander.<br />
Weg und Ziel nationaler Kultur waren beinahe vollständig durch die höfische Kultur vorgezeichnet.<br />
Nicht nur dem Zeitgeist gab sie Ausdruck: sie bewahrte auch dessen ungarisches Gepräge. Diese<br />
fünfliundertjährige Tradition wurde durch die Türkenherrschaft und das Habsburger Regime vernichtet.<br />
Ferdinand I. trug zwar den Titel eines Königs von Ungarn, doch verfolgte das Haus Habsburg von<br />
Anfang an keine ungarisch-nationale, sondern eine familienorientierte und damit weitgespannteuropäische<br />
Politik. Aus Habsburger Sicht galt das Königreich Ungarn (Nordungarn und ein Teil<br />
Westungarns) nur als Randgebiet und verlor seinen nationalen Charakter: der Königshof ging die Rolle,<br />
die ihm bis dahin in der ungarischen Kulturgeschichte zukam, verlustig.<br />
Die dank königlicher Donationen entstandene neue Aristokratie hatte - neben der ungebrochenen<br />
Treue zum König - auch sein Ungartum bewahrt. Sie diente den Habsburgern solange, bis deren Politik<br />
nicht das Leben, die Zukunft und das Fortbestehen der Nation gefährdete. Die Untätigkeit der<br />
Habsburger gegen die Türken und ihre ungarfeindliche Politik führten dazu, dass im Königreich Ungarn<br />
statt des fremden Königs der Hochadel jene Rolle übernahm, die einst dem königlichen Hof in der<br />
geistigen Führung der nationalen Gesellschaft, in der Rezeption kultureller Strömungen der Renaissance<br />
und des Barock zukam.<br />
Gleichzeitig mit dem Ende des ungarischen Königshofes hatte sich im 16. und 17. Jahrhundert das<br />
Bollwerk des Ungarntums, das Füstentum Siebenbürgen herausgebildet. Der Fürstenhof wurde zum<br />
nationalen Wegweiser für dei Burgen und Schlösser des Hochadels. Fürst Gábor Bethlen repräsentierte<br />
durch seinen ungarischen Hofstaat, durch die Pflege nationaler Sitten, Tugenden und Traditionen, das<br />
kulturelle Erbe der Ungarn. Die führende Rolle des Fürstenhofes von Gyulafehérvár<br />
(Unterweissenburg, heute Alba Iulia in Rumänien), die sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts<br />
herausbildete, ersetzte den früheren ungarischen Königshof, ja übertraf ihn in vielfacher Hinsicht. 6<br />
Das Leben eines ungarischen Hochadeligen kann in der Ära der Türkenherrschaft durch<br />
Vermögensvermehrung und ununterbrochene Kriegsführung gegen die Türken gekennzeichnet werden.<br />
Der Hochadelige, der an der Spitze einer zu ständigen Verteidigung bereiten Burgprovinz stand, was<br />
aus diesem Grunde häufig fern von Zuhause. An seiner Stelle war seine Gattin mit der Verwaltung von<br />
Wirtschafts-, Burg- und Gutsangelegenheiten getreten. Neben der Verwaltung des Hofes ruhte oft die<br />
schwere Aufgabe der Burgverteidigung auf ihren Schultern. Der Schwerpunkt des Lebens des<br />
Hochadels verlagerte sich in die Burgen und Schlösser. Hier hatten sich auch die Zentren nationaler<br />
Literatur herausgebildet. Die erste Druckerei, in der ungarische Bücher gedruckt wurden, entstand in Uj-<br />
Sziget (Sárvár in Westungarn). Sie wurde von Tamás Nádasdy gegründet. Er war es auch, der in Sárvár<br />
eine Schule stiftete. In Sárospatak (Nordungarn) ist nach seinem Vorbild eine Schule von Péter Perényi<br />
gestiftet worden, in deren Neuorganisierung Zsuzsanna Lorántffy eine bedeutende Rolle bekommen<br />
sollte.<br />
Das Familienschicksal der Kanizsais könnte sogar Symbol ungarischer Geschichte im 15. und<br />
16. Jahrhundert sein. Die männlichen Mitglieder der Familie nahmen an der Seite von Hunyadi an den<br />
5<br />
Mályusz, E.: A magyar társadalom a Hunyadiak korában. Mátyás király emlékkönyv. I. k. Szerk: Lukinich Imre<br />
(Die ungarische Gesellschaft im Zeitalter der Hunyadis.) (Matthias-Rex-Gedenkbuch. I. Bd. Red. I. Lukinich) Bp<br />
1940. 342—346 p.<br />
Vácz, E.: Két udvar, két főnemesség. Magyar Művelődéstörténet 3. k. A kereszténység védőbástyája. Szerk.:<br />
Domanovszky S. (Zwei Höfe, zwei Hochadel. Ungarische Kulturgeschichte. 3. Bd. Das Bollwerk des Christentums.<br />
Hrsg.: von D. Domanovszky) Bp. o. J. 251—291.