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DIE PHILANTROPHIE UND DIE ROLLE DER FRAUEN IN UNGARN*

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Aufklärimg an, die für uns wegweisend waren - Kindergärten und Schulen stifteten oder eben<br />

Verwundete pflegten. Sie können als einzigartige Heldinnen der Alltagsgeschichte gelten. Es ist kein<br />

Zufall, dass gemäss gesellschaftlicher Konvention das Protokoll in Europa allen Ehefrauen von<br />

Staatsmänner bei Staatsbesuchen vorschreibt, karitative Institutionen (Kindergärten, Krankenhäuser) des<br />

fremden Landes zu besichtigen und es ihnen in diesem Zusammenhang protokollarische bzw. - bösliaft<br />

ausgedrückt - propagandistische Aufgaben auferlegt.<br />

Bevor ich zur Erörterung meines Gegenstandes übergehe, möchte ich eine Frage von geographischer<br />

bzw. kulturhistorischer Bedeutung klären. Die balkanologische Konferenz beschäftigt sich mit dem historischen<br />

Ungarn wie es in den Staatsgrenzen vor dem Friedensvertrag von Trianon (1920) existierte.<br />

Selbstverständlich gehörte Ungarn weder aus geographischer, noch aus politischer oder kulturhistorischer<br />

Sicht zum Balkan, sondern war ein Teil Mitteleuropas. Es bildete dessen östüche Hälfte, ein Gebiet<br />

sozusagen auf der Nahtstelle zwischen Mittel- und Osteuropa und dem Balkan. Unser Land hatte<br />

gemeinsame Grenzen und viele Jahrhunderte währende Verbindungen mit einigen Balkanländern.<br />

Nach dem ersten Weltkrieg, im Zuge der politischen Neuordnung und Neufestsetzung der Grenzen<br />

wurde ein bedeutender Teil des ehemaligen Ungarn Teil von Balkanstaaten im eigentlichen Sinne: von<br />

Rumänien und Serbien/Jugoslawien. Zu erwähnen ist noch, dass ein beachtlicher Teil Ungarns während<br />

der anderthalb Jahrhunderte dauernden Türkenherrschaft zusammen mit den Balkanländern einem<br />

gemeinsamen Reich angehörte und dessen politischen, wirtschaftlichen und kulturell-regionalen<br />

Einflüssen unterlag. Schliesslich ist hevorzuheben, dass sich Ungarn durch die Krönung des ersten<br />

Königs, des Hl. Stephan, und durch dessen Kirchengründung dem römisch-katholischen Europa<br />

anschloss und später zum östlichen Bollwerk des Protestantismus wurde, während sich der Balkan unter<br />

dem Einfluss von Byzanz Entwickelte. Zunächst umfasste er grieclüsch-orthodoxe, später - infolge der<br />

türkischen Eroberung - auch zum Islam übergetretene Volksgruppen, und er wies damit völlig andersartige<br />

religiöse, kulturelle und philosophisch-weltanschauliche Bindungen auf. Wenn auch Ungarn, die<br />

östliche Grenze des römischen Katholizismus bzw. des Protestantismus, in gesundheitlicher Hinsicht als<br />

Wächter des cordon sanitaire auftrat und in Reiligon sowie Philosophie abweichende kulturprägende<br />

Anschauungen aufwies, so stand es doch mit den Balkanländern in der Lebensführung, Ernährung und<br />

häufig auch in den politischen Bestrebungen im Einklang und in unmittelbarem Kontakt.<br />

Im mittelalterlichen Europa wurden die Ideale durch die katholische Kirche bestimmt.<br />

Dementsprechend galten neben der Religiosität Keuschheit, Askese, Armen- und Krankenpflege als die<br />

hervorragendsten menschlichen Eigenschaften. Da das mittelalterliche Frauenideal grundlegend durch die<br />

erwähnten Tugenden charakterisiert werden kann, scheint es ausreichen zu sein, nur ein-zwei Personen<br />

zu erwähnen. Beziehenderweise gingen in der Verwirklichung christlicher Moral die Mitglieder der<br />

königlichen Familie mit gutem Beispiel voran. Als erste Frauen und Mädchen des Landes galten die<br />

weiblichen Mitglieder des Königshauses der Árpádén. Unter den weiblichen Heiligen gebührte - und<br />

gegührt auch heute noch - die tiefste Verehrung der Tochter von Endre (Andreas) LI. und Gertrudis von<br />

Meranien, der Heiligen Elisabeth aus dem Arpádenhaus (1207-1231), ungeachtet der Tatsache, dass sie<br />

im Alter von vier Jahren auf den Hof ihres späteren Gatten, Ludwig von Thüringen übersiedelte. Bereits<br />

im Mittelalter wurden nach ihr Hospitäler und Leprosorien genannt. Hymnen und Legenden wurden ihr<br />

zu Ehren gedichtet. Bis zum heutigen Tage gilt Elisabeth als die beliebste Figur religiöser Ikonographie.<br />

Ihre Person wird in erster Linie mit der Leprosenbetreuung in Verbindung gebracht, und dieser Kult<br />

zieht sich auch durch die schriftlichen und bildlichen Denkmäler Ungarns hindurch. Ein typisches Thema<br />

der heimischen spätgotischen Darstellungen und der Renaissance ist die Szene, in welcher Elisabeth<br />

Leprosen im Leprosorium badet. Die früheste Abbildung dieses Themas sieht man auf einem Relief aus<br />

dem 14. Jahrhundert am Nordportal der Kathedrale von Kassa (Kaschau: Kosice in der<br />

Tschechoslovakei). Unter den Tafelbildern gilt als das schönste Beispiel realistischer Darstellung die<br />

Szene auf dem Elisabeth Hauptaltar der Kaschauer Kathedrale (gemalt 1474-1477), wo Elisabeth samt<br />

Gefährtinnen in einem Bottich Leprosen badet. Diese Darstellungen sind wichtige Dokumente des<br />

Leprawesens, und sie geben Auskunft über die medizinische Betreuung von Leprosen. 1<br />

1<br />

Vida, M.: Az orvosi gyakorlat és a gyógyítószentek ikonográfiája a XIII—-XIV. századi falfestészetben. (Die<br />

medizinische Praxis und die Ikonographie heilender Heiligen in der Wandmalerei des 13. und 14. Jahrhunderts)<br />

Comm. Hist. Artis Med., 87—88(1979), 43—51 (mit Bildern).

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