KLIKK | ODYSSEUS PROJEKT | DAS ÖZBF VOR NEUEN ...
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news letter<br />
Österreichisches Zentrum für Begabtenförderung und Begabungsforschung | Nr.12 Jän. 2006<br />
<strong>KLIKK</strong> | <strong>ODYSSEUS</strong> <strong>PROJEKT</strong> | <strong>DAS</strong> <strong>ÖZBF</strong> <strong>VOR</strong> <strong>NEUEN</strong> HERAUSFORDERUNGEN<br />
KONGRESS 2006 | WORLD COUNCIL ON GIFTED AND TALENTED CHILDREN<br />
BEGABENDE LEHRER/INNEN | TAGUNGSBERICHTE PRAG - WIEN - FRANKFURT<br />
TIBI | BUNDESLÄNDER-WORKSHOP | SCHULMODELL COOL | REZENSION
00 EDITORIAL<br />
Rubriken<br />
3 Schwerpunkt: Elternberatung 01<br />
11 Das özbf vor neuen Herausforderungen 02<br />
14 Kongress 2006 03<br />
15 "World Council on Gifted and Talented Children" 04<br />
17 Begabungsförderung 05<br />
21 Tagungsberichte 06<br />
25 Bundesländernews 07<br />
32 Schulmodell 08<br />
34 Rezension 09<br />
Liebe Leserinnen! Liebe Leser!<br />
Wir freuen uns, Ihnen im neuen Jahr wieder eine weitere Ausgabe unseres newsletters präsentieren<br />
zu dürfen.<br />
Den Schwerpunkt dieser Nummer bildet das Thema Elternberatung. Die Begabungspsychologische<br />
Beratungsstelle der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München trägt dem Wunsch vieler Eltern<br />
nach Unterstützung Rechnung. Im Elterntraining <strong>KLIKK</strong> wird Know-how über Kommunikation,<br />
Lösungsorientierung, Motivation und Stressbewältigung im Umgang mit (hoch) begabten Kindern<br />
vermittelt.<br />
Eine wichtige Rolle kommt auch der Beratungsstelle des Odysseus Projekts am Institut für<br />
Pädagogische Psychologie der Universität Rostock zu, wo neben Schüler/innen und deren Eltern,<br />
auch Lehrer/innen und andere in der Begabtenförderung engagierte Personen Informationen und<br />
Hilfe bei begabungspsychologischen Fragen erhalten.<br />
Ein interessanter Beitrag von Miriam Bachmann beleuchtet Fragen zu Hochbegabung und ADS und<br />
betont, wie wichtig eine sorgfältige Diagnostik ist um zwischen Aufmerksamkeitsstörung und<br />
Unterforderung unterscheiden zu können.<br />
Für den Bereich Schulentwicklung fordert Günter Schmid, Direktor der Sir Karl Popper Schule in Wien,<br />
einen Paradigmenwechsel, bei dem es weniger um Strukturveränderungen geht als um eine besondere<br />
pädagogische Haltung und ein neues Rollenverständnis der Lehrenden.<br />
Wichtig ist uns in diesem Zusammenhang wieder die Präsentation eines innovativen Schulmodells.<br />
An der BHAK/BHAS Steyr wird der Schulversuch "COOL-Cooperatives Offenes Lernen" durchgeführt,<br />
bei dem Schüler/innen zu eigenverantwortlichem Lernen geführt werden und Unterrichtende eine<br />
neue Qualität ihres Lehrer/innen-Seins erfahren.<br />
Ebenso informieren wir über zahlreiche spannende Initiativen und Fördermaßnahmen in den<br />
Bundesländern, wir stellen Ihnen den Wiener Verein TIBI vor und bringen eine Übersicht über laufende<br />
und geplante Akademielehrgänge zum Thema Begabtenförderung Österreich weit. Wir freuen<br />
uns besonders, Ihnen auch die neuen Koordinatorinnen für Begabtenförderung in Kärnten,<br />
Salzburg und Vorarlberg vorstellen zu dürfen.<br />
Wie immer bieten wir Ihnen eine Rückschau auf stattgefundene Tagungen: dieses Mal ein internationales<br />
Seminar über Moderne Technologien in der Begabtenförderung in Prag, eine richtungsweisende<br />
Veranstaltung zum Thema Förderung (hoch) Begabter im Kindergarten, sowie die zweijährlich<br />
stattfindende Tagung des Arbeitskreises Begabungsforschung und Begabungsförderung (ABB)<br />
in Frankfurt. Auf weitere Tagungen der nächsten Zeit machen wir in diesem Heft aufmerksam.<br />
In eigener Sache berichten wir über die laufende Arbeit und die neuen Rahmenbedingungen am Österreichischen<br />
Zentrum für Begabtenförderung und Begabungsforschung: Um den ständig wachsenden<br />
Aufgaben gerecht zu werden hat das özbf sowohl räumlich als auch personell expandiert. Wir<br />
freuen uns, Ihnen hier unsere neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorstellen zu dürfen. Eine<br />
besondere Bereicherung für uns ist es auch, den Direktor der Pädagogischen Hochschule<br />
Zentralschweiz, Dr. Willi Stadelmann, für unseren wissenschaftlichen Beirat gewonnen zu haben.<br />
Mag. Dr. Waltraud Rosner<br />
Geschäftsführerin (özbf)<br />
waltraud.rosner@begabtenzentrum.at<br />
Abschließend möchten wir uns wieder ganz herzlich bei all jenen bedanken, die uns mit ihren wertvollen<br />
Beiträgen und Anregungen unterstützt haben!<br />
Das Team des özbf wünscht Ihnen allen viel Glück und Erfolg im neuen Jahr 2006!<br />
newsletter12 . 01.2006 . 2
01 Schwerpunkt: Elternberatung<br />
01 UND ES HAT <strong>KLIKK</strong> GEMACHT<br />
Zur Konzeption eines speziellen Trainings<br />
für Eltern kluger Kinder<br />
"In dieser Übung habe ich endlich verstanden, was in unserem Sohn vorgeht,<br />
wenn ich ihn wie bisher dazu bringen will, seine Hausaufgaben<br />
zu machen. Ich habe jetzt auch eine Idee, wie wir es anders machen können,<br />
und bin gespannt, wie er darauf reagieren wird." Nachdenklich lässt<br />
ein Teilnehmer am Elterntraining <strong>KLIKK</strong> (Kommunikations- und Lösungsstrategien<br />
für die Interaktion mit klugen Kindern) seine Aussage nachwirken.<br />
In der Plenumsrunde, an der insgesamt zwölf Eltern teilnehmen,<br />
wird gerade eine Übung zur Kommunikation mit klugen Kindern besprochen.<br />
In den Beiträgen wird deutlich, dass die Eltern Schwierigkeiten<br />
im familiären Alltag nun mit anderen Augen sehen. Dazu gehören mehr<br />
Verständnis für die Bedürfnisse ihrer Kinder, das Entdecken neuer Strategien<br />
und der Wunsch, eigenes Handeln zu überdenken und zu verändern.<br />
Zugleich zeigen die Aussagen, dass die Eltern auch eigene Kompetenzen<br />
wahrnehmen und stärker als bisher würdigen können.<br />
1. Die Anfänge des Seminarangebotes <strong>KLIKK</strong><br />
Mit der Konzeption des Elterntrainings <strong>KLIKK</strong> wurde im Mai 2004 begonnen<br />
- angeregt durch den Wunsch einer Reihe von Klientinnen und<br />
Klienten der Begabungspsychologischen Beratungsstelle der Ludwig-<br />
Maximilians-Universität (LMU) München nach einer Vertiefung der<br />
Inhalte der Beratungsgespräche. Um eine bedarfsgerechte Seminargestaltung<br />
anbieten zu können, entschlossen wir uns, ein Angebot für<br />
Eltern von Kindern einer begrenzten Altersstufe zu machen, da andernfalls<br />
davon auszugehen ist, dass die Themenwünsche zu stark differieren<br />
würden. Wir entschieden uns für die Zielgruppe von Familien mit<br />
Kindern im Vor- und Grundschulalter, da diese den weitaus größten Anteil<br />
unserer Klientel darstellen.<br />
In einer ersten Bedarfsanalyse wurden zufällig ausgewählte Protokolle<br />
bereits geführter Beratungsgespräche daraufhin analysiert, welche<br />
Themen und Anliegen von Klientenseite am häufigsten geäußert wurden.<br />
Anhand dieser Informationen konnten vier Themengebiete identifiziert<br />
werden, die jeweils in mindestens 30% der Fälle genannt wurden:<br />
> Möglichkeiten der Unterstützung der Selbststeuerung des Kindes<br />
> Begleitung des Kindes bei Problemlösungen (insbesondere im Hinblick<br />
auf Probleme im Sozialverhalten)<br />
> Möglichkeiten der Beeinflussung der Motivation des Kindes (vor allem<br />
in Bezug auf Leistungsmotivation)<br />
> Umgang mit Stress (in Bezug auf Regeln/Grenzen in der Familie sowie<br />
im Umgang mit Langeweile und Unterforderung des Kindes)<br />
In einem zweiten Schritt wurden diese Fragestellungen anhand aktueller<br />
empirischer Befunde spezifisch für das Thema Hochbegabung ausgearbeitet.<br />
Dabei ging es beispielsweise um besondere Bedürfnisse und<br />
Stärken hoch begabter Kinder im Vergleich zu durchschnittlich begabten<br />
Kindern.<br />
Schließlich wurden den anhand<br />
der Bedarfsanalyse ausgewählten<br />
Themengebieten<br />
passende Trainingsinterventionen<br />
zugeordnet. Dabei legten<br />
wir Wert darauf, nur solche<br />
Interventionen aufzunehmen, deren Wirksamkeit in anderen<br />
Trainings oder vergleichbaren Settings durch empirische Evaluation bereits<br />
dokumentiert war. Anhand dieses Vorgehens wurden die folgenden<br />
vier Seminarmodule mit entsprechenden Interventionen ausgewählt:<br />
> Elemente des personenzentrierten Ansatzes für den Bereich<br />
Kommunikation<br />
> Techniken lösungsorientierten Vorgehens und lösungsorientierter<br />
Kommunikation<br />
> Der Bereich Motivation als Anwendungsgebiet für personenzentrierte<br />
und lösungsorientierte Kommunikation<br />
> Stressbewältigung und -prävention als weiteres Anwendungsgebiet<br />
Mit den Modulen Personenzentrierte Kommunikation und Lösungsorientierung<br />
werden den teilnehmenden Eltern zu Beginn die grundlegenden<br />
"Werkzeuge" für eine gelingende Interaktion mit ihren klugen Kindern<br />
vermittelt. In den zwei weiteren Inhaltsmodulen Motivation und<br />
Stressbewältigung wird unter anderem die Anwendung dieser beiden<br />
"Werkzeuge" auf das jeweilige Themengebiet spezifiziert.<br />
2. Die Trainingskonzeption<br />
Nachdem anhand der dargestellten ersten Schritte (Bedarfsanalyse und<br />
Zuordnung von Interventionen bzw. vermittelbaren Trainingsinhalten zu<br />
den meist genannten Themen) der Rahmen für das Training abgesteckt<br />
war, begannen wir mit der Planung von Inhalt und Ablauf. Die so entstandene<br />
Trainingsversion wurde in zwei Probetrainings mit Studierenden auf<br />
ihre Praxistauglichkeit hin überprüft, bevor dann im Dezember 2004 das<br />
erste Pilottraining mit zwölf Eltern in München stattfand. In den insgesamt<br />
fünf Pilottrainings von Dezember 2004 bis einschließlich Mai 2005<br />
wurde unser Seminar unter Mithilfe der teilnehmenden Eltern einer formativen<br />
Evaluation unterzogen. Dabei ging es im Wesentlichen um die<br />
Frage, ob die Auswahl der Inhalte und die Art der Vermittlung für die<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmer angemessen waren.<br />
Aus der Phase der formativen Evaluation heraus entwickelten wir die<br />
jetzige Konzeption von <strong>KLIKK</strong>. In dieser erfolgt die Vermittlung der<br />
Inhalte der vier Module, welche nachfolgend näher beschrieben werden,<br />
jeweils mit einem theoretischen Input und sich daran anschließenden<br />
Übungsmöglichkeiten für die Eltern. Für diese Übungen können die<br />
Eltern entweder vorgegebene Situationsbeschreibungen wählen, die<br />
sich auf Themen aus Beratungsgesprächen beziehen oder auf eigene<br />
Themen aus dem Familienalltag zurückgreifen. Die nachfolgende<br />
Reihenfolge der Darstellung der Seminarinhalte entspricht der zeitlichen<br />
Modulabfolge im Training.<br />
3
2.1 Kommunikation<br />
Der Bereich Kommunikation ist das Einstiegsthema des Trainings und<br />
beschreibt eines der beiden grundlegenden "Werkzeuge". Ausgehend<br />
vom “Modell der vier Seiten einer Nachricht” (Schulz von Thun, 2001)<br />
wird eine "Landkarte" der Kommunikation entworfen. Die Eltern können<br />
so eine Idee entwickeln, wie Missverständnisse in der zwischenmenschlichen<br />
Kommunikation durch verschiedene Bedeutungsgebungen<br />
entstehen. Anschließend werden Bedürfnisse kluger Kinder im Bereich<br />
Kommunikation erörtert, die aus deren Fähigkeiten und dem damit korrespondierenden<br />
Selbstbild resultieren können. Daran anknüpfend<br />
werden passende Kommunikationstechniken vorgestellt. Dabei greifen<br />
wir auf die Erfahrungen aus unseren Beratungsgesprächen zurück, die<br />
darauf hinweisen, dass es gerade in Konfliktsituationen hilfreich ist, das<br />
Selbstbild der klugen Kinder in Bezug auf ihre Kompetenzen zu berücksichtigen.<br />
("Ich habe einen klugen Kopf, der selber gute Lösungen produziert.")<br />
Wesentlich ist der Gedanke, den Kindern zur Optimierung ihrer<br />
Verhaltensplanung in einer wertschätzenden Weise vor allem<br />
Informationen zu vermitteln. Um den Eltern dafür passende Strategien<br />
an die Hand zu geben, wird in diesem Inhaltsmodul auf Werkzeuge des<br />
personenzentrierten Ansatzes (Rogers, 1972) in der Adaptation von<br />
Gordon (1999) zurückgegriffen. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern<br />
werden diese Techniken zunächst theoretisch, dann modellhaft durch<br />
die Trainerinnen und Trainer und anschließend in Kleingruppenübungen<br />
nahe gebracht.<br />
2.2 Lösungsorientierung<br />
Der lösungsorientierte Ansatz wird auf drei Begründer zurückgeführt,<br />
die seit Ende der 1960er Jahre entsprechende Techniken vermitteln (vgl.<br />
Bamberger, 2001):<br />
> das "Brief Therapy Center" mit Watzlawik und Kollegen in Palo Alto<br />
> das Mailänder "Centro per lo Studio della Famiglia" mit Selvini-Palazolli<br />
und Kollegen<br />
> de Shazer und das Team des "Brief Family Therapy Centers" in Milwaukee<br />
Eine grundlegende Innovation des lösungsorientierten Ansatzes besteht<br />
in der Aufhebung der Annahme, dass zur Lösung einer Schwierigkeit<br />
eine ausführliche Problemanalyse unabdingbar sei. Ausgehend davon,<br />
dass Problem und Lösung unabhängig voneinander sind und dass sich<br />
eine relativ überschaubare Anzahl von Lösungsstrategien bei vielen<br />
Fragestellungen als hilfreich erwiesen hat, entwickelten de Shazer und<br />
Kollegen systematisch bestimmte Techniken und Vorgehensweisen zur<br />
Lösungsfindung (vgl. de Shazer et al., 1986). Im Training wird den Eltern<br />
eine Auswahl davon vermittelt. Die Aufnahme dieses Ansatzes in unser<br />
<strong>KLIKK</strong>-Seminar begründet sich neben der empirisch nachgewiesenen<br />
Wirksamkeit vor allem in der ressourcenorientierten Ausrichtung<br />
(Kompetenzen und Ressourcen sind bei hoch begabten Kindern im intellektuellen<br />
Bereich reichlich vorhanden), der Nutzung dieser Ressourcen,<br />
der Berücksichtigung der Autonomie des Gegenübers sowie der guten<br />
Vermittelbarkeit im Rahmen eines kompakten Trainings.<br />
2.3 Motivation<br />
Im Inhaltsmodul "Motivation" werden die eingangs vermittelten "Werkzeuge"<br />
Kommunikation und Lösungsorientierung mit Hilfe des Attributionsmodells<br />
von Weiner (1988) in Bezug auf ein für hoch begabte<br />
Kinder und deren Familien wesentliches Anwendungsfeld, nämlich den<br />
Leistungs- und Schulbereich, spezifiziert. Dabei werden den Eltern<br />
Ideen und Vorgehensweisen in die Hand gegeben, um ihre Kinder anzuregen,<br />
die Ausrichtung ihrer Motivation in diesem Bereich zu überdenken<br />
und gegebenenfalls zu verändern. Ein wesentlicher Gedanke ist dabei,<br />
dass es für hoch begabte Kinder motivationsaufbauend wirken kann,<br />
wenn sie im Sinne der Selbstwirksamkeit ihren eigenen Einfluss auf<br />
Erfolge oder auch mögliche Misserfolge erkennen können (siehe dazu z.B.<br />
auch die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan, 1985). Eine<br />
Voraussetzung für die Angemessenheit einer solchen Vorgehensweise<br />
ist eine entsprechende Abstraktionsfähigkeit, die bei klugen Kindern auch<br />
im Vorschul- und Grundschulalter bereits vorausgesetzt werden kann.<br />
2.4 Stress<br />
Stress beschreibt einen Zustand, der auf Überforderung oder aber auf<br />
Unterforderung zurückgeführt werden kann. Die Auslöser werden als<br />
"Stressoren" bezeichnet. Zur Erklärung der interindividuellen und intraindividuellen<br />
Unterschiede in der Reaktion auf vergleichbare Stressoren<br />
dient das im Elterntraining behandelte Stressmodell von Lazarus (1984;<br />
vgl. auch Wagner-Link, 2001). Den Eltern werden im Seminar nach einem<br />
kurzen theoretischen Input, der auch eine Übersicht über spezifische<br />
Stressoren hoch begabter Kinder enthält (z.B. Unterforderung oder<br />
Perfektionismus), konkrete Ideen an die Hand gegeben, um sowohl ihr<br />
eigenes als auch das Stresserleben ihrer Kinder verringern zu können.<br />
Dabei dient das Modell von Lazarus wiederum als "Landkarte", an dem<br />
konkrete Vorgehensweisen verdeutlicht werden können.<br />
Ein Leitgedanke dieses Moduls ist, dass hoch begabte Kinder und deren<br />
Familien nicht per se mehr Stress als durchschnittlich begabte<br />
Kinder und deren Familien erleben, wohl aber, dass die Art der Stressoren<br />
sich unterscheidet. Ein weiterer Leitgedanke in diesem Inhaltsbereich<br />
ist, dass die hohe Intelligenz der Kinder unter passenden<br />
Rahmenbedingungen zu einer wichtigen Bewältigungsressource für die<br />
Kinder selbst wie auch ihre Familien werden kann.<br />
2.5 Der zeitliche Ablauf des Trainings<br />
Das Elterntraining umfasst insgesamt rund sechzehn Stunden, ergänzt<br />
um die Pausen ergeben sich insgesamt rund zwanzig Stunden. Dabei<br />
stehen zwei Durchführungsvarianten zur Verfügung: eine "kompakte"<br />
Variante, die an einem Wochenende (Freitagabend bis Sonntagnachmittag)<br />
durchgeführt wird, und eine zweite Version, die an zwei aufeinander<br />
folgenden Wochenenden angeboten wird (zweimal jeweils<br />
Freitagabend und Samstag). Diese zweite Version ist auf Anregung von<br />
Eltern entstanden, die an den ersten Trainingswochenenden teilnahmen.<br />
Die Eltern äußersten den Wunsch nach einer "Zwischenzeit" zum<br />
Sammeln von Erfahrungen und zum Ausprobieren der erlernten neuen<br />
Werkzeuge. Diese Erfahrungen können dann im Verlauf der zweiten<br />
Trainingshälfte besprochen werden.<br />
newsletter12 . 01.2006 . 4
01 Schwerpunkt: Elternberatung<br />
3. Evaluation<br />
<strong>KLIKK</strong> wird im Rahmen eines Promotionsprojektes anhand von Elternbefragungen<br />
systematisch evaluiert (formativ und summativ). Ziel der bereits<br />
abgeschlossenen formativen Evaluation war die Optimierung des<br />
Trainingsangebotes. In der gerade laufenden summativen Evaluationsphase<br />
werden die Auswirkungen des Seminars auf das Kompetenzerleben<br />
der teilnehmenden Eltern und das Familienleben erfasst.<br />
Zudem wird überprüft, ob die beiden angebotenen Designs (ein kompaktes<br />
Wochenende versus zwei Termine an zwei aufeinander folgenden<br />
Wochenenden) sich hinsichtlich ihrer Effektivität unterscheiden.<br />
Die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer werden zweimal vor dem<br />
Training, direkt im Anschluss an das Training und zweimal nach dem<br />
Training mittels Fragebögen befragt. Die Befragung vor dem Training<br />
dient der Erfassung von Effekten, die alleine durch die Anmeldung entstehen.<br />
Die Befragungen im Anschluss an das Training dienen dazu, die<br />
kurz- und mittelfristigen Auswirkungen des Trainings im Familienalltag<br />
zu erfassen.<br />
Bei der Durchführung der dargestellten summativen Evaluation wird im<br />
Wesentlichen auf das klassische Kontrollgruppendesign zurückgegriffen,<br />
was bedeutet, dass teilnehmende Eltern sowohl als Kontrollgruppe<br />
(vor der Teilnahme) als auch als Trainingsgruppe fungieren. Die Kontrollgruppe<br />
wird ergänzt durch Eltern, die an einem Beratungsgespräch, nicht<br />
aber am Training teilnehmen.<br />
4. Fazit und Ausblick<br />
Mit dem Elterntraining <strong>KLIKK</strong> wird nach unserem Wissen im deutschsprachigen<br />
Raum erstmals ein spezielles Training für Eltern hoch begabter<br />
Kinder im Rahmen einer Evaluationsstudie entwickelt. <strong>KLIKK</strong> ist als<br />
regelmäßiges Angebot der Begabungspsychologischen Beratungsstelle<br />
an der LMU München geplant. Wir freuen uns sehr über die im Rahmen<br />
von <strong>KLIKK</strong> bestehenden Kooperationen mit dem özbf in Salzburg und der<br />
Beratungsstelle Hochbegabung im Saarland. Geplant ist zudem, nach<br />
Abschluss und Auswertung der summativen Evaluation ein Trainingshandbuch<br />
für Trainerinnen und Trainer, die <strong>KLIKK</strong> selber durchführen<br />
möchten, zu erstellen.<br />
Ermöglicht werden die Durchführung der begleitenden Evaluationsstudie<br />
sowie die geringe Teilnahmegebühr durch die finanzielle Unterstützung<br />
der Karg-Stiftung.<br />
Informationen zu den Terminen der nächsten <strong>KLIKK</strong>-Seminare, zu<br />
Kosten sowie zu Anmeldungsmöglichkeiten finden Sie unter:<br />
http://www.paed.uni-muenchen.de/~ppb/Begabung/Seiten/klikk.htm<br />
Literatur<br />
> Bamberger, G. G. (2001). Lösungsorientierte Beratung (2. Aufl.). Weinheim:<br />
Psychologie Verlags Union.<br />
> De Shazer, S. Berg, I.S., Lipchik, E., Nunnally, E., Molnar, A., Gingerich, W.<br />
& Weiner-Davis, M (1986). Kurztherapie - Zielgerichtete Entwicklung von<br />
Lösungen. Familiendynamik 11 (3), 182 - 205.<br />
> Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1985). Intrinsic motivation and self-determination<br />
in human behavior. New York: Plenum.<br />
> Gordon, T. (1999). Die neue Familienkonferenz: Kinder erziehen ohne zu strafen<br />
(10. Auflage). München: Heyne.<br />
> Lazarus, R. S. & Folkmann, S. (1984). Stress, appraisal, and coping. New York:<br />
Springer.<br />
> Rogers, C. (1972). Die nicht-direktive Beratung. München: Kindler.<br />
> Schulz von Thun, F. (2001). Miteinander reden, Band 1. Reinbeck bei Hamburg:<br />
Rowohlt.<br />
> Wagner-Link, A. (2001). Verhaltenstraining zur Stressbewältigung. Stuttgart:<br />
Klett-Cotta.<br />
> Weiner, B. (1988). Motivationspsychologie. Weinheim: Psychologie Verlags<br />
Union.<br />
Franzis Preckel, Dietrich Arnold & Iris Großgasteiger<br />
beratung@mip.paed.uni-muenchen.de<br />
Iris Großgasteiger, Dietrich Arnold, Brenjo Sava<br />
5
01 GEGENWIND UND GEFAHREN TROTZEN<br />
Das Rostocker Odysseus-Projekt<br />
Seit September 2001 erhalten Schülerinnen und Schüler sowie deren<br />
Eltern in der Beratungsstelle des "Odysseus-Projekts" am Institut für<br />
Pädagogische Psychologie der Universität Rostock Informationen und<br />
Hilfestellung bei begabungspsychologischen und Schullaufbahnfragen.<br />
Aber nicht nur Eltern und deren Kinder können die Beratungsstelle für<br />
umfassende psychodiagnostische Untersuchungen und psychologische<br />
Beratung in Anspruch nehmen, die Mitarbeiter/innen im "Odysseus-<br />
Projekt" stehen auch Lehrkräften an Schulen, pädagogischem Personal<br />
von Kindergärten und anderen Institutionen (beispielsweise Ergotherapeutinnen/Ergotherapeuten,<br />
Ärztinnen/Ärzten, niedergelassenen Psychologinnen/Psychologen<br />
oder Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern privater<br />
Förderinstitute) zur Verfügung. Möglich wird dies durch die finanzielle<br />
Unterstützung des "Odysseus-Projekts" durch die Karg-Stiftung, die insbesondere<br />
die befristete Finanzierung einer Mitarbeiterinnen/Mitarbeiterstelle<br />
übernommen hat.<br />
Die begabungspsychologische Beratungsstelle des "Odysseus-Projekts"<br />
am Institut für Pädagogische Psychologie der Universität Rostock stellt<br />
einen Versuch dar, das von Perleth (Perleth, 1997; Perleth & Sierwald,<br />
2001; Perleth, Sühlfleisch-Thurau & Joswig, 2004) beschriebene Modell<br />
der Hochbegabtenberatung in die Praxis umzusetzen. Nach dieser<br />
Konzeption kommt zentralen Beratungsstellen (z.B. an Universitäten) eine<br />
wesentliche Koordinierungs- und Evaluationsfunktion zu, damit Angebote<br />
von Schulen und der nichtschulischen Öffentlichkeit begabten und leistungsstarken<br />
Kindern und Jugendlichen sowie deren Eltern zugute kommen.<br />
Ziel ist es, die Bemühungen zu bündeln, damit die Kinder und<br />
Jugendlichen in einer günstigen Lernumwelt im Freundeskreis ihren<br />
Interessen nachgehen können und der aktive Lernprozess optimal unterstützt<br />
wird. Evaluation meint neben der Evaluation von besonderen<br />
Fördermaßnahmen wie Begabtenklassen oder Förderkursen außerhalb des<br />
schulischen Pflichtprogramms auch, dass Erfahrungen aus Einzelfällen an<br />
der zentralen Beratungsstelle gesammelt und ausgewertet werden.<br />
Wissenschaftlich wird am "Odysseus-Projekt" die Beratungsarbeit daher<br />
im Rahmen der laufenden Evaluation ausgewertet, daneben werden<br />
spezielle Forschungsfragen bearbeitet. Neben diesen beratungsbezogenen<br />
Schwerpunkten werden im "Odysseus-Projekt" Projekte zur<br />
Evaluation von Fördermaßnahmen (Schulversuche mit Begabtenklassen<br />
in Mecklenburg-Vorpommern, Intelligenzförderung, Mathematik-<br />
Wettbewerbe und Arbeitsgemeinschaften, e-Learning-Projekt ELCAD)<br />
durchgeführt. Auf diese Forschung, inkl. der damit verbundenen Promotionsarbeiten,<br />
kann im Rahmen dieses Artikels aber nicht eingegangen<br />
werden. Vielmehr wird nach einem Überblick zu unserer Beratungsstrategie<br />
über Besonderheiten unserer Klientel, zwei Studien zum<br />
Überspringen von Schulklassen und über den Wert von Checklisten für<br />
Hochbegabung sowie abschließend über die Evaluation der Beratungsarbeit<br />
berichtet.<br />
Was bedeutet "Odysseus-Projekt"?<br />
Odysseus fuhr mit seinen Gefährten auch gegen scharfen Wind<br />
durch unbekannte Gewässer. Durch seine Schlauheit konnte er viele<br />
Gefahren bewältigen und versuchte seine Gefährten sicher nach<br />
Hause zu geleiten, auch wenn er selbst den Weg nicht kannte.<br />
(Leider folgten die Gefährten dem Rat des Odysseus allerdings oftmals<br />
nicht!)<br />
Die Mitarbeiter/innen des "Odysseus-Projekts" bieten Eltern und<br />
Kindern an, diese ein Stück des Wegs durch Schule und Ausbildung<br />
zu begleiten und mögliche Wege aufzuzeigen, d.h. Orientierung zu<br />
geben, auch mittels psychologischer Diagnostik. Es kommt vor allem<br />
darauf an, Dynamik und Bewegung in festgefahrene Problemsituationen<br />
zu bringen und die Selbstkompetenz von Eltern, Kindern<br />
und Jugendlichen zu stärken, damit sie Problemlösungen selbst organisieren<br />
können. Dabei sollen auch Hilfestellungen vermittelt<br />
werden, um die Entwicklung (der Kinder) zu stimulieren und besonders<br />
bei hoch begabten Kindern und Jugendlichen (verbesserte) soziale<br />
Integration (Gleichgesinnte, Freundinnen/Freunde) zu erreichen.<br />
Beteiligte Lehrkräfte werden im Hinblick auf einen günstigen<br />
Unterricht für besondere Schüler/innen und Eltern im Hinblick auf<br />
optimale Unterrichts- bzw. Schulformen für ihre Kinder beraten.<br />
Die Konzeption<br />
und Arbeitsweise der Rostocker Beratungsstelle<br />
Im Regelfall wenden sich Eltern oder Lehrer/innen telefonisch an die Beratungsstelle.<br />
Dort wird ihr Anliegen aufgenommen und die Eltern werden<br />
über das weitere Vorgehen informiert. Daneben werden die Institutsmitarbeiterinnen/-mitarbeiter<br />
(besonders die Professorinnen/ Professoren)<br />
auch direkt von Ratsuchenden kontaktiert. Eine Reihe von Anfragen, besonders<br />
nach Informationen zum Thema Hochbegabung, können direkt per<br />
E-Mail beantwortet werden, ohne dass die Projekt-Mitarbeiterin/der Projekt-Mitarbeiter<br />
der Beratungsstelle sich damit beschäftigen muss. Es besteht<br />
auch die Möglichkeit der Kontaktaufnahme per Videokonferenz, was<br />
bisher allerdings weitgehend ungenutzt geblieben ist.<br />
Den Eltern wird dann ein Fragebogen zugesandt, der Fragen zu biographischen<br />
Daten des Kindes, dem Anliegen der Ratsuchenden und den<br />
Erwartungen an das Beratungsgespräch sowie<br />
vertiefende Fragen zu Interessen und zur<br />
Entwicklung des Kindes enthält. Dadurch können<br />
sich die Eltern schon im Vorfeld reflektierend<br />
mit der im Beratungsgespräch<br />
zu besprechenden Situation<br />
newsletter12 . 01.2006 . 6
01 Schwerpunkt: Elternberatung<br />
auseinandersetzen. Auch das Beratungsteam kann sich durch die Auswertung<br />
des Fragebogens optimal auf das Gespräch vorbereiten und z.B.<br />
geeignete Testverfahren auswählen.<br />
Nach der Planung und Organisation, die besonders für Familien mit einem<br />
weiten Anreiseweg gut durchdacht sein muss, folgen psychodiagnostische<br />
Gespräche sowie - oftmals damit verknüpft - das eigentliche<br />
Beratungsgespräch. Hier wird mit den Eltern über aktuelle Schwierigkeiten<br />
und Probleme, die in der Schule oder im häuslichen Umfeld auftreten,<br />
gesprochen. Den Eltern soll dabei ermöglicht werden, Probleme<br />
neu wahrzunehmen und anders zu bewerten. Es geht außerdem darum,<br />
alternative Wege bezüglich der Schullaufbahn aufzuzeigen oder<br />
Maßnahmen des Enrichment bzw. der Akzeleration oder Pull-out und<br />
"Drehtür"-Maßnahmen zu diskutieren. Den Eltern soll dabei "Hilfe zur<br />
Selbsthilfe" mit auf den Weg gegeben werden. Dieses Gespräch kann<br />
auch per Telefon und prinzipiell auch per Videokonferenz geführt werden.<br />
Mit dem Kind wird bei Bedarf eine umfassende Testdiagnostik<br />
(Intelligenzleistung, Motivation und anderer Persönlichkeitsmerkmale etc.)<br />
durchgeführt. Diese dient zur Abklärung der individuellen Begabungen des<br />
Kindes, eventuell vorhandener Schwächen und besonderer Stärken.<br />
Im Abschlussgespräch, das je nach Anreiseweg der Familie im<br />
Anschluss an die Diagnostik oder an einem neuen Termin oder wiederum<br />
telefonisch stattfindet, werden die Ergebnisse der Testdiagnostik<br />
und Verhaltensbeobachtung besprochen. Den Eltern und dem Kind soll<br />
hier die Bedeutung der Testergebnisse im Kontext des Beratungsanliegens<br />
verständlich gemacht werden. Die daraus folgenden Konsequenzen<br />
(geeignete Förderung, Enrichment, Pull-Out-Programme etc.,<br />
weitere Empfehlungen für die Schullaufbahn, Akzeleration wie Überspringen<br />
usw.) werden besprochen. In einem Nachkontakt wird den<br />
Familien nach einiger Zeit ein weiterer Fragebogen zugesandt, der Fragen<br />
zur Entwicklung des Kindes und der Problemsituation enthält. Mit<br />
Hilfe des Fragebogens wird die Beratungstätigkeit und der Beratungsablauf<br />
evaluiert und ggf. verändert.<br />
Seit Herbst 2003 werden für Diagnostik und Beratung gestaffelte<br />
Gebühren (je nach diagnostischem Aufwand) erhoben, wobei Erziehungsberechtigten,<br />
die nur über ein geringes Einkommen verfügen können,<br />
auf Antrag das Honorar erlassen werden kann.<br />
Inanspruchnahme und Klientel der Rostocker Beratungsstelle<br />
Seit Eröffnung der Beratungsstelle bis Anfang März 2004 lagen 612<br />
Anfragen von Ratsuchenden vor. Diese Zahl bezieht sich auf alle diejenigen<br />
Fälle, bei denen den Ratsuchenden nach dem Erstkontakt der<br />
Fragebogen zugesandt wurde. Insgesamt liegt die Zahl der Anfragen<br />
noch deutlich höher, die der durchgeführten Beratungen jedoch darunter.<br />
Letztlich konnten bis März 2004 394 Fälle mit einem Beratungsgespräch<br />
abgeschlossen werden. In 343 Beratungsfällen wurden Tests<br />
durchgeführt. In 59 Fällen genügte die persönliche Beratung, teilweise<br />
weil die betroffenen Kinder und Jugendlichen bereits anderswo testdiagnostisch<br />
untersucht worden waren. Die Wartezeiten liegen relativ<br />
konstant bei 6 - 8 Wochen. In Zeiten der Nachfragespitzen (z.B. zum<br />
Schulhalbjahr) kann dieser Wert allerdings nur dadurch eingehalten werden,<br />
dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts für<br />
Pädagogische Psychologie einen Teil ihrer Arbeitszeit für Beratungsaufgaben<br />
zur Verfügung stellen.<br />
Etwas mehr als die Hälfte der Väter oder Mütter, die für sich oder ihre<br />
Kinder Beratung suchten, üben Berufe mit einfacherer oder mittlerer<br />
Tätigkeit aus (im Sinne der in der PISA-Studie verwendeten Terminologie).<br />
Der oberen Dienstklasse gehörten 31 Prozent der Mütter und 36<br />
Prozent der Väter an.<br />
Verteilung der Mütter auf die Berufsgruppen<br />
Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man die jeweils höchsten Bildungsabschlüsse<br />
der Eltern betrachtet. Von beiden Elternteilen verfügen<br />
jeweils 52 Prozent über ein Hochschulstudium. Insgesamt hat das<br />
"Odysseus-Projekt" damit bisher seinen Anspruch recht gut eingelöst,<br />
mit seinen Beratungsangeboten auch Familien zu erreichen, die normalerweise<br />
nicht zur "typischen" Klientel von Hochbegabungsberatungsstellen<br />
gehören (also Akademikerfamilien mit einem sehr bildungsambitionierten<br />
Familienklima). Ein wesentlicher Grund hierfür dürfte auch<br />
sein, dass versucht wird, einen intensiven Austausch mit Schulen in der<br />
Region zu pflegen. Eine große Zahl der Rat suchenden Eltern gibt an,<br />
von der Schule bzw. einer Lehrkraft auf die Beratungsstelle aufmerksam<br />
gemacht worden zu sein.<br />
Das Geschlechterverhältnis stimmt weitgehend mit dem überein, was<br />
von anderen Beratungsstellen berichtet wird. 68 Prozent Anmeldungen<br />
von Jungen bzw. männlichen Jugendlichen stehen 32 Prozent Mädchen<br />
gegenüber.<br />
Im "Odysseus-Projekt" stehen Fragen nach der geeigneten Schullaufbahn<br />
sowie die Überprüfung einer vermuteten Hochbegabung zu Beginn der<br />
Beratung im Mittelpunkt der Anfragen. Häufig wird auch bei Verhaltensauffälligkeiten<br />
Hilfe gesucht. Unterschiede zwischen den Geschlechtern<br />
zeigten sich vor allem in den Kategorien Schullaufbahnfragen und<br />
Verhaltensauffälligkeiten. Verhaltensauffälligkeiten stehen häufiger bei<br />
Jungen im Vordergrund als Anlass für eine Beratung, während bei Mädchen<br />
die eher "neutralen" Fragen der Schullaufbahn stärker vertreten<br />
sind. Besonders an den Übergängen vom Kindergarten zur Grundschule<br />
(mit vier bis sechs Jahren) und von der Grundschule zu weiterführenden<br />
Schulen wird Beratung nachgefragt.<br />
7
Im Regelfall werden bei den Untersuchungen im Rahmen des "Odysseus-<br />
Projekts" zwei (nämlich sowohl bildungs- und sprachfreie als auch bildungs-<br />
und sprachgebundene) Verfahren zur Intelligenzdiagnostik eingesetzt.<br />
Eine spannende Frage ist dabei, wie sich die Begabungen bei<br />
den untersuchten Kindern und Jugendlichen verteilen. Bisweilen sind<br />
nämlich Eltern ambitionierter als Kinder begabt. Die Abbildung unten<br />
zeigt zusammengefasst die Leistungen aller Kinder und Jugendlichen,<br />
die bisher im Rahmen des "Odysseus-Projekts" mit einem üblichen<br />
sprachfreien Intelligenztest untersucht wurden (so genannte "Raven-<br />
Matrizen"). Nicht ganz 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen erreichten<br />
demnach weit überdurchschnittliche Werte (entspricht IQ über 130)<br />
und sind damit zu den intellektuell Hochbegabten zu rechnen, ein weiteres<br />
Achtel erzielte Werte im Bereich von etwa IQ = 120 bis 130, also<br />
immer noch deutlich überdurchschnittliche Ergebnisse. Insgesamt fielen<br />
die Ergebnisse von etwa zwei Dritteln der im "Odysseus-Projekt" untersuchten<br />
Kinder und Jugendlichen in den Bereich der 25 Prozent<br />
Besten ihrer Altersgruppe, lediglich etwa 12 Prozent erzielten Leistungen<br />
im unteren Durchschnittsbereich. Möglicherweise kann die relativ<br />
große Anzahl tatsächlich hoch begabter Kinder und Jugendlicher<br />
auch als Erfolg unserer Arbeit mit Lehrkräften in der Region im Sinne<br />
einer stärkeren Sensibilisierung für das Thema Hochbegabung gewertet<br />
werden. Ein großer Teil der Klienten wird ja, wie bereits erwähnt,<br />
von Lehrkräften auf die Beratungsstelle im "Odysseus-Projekt" aufmerksam<br />
gemacht.<br />
Begabungsgruppen nach den "Raven-Matrizen-Tests"<br />
Um einen Überblick zu bekommen, inwieweit die intellektuelle Begabung<br />
der untersuchten Kinder und Jugendlichen mit deren eigenem<br />
Alter sowie der Bildung und Herkunft der Eltern und der Geschwisterzahl<br />
als einer Familienstrukturvariablen zusammenhängt, wurden die Zusammenhänge<br />
dieser Variablen mit der Begabung der Kinder und<br />
Jugendlichen analysiert. Dabei ergaben sich keine statistisch bedeutsamen<br />
Zusammenhänge.<br />
Evaluation<br />
der Empfehlungen zum Überspringen von Schulklassen<br />
Im Herbst 2003 starteten wir eine telefonische Befragung aller Eltern,<br />
deren Kindern wir im Rahmen der Beratung im "Odysseus-Projekt" empfohlen<br />
hatten, eine Klasse zu überspringen. Neben der Frage, ob denn<br />
diese Empfehlung überhaupt in die Tat umgesetzt wurde, wurden die<br />
Eltern der Überspringenden befragt, wie sie und ihr Kind das Überspringen<br />
erlebt hätten, welche Reaktionen auf das (mögliche) Überspringen<br />
Lehrkräfte und das soziale Umfeld gezeigt hätten und welche Gründe<br />
gegebenenfalls gegen das Springen vorgebracht wurden. Letzteres wurde<br />
auch von denjenigen erfragt, die sich gegen das Überspringen entschieden<br />
hatten, genauso wie die Gründe, die letztlich entscheidend<br />
gewesen waren. Insgesamt konnten 55 Beratungsfälle in die Untersuchung<br />
einbezogen werden, davon 17 Mädchen und 38 Jungen, was<br />
dem oben dargestellten Geschlechterverhältnis der Kinder in unserer<br />
Beratungsstelle ziemlich genau entspricht. Auffällig ist aber, dass das<br />
Geschlechterverhältnis der Überspringenden sich gegenüber den<br />
Empfehlungen zum Springen umkehrt: Von den 17 Mädchen, denen das<br />
Überspringen empfohlen wurde, übersprangen 11 tatsächlich eine<br />
Klasse, das sind 64,7 Prozent. Bei den Jungen hingegen waren es nur<br />
39,5 Prozent.<br />
Aus den Antworten der Eltern wurde unter anderem die wichtige Rolle<br />
der Lehrkräfte beim Überspringen von Klassen deutlich. Es zeigte sich<br />
generell eine große Skepsis der Lehrkräfte dem Springen gegenüber,<br />
wobei aufnehmende Lehrkräfte dem Springen deutlich positiver gegenüber<br />
standen als die abgebenden Lehrkräfte. Es wurde auch deutlich,<br />
dass in der Regel keine Schwierigkeiten auftreten, wenn Lehrkraft und<br />
aufnehmende Klasse gut auf das springende Kind vorbereitet werden.<br />
Zwar befürchten viele Eltern und Lehrkräfte, dass das Kind wesentlich<br />
schlechtere Schulnoten bekommen könnte und aufgrund dessen wieder<br />
in seine alte Klasse zurück müsse. Dies trifft aber nicht zu: Bei acht der<br />
Kinder hatten sich die Zensuren vor und nach dem Springen nicht verändert,<br />
zwei der Kinder verschlechterten sich um jeweils durchschnittlich<br />
eine halbe Note, drei um eine ganze Notenstufe. Im schlechtesten<br />
Fall lagen diese "schlechten" Noten bei "3". Die weiterhin guten/sehr<br />
guten Noten der Überspringenden zeigen jedenfalls, dass Leistungsprobleme<br />
eher selten vorkamen.<br />
Bei den meisten der Kinder, die das Überspringen überwiegend als positiv<br />
erlebten, wurde von den Eltern eingeschätzt, dass die neue Klasse<br />
auf das Überspringerkind gut vorbereitet wurde. Diese Kinder wurden<br />
dann - entgegen mancher Befürchtung - gut in die neue Klasse integriert.<br />
Drei der Kinder wurden sogar Klassensprecher/in in der neuen Klasse.<br />
Probleme gab es beispielsweise dann, wenn das "Überspringerkind" vorher<br />
durch sehr gute Leistungen glänzen konnte und nun nicht mehr "der<br />
Star" der Klasse war. Insgesamt 58% der Eltern meinten, dass das Überspringen<br />
für ihr Kind positive Auswirkungen hatte. Dies bezieht sich auf<br />
geringere Langeweile in der Schule, mehr Anschluss bei den Klassenkameradinnen/-kameraden<br />
und mehr Lust auf die Schule. Nur in einem<br />
Fall wurde das Überspringen vom Kind negativ erlebt, dieser Junge ging<br />
wieder in seine alte Klasse zurück.<br />
Das Überspringen einer Klassenstufe bleibt nach wie vor ein Tabuthema,<br />
obwohl das Gegenstück dazu, das "Sitzen-Bleiben", seit langem allgemein<br />
anerkannt ist und praktiziert wird. An vielen Schulen bedarf es<br />
noch großer Aufklärungsarbeit. Immer wieder wurde von den Eltern berichtet,<br />
dass Lehrkräfte regelrecht "überredet" werden mussten, diesen<br />
Schritt zu gehen. Dabei waren viele der Eltern selbst unsicher und hät-<br />
newsletter12 . 01.2006 . 8
01 Schwerpunkt: Elternberatung<br />
ten Unterstützung seitens der Lehrer/innen und auch seitens ihres<br />
Umfeldes gebraucht. Aber nicht nur bei Lehrkräften muss sich die Einstellung<br />
zum Überspringen ändern: Auch viele Eltern (die der "Nichtspringenden")<br />
sind durch Vorurteile und auf Hörensagen beruhende<br />
Negativberichte voreingenommen. Sie glauben, man könne einem Kind<br />
diesen Schritt nicht zumuten und müsse hinsichtlich einer Förderung erst<br />
dann etwas tun, wenn das Kind verhaltensauffällig werde. ("Warum soll<br />
man das dem Kind antun, wenn es ihm ja noch gut geht.")<br />
Was taugen Checklisten zur<br />
Diagnostik hoch begabter Kinder und Jugendlicher?<br />
In der populärwissenschaftlichen Literatur sind Checklisten sehr beliebt,<br />
das sind Merkmalslisten, an denen Hochbegabung angeblich erkannt<br />
werden kann. Solche Checklisten sind unter Wissenschaftlern genauso<br />
umstritten wie bei Eltern und Lehrkräften beliebt. Aus größeren<br />
Studien weiß man, dass Merkmale wie "ein geringes Schlafbedürfnis"<br />
oder "Interesse für Details" nicht unbedingt Anzeichen von Hochbegabung<br />
sind, dennoch könnte es ja sein, dass diese Merkmale Hinweise<br />
geben, dass bei manchen hoch begabten Kindern und Jugendlichen besonderer<br />
Beratungsbedarf zutrifft. In enger Kooperation mit Hochbegabungsberatungsstellen<br />
an der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />
sowie dem özbf in Salzburg untersuchen wir nun an unserer Beratungsklientel,<br />
welchen diagnostischen Wert solche Merkmalslisten haben.<br />
Dazu erhalten seit August 2004 alle Ratsuchenden in Rostock, München<br />
und Salzburg vor der Beratung und der Diagnostik einen Fragebogen mit<br />
einer solchen Merkmalsliste. Ergebnisse liegen hierzu natürlich noch<br />
nicht vor, wir müssen erst abwarten, bis sich in allen drei beteiligten<br />
Beratungsstellen genügend verwertbare Beratungsfälle angesammelt<br />
haben. Dennoch haben wir unsere Akten im Lichte dieser Checkliste<br />
nochmals rückblickend durchforstet. Dabei zeigte sich, dass von den<br />
Eltern eingeschätzte Merkmale sprachlicher Leistungsfähigkeit (Wortschatz,<br />
Gedächtnis für Gedichte usw.) mit entsprechenden Intelligenzmaßen<br />
durchaus einhergehen. Im Hinblick auf soziale Merkmale ergibt<br />
sich hingegen ein Bild, das dem widerspricht, was in der Öffentlichkeit<br />
von hoch Begabten oft gezeichnet wird: Die hoch begabten Kinder und<br />
Jugendlichen zeigen sich in der Einschätzung ihrer Eltern als eher gut<br />
sozial angepasst, emotional stabil und eben nicht grüblerisch und selbstzweifelnd.<br />
Sicherlich widerspricht das populären Annahmen, die auch<br />
aus der Analyse von Einzelfällen gewonnen wurden, zeigt aber deutlich,<br />
dass ohne empirische Forschung mit zufälligen oder repräsentativen<br />
Stichproben sich ein schiefes Bild zäh in der Öffentlichkeit festsetzen<br />
kann. Nähere Befunde zu diesem Projekt, auch unter Einbeziehung der<br />
Daten der Münchner und Salzburger Beratungsstelle, werden demnächst<br />
im newsletter des özbf veröffentlicht.<br />
Insgesamt geben die Eltern der Beratung im "Odysseus-Projekt" überwiegend<br />
die Bestnote 1, Noten schlechter als 2 kommen fast gar nicht<br />
vor. (Kl)eine Ausnahme: Von einem Kind bekamen wir die Note "Vier".<br />
Die Mutter erklärte dies in den Anmerkungen so: "Sie war sehr enttäuscht,<br />
dass sie nicht weiter, regelmäßig, zur Beratung gehen kann."<br />
Lediglich an den Räumlichkeiten im Gebäude der Philosophischen<br />
Fakultät in der August-Bebel-Straße wird doch regelmäßig Kritik geübt:<br />
"Ein Wartezimmer wäre nicht schlecht!" "Der erste Eindruck vermittelt<br />
noch das Flair von Behörden/Bürokratie. Dies stimmt natürlich nicht mit<br />
der durchgeführten Tätigkeit überein." Dieser Umstand wird wohl in absehbarer<br />
Zeit kaum geändert werden können. Was neben all den guten<br />
Noten am wichtigsten für eine Beratungsstelle ist: Mehr als 90 Prozent<br />
der Eltern würden die Beratungsstelle weiterempfehlen, etwa 20<br />
Prozent haben dies ihren Angaben zufolge sogar schon getan.<br />
Literatur<br />
> Perleth, C. (1997). Zur Rolle von Begabung und Erfahrung bei der Leistungsgenese.<br />
Ein Brückenschlag zwischen Begabungs- und Expertiseforschung.<br />
München: LMU.<br />
> Perleth, C. & Sierwald, W. (2001). Entwicklungs- und Leistungsanalysen zur<br />
Hochbegabung. In K. A. Heller (Hrsg.), Hochbegabung im Kindes- und Jugendalter<br />
(S. 171-355). Göttingen: Hogrefe.<br />
> Perleth, C., Sühlfleisch-Thurau, U. & Joswig, H. (2004). Zwei Jahre Begabungspsychologische<br />
Beratungsstelle "Odysseus-Projekt" an der Universität Rostock<br />
- Konzeption, Ergebnisse und Erfahrungen. In H. Joswig & H. Drewelow (Hrsg.),<br />
Begabungsförderung: Von der Einzelfallberatung zur Lernkultur (S. 173-200).<br />
Rostock: Universität Rostock.<br />
Dipl.-EW Ulrike Stave und Prof. Dr. Christoph Perleth<br />
info@odysseus-projekt.de<br />
Zufriedenheit mit der Beratung<br />
Seit November 2002 werden Fragebögen zur Evaluation der Beratungstätigkeit<br />
in der Regel vier bis sechs Wochen nach dem Abschlussgespräch<br />
an unsere Klienten verschickt. In dem Fragebogen können die<br />
Eltern und auch die Kinder "Noten" für verschiedene Aspekte der Beratung<br />
vergeben (Rücklauf: 39 Prozent mit stark steigender Tendenz in<br />
der letzten Zeit).<br />
Ulrike Stave,<br />
hauptamtliche Mitarbeiterin der Beratungsstelle,<br />
bei einer Testdurchführung<br />
9<br />
Foto: Perleth
01 AUFMERKSAMKEITSSTÖRUNG<br />
UND MOTORISCHE UNRUHE<br />
Hochbegabung oder ADHS<br />
Die Beurteilung einer intellektuellen Hochbegabung oder besonderen<br />
Begabung ist unter anderem ein metrisches Ergebnis. Durchschnittlich<br />
intelligente Menschen haben einen Intelligenzquotienten (= IQ) zwischen<br />
85 und 114 (Prozentrang 16-83), überdurchschnittliche intellektuelle<br />
Begabungen liegen zwischen 115 und 129 (Prozentrang 84-97). Bei einem<br />
IQ ab 130 (Prozentrang >98) spricht man von Hochbegabung.<br />
In Deutschland gibt es gemäß der Gauss’schen Verteilungskurve etwa<br />
1,5 Mio. überdurchschnittlich intelligente (IQ =115) und ca. 365 000 hoch<br />
begabte Kinder. Ab dem 3. Lebensjahr sind neben entwicklungspsychologischen<br />
auch testpsychologische Untersuchungen von intellektuellen<br />
Leistungsmerkmalen möglich.<br />
Das modifizierte Begabungsmodell von Heller et al. (1994) macht deutlich,<br />
dass die tatsächliche Leistungsfähigkeit von vielen verschiedenen<br />
Faktoren beeinflusst wird, weshalb es zur Diagnostik nicht ausreicht,<br />
nur die intellektuellen Fähigkeiten zu untersuchen. Das eigentliche intellektuelle<br />
Potenzial und nicht nur die gezeigte Leistungsfähigkeit ist<br />
die Grundlage für die spätere Beratung.<br />
Ca. 15% der hoch Begabten sind so genannte "underachiever", Menschen,<br />
die ihr Potenzial nicht in durchschnittliche Leistungsfähigkeit umsetzen<br />
können; für sie ist es besonders bedeutsam, als hoch begabt<br />
identifiziert zu werden.<br />
Bei Kindern beobachtet man auch unabhängig von der gezeigten<br />
Leistungsfähigkeit häufig Langeweile, Unkonzentriertheit und Störverhalten<br />
im Unterricht, wenn das schulische Angebot nicht ihrem kognitiven<br />
Niveau entspricht. Mädchen sind häufig angepasster, so dass<br />
ihre hohe Begabung oft spät entdeckt wird. Gelegentlich versuchen sie<br />
ihr Leistungsniveau bewusst dem Durchschnitt anzupassen, um nicht<br />
aufzufallen.<br />
Im Falle von Verhaltensauffälligkeiten kann die Phänomenologie der<br />
Symptome einer Aufmerksamkeitsstörung (Konzentrationsstörung,<br />
Impulsivität, motorische Unruhe) und einer Unterforderung identisch<br />
sein. Dann ist eine sorgfältige Diagnostik wichtig, um zwischen Krankheit<br />
und Unterforderung unterscheiden zu können.<br />
Das Vorkommen eines ADS bei Hochbegabung kann erhebliche diagnostische<br />
Probleme bereiten. Die Konzentrationsstörung kann teilweise<br />
besser kompensiert werden, weniger die Impulsivität und die ev. vorhandene<br />
motorische Unruhe. Häufig sind zusätzlich Arbeitsorganisationsstörungen<br />
vorhanden, die ihren Ursprung sowohl in der hohen<br />
Begabung als auch in der Aufmerksamkeitsstörung haben können.<br />
Wenn begleitend Teilleistungsschwächen, akustische oder visuelle Differenzierungsschwächen<br />
oder eine Entwicklungsdyspraxie vorliegen, so<br />
ist der Leidensdruck bei hoch begabten Kindern häufig groß, da sie in<br />
der Regel über eine sehr gute Selbsteinschätzung verfügen. Auch ist ihr<br />
Leistungsanspruch höher und die Diskrepanz zwischen "Wollen" und<br />
"Können" führt nicht selten zu sekundären<br />
Neurotisierungen, hier<br />
vor allem zu depressiven Entwicklungen.<br />
Die bisher unveröffentlichte<br />
Untersuchung einer kinderund<br />
jugendpsychiatrischen Inanspruchnahmepopulation<br />
bei Fragen zur Diagnostik und Beratung in Bezug<br />
auf Hochbegabung ergab ein 2-3fach erhöhtes Risiko für das Auftreten<br />
eines ADS. Ebenso zeigte sich ein deutlich erhöhtes Risiko für die<br />
Entwicklung einer depressiven Erkrankung, meist im Rahmen einer<br />
Anpassungsstörung. Auch das Vorkommen einer Entwicklungsdyspraxie<br />
war bei den hoch begabten Kindern häufiger als in der Normalbevölkerung.<br />
Diese Ergebnisse sind vor dem Hintergrund des kinder- und<br />
jugendpsychiatrischen Patientengutes zu sehen, keinesfalls kann allgemein<br />
auf ein höheres Risiko von psychischen Erkrankungen bei hoch begabten<br />
Kindern geschlossen werden.<br />
Auffällig war auch, dass die Diagnosestellung der Teilleistungsschwächen<br />
und motorischen Schwächen häufig relativ spät erfolgt war. Möglicherweise<br />
war die Umwelt aufgrund der intellektuellen Gewandtheit<br />
der Kinder weniger aufmerksam, Defizitäres wahrzunehmen (Bachmann,<br />
2005).<br />
In der Literatur gibt es über das gehäufte Vorkommen eines ADS bei<br />
Hochbegabung verschiedene Aussagen. Einige Autoren sprechen von einem<br />
3-fach erhöhten Risiko (Kim, 2003), andere von einer eher generell<br />
protektiven Wirkkomponente psychischen Störungen gegenüber.<br />
Die Diagnostik und Differentialdiagnostik von Hochbegabung und ADS<br />
erfordert Erfahrung in beiden Bereichen, da die Phänomenologie sehr<br />
einheitlich sein kann. Eine frühzeitige Intervention in beiden Fällen und<br />
ihrer etwaigen Kombination ist wichtig, um Spätfolgen, wie sekundäre<br />
Neurotisierung, zu verhindern. Bereits im Kindergartenalter sollten<br />
im Bedarfsfall differenzierte diagnostische Schritte eingeleitet werden.<br />
Literatur<br />
> Bachmann M. (2005) Hochbegabung und psychische Störungen im Kindes- und<br />
Jugendalter (unveröffentlicht)<br />
> Fütty P., Bachmann M. (2005) Hochbegabung und psychische Störungen des<br />
Kindes- und Jugendalters - ein Literaturreview. Poster auf dem XXIX. Kongress<br />
der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik<br />
und Psychotherapie, Heidelberg<br />
> Kim J., (2003) Diagnosis of ADHD among gifted children in relation to KEDI-<br />
WISC and T.O.V.A. performance<br />
Dr. med. Miriam Bachmann, Privatpraxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />
und -psychotherapie in Hamburg, Tätigkeitsschwerpunkt: Begabung<br />
und Hochbegabung, analytische Paar- und Familientherapie:<br />
http://www.praxis-drbachmann.de<br />
Dr. med. Miriam Bachmann<br />
m.bachmann@praxis-drbachmann.de<br />
newsletter12 . 01.2006 . 10
02 Das özbf vor neuen Herausforderungen<br />
02 <strong>DAS</strong> <strong>ÖZBF</strong> <strong>VOR</strong><br />
<strong>NEUEN</strong> HERAUSFORDERUNGEN<br />
Internationale Kontakte zeigen uns, dass die Begabtenförderung und<br />
Begabungsforschung als aktuelle Themen Einzug gefunden haben in das<br />
öffentliche und politische Denken Europas. Auch in Österreich hat die<br />
Begabtenförderung in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht.<br />
Schulen, Vereine und andere Institutionen bieten heute eine breite Palette<br />
von Maßnahmen zur Begabtenförderung. Beispiele sind u.a. e-learning-Kurse,<br />
Talentförderkurse, pullout-Kurse, Sommerakademien oder<br />
das Programm "Schüler/innen an die Unis". Viele Schulen setzen darüber<br />
hinaus begabungsfördernde Maßnahmen im regulären Unterricht.<br />
Engagierte Lehrerinnen und Lehrer bieten differenzierten und sogar individualisierten<br />
Unterricht.<br />
Einen großen Schritt in eine neue Richtung stellt der Fördererlass<br />
2005/11 des Bundesministeriums vom November 2005 (GZ BMBWK-<br />
36.300/0068-BMBWK/2005) dar, nach dem Schulen verpflichtet sind,<br />
ein standortbezogenes Förderkonzept - auch für besonders Begabte - zu<br />
erstellen. Begabtenförderung wird nun als Teil des Selbstverständnisses<br />
jeder Schule eingefordert und soll sowohl in die Schulorganisation<br />
als auch in die Gestaltung des Unterrichts verpflichtend eingeplant<br />
werden.<br />
Das Team des Österreichischen Zentrums für Begabtenförderung und<br />
Begabungsforschung freut sich über diese äußerst positive Entwicklung<br />
und stellt sich gerne den vielfältigen Herausforderungen. Als nationales<br />
Zentrum verstehen wir uns als Informationsplattform und Impulsgeber<br />
für innovative Maßnahmen zur Begabungs- und Begabtenförderung.<br />
Darüber hinaus ist es unser Ziel, bestehende Aktivitäten,<br />
Initiativen und Institutionen österreichweit zu vernetzen. Unsere internationalen<br />
Kontakte und Kooperationen liefern uns zusätzliche wertvolle<br />
Anregungen und Kooperationsmöglichkeiten für die Weiterentwicklung<br />
der Begabungs- und Begabtenförderung in Österreich. In<br />
Zusammenarbeit mit Wissenschafterinnen und Wissenschaftern aus<br />
dem In- und Ausland stellen wir eine Verbindung zwischen dem aktuellen<br />
Stand der Begabungsforschung und der pädagogischen Praxis her.<br />
Als eine unserer Hauptaufgaben sehen wir es an, durch Information über<br />
das Thema (Hoch-) Begabung Vorurteile auszuräumen und Missverständnissen<br />
vorzubeugen. Mithilfe unserer Homepage, dem periodisch erscheinenden<br />
newsletter sowie diversen anderen Publikationen informieren<br />
wir über begabungs- und begabtenfördernde Maßnahmen an<br />
Schulen und anderen Bildungsinstitutionen, über Ansprechpartner/innen<br />
und Aktivitäten in den Bundesländern, über Forschungsergebnisse<br />
und neuere empirische Befunde sowie über nationale und internationale<br />
Veranstaltungen und Kongresse. Unsere Best-Practice-Datenbank<br />
bietet eine Möglichkeit für Lehrer/innen, Schulleiter/innen und Vereine,<br />
Beispiele der Begabungs- und Begabtenförderung auszutauschen. Ein<br />
Lehrmittelpool wird über erprobte Lehrmittel und Literatur informieren,<br />
und mit einem Referentenpool<br />
wird eine Liste von Referentinnen<br />
und Referenten für Fortund<br />
Weiterbildung zur Verfügung<br />
stehen (beide in Arbeit).<br />
Eine weitere Säule unserer<br />
Tätigkeit bildet die Begabungsdiagnostik und Beratung. Ein neues<br />
Aufgabengebiet des özbf ist die Unterstützung des bm:bwk bei der<br />
Koordinierung von Olympiaden und Wettbewerben.<br />
Die Konzeption, Unterstützung und Evaluierung von Pilotprojekten zu begabungsfördernden<br />
Maßnahmen ist ebenso ein Anliegen des özbf. Im<br />
Bereich der Begabungsforschung können wir auf die Expertise eines wissenschaftlichen<br />
Beirates zurückgreifen. Darüber hinaus besteht eine intensive<br />
Kooperation mit verschiedenen Universitäten und Forschungsinstitutionen.<br />
Unsere vorwiegenden Forschungsinteressen liegen in der<br />
Untersuchung der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Fördermodellen.<br />
Neben der wissenschaftlichen Evaluierung des Projektes ELCAD (in<br />
Kooperation mit der Universität Rostock) läuft derzeit ein Forschungsprojekt<br />
der Ludwig-Maximilians-Universität München, das zum Ziel hat,<br />
die Interaktion von Schüler/innen-Merkmalen und schulischen Förderkontexten<br />
(separierte Hochbegabtenklassen, reguläre Gymnasialklasse)<br />
zu untersuchen. Die Studie wird an der Sir-Karl-Popper-Schule und<br />
am Wiedner Gymnasium in Wien durchgeführt. Gemeinsam mit der<br />
Universität Rostock und der LMU München wird überdies daran gearbeitet,<br />
mittels Elternfragebögen typische Merkmale von (hoch) begabten<br />
Kindern zu eruieren und im Zuge dieser Untersuchung die diversen<br />
Checklisten zur Identifizierung von (Hoch-)Begabung einer kritischen<br />
Prüfung zu unterziehen.<br />
Internationale Tagungen und Kongresse bieten stets eine hervorragende<br />
Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch und Wissenserwerb. Das özbf<br />
veranstaltet alle zwei Jahre einen internationalen Kongress mit jeweils<br />
unterschiedlichen Schwerpunktthemen. Die nächste Tagung wird im<br />
November 2006 stattfinden und die Problematik der hoch begabten<br />
Underachiever zum Thema haben.<br />
11
Da Begabtenförderung nur dann eines Tages zur Selbstverständlichkeit<br />
werden kann, wenn Lehrer/innen und Eltern gleichermaßen für das Thema<br />
Begabung und Hochbegabung sensibilisiert und geschult werden, engagiert<br />
sich das özbf auch in der Lehrer/innen-Fortbildung sowie im<br />
Training und in der Beratung von Eltern. In diesem Zusammenhang haben<br />
wir gemeinsam mit der Donau-Universität Krems ein Masterstudium<br />
MSc in Gifted Education konzipiert. Ebenso wurde am Pädagogischen<br />
Institut in Salzburg unter Mitwirkung des özbf ein Akademielehrgang für<br />
Begabtenförderung ins Leben gerufen. Für Sommer 2006 planen wir ein<br />
internationales Teacher-Trainingscamp, zu dem in erster Linie Lehrer/innen<br />
aus den neuen EU-Mitgliedsländern und Österreich eingeladen werden.<br />
Um Eltern im Umgang mit ihren hoch begabten Kindern zu unterstützen,<br />
veranstalten wir regelmäßig Elterntrainings (<strong>KLIKK</strong>), die von<br />
einem Team der Begabungspsychologischen Beratungsstelle der Ludwig-<br />
Maximilians Universität in München durchgeführt werden. Darüber hinaus<br />
organisiert das özbf im Bundesland Salzburg (gemeinsam mit den<br />
Bezirkskoordinatorinnen für Begabtenförderung) Elternclubs, die den<br />
Eltern die Möglichkeit für Erfahrungs- und Wissensaustausch geben und<br />
ihnen Fachwissen zu spezifischen Problemgebieten liefern.<br />
Zur Unterstützung von Schulleiterinnen und Schulleitern, Lehrerinnen<br />
und Lehrern bei der Entwicklung und Organisation einer begabungs- und<br />
begabtenfördernden Lernkultur haben wir eine Broschüre mit dem<br />
Titel "Schulentwicklung durch Begabungs- und Begabtenförderung" erstellt.<br />
Sie bietet kurz und übersichtlich Informationen über die Grundprinzipien<br />
einer begabtenfördernden Lernkultur, über mögliche Fördermaßnahmen<br />
und die notwendigen Schritte zur Implementierung einer<br />
begabungsfördernden Schulorganisation. Eine Beschreibung von wichtigen<br />
Begriffen der Begabtenförderung und Begabungsforschung hilft<br />
bei Unklarheiten. Wir planen eine Fortsetzung in dieser Richtung in Form<br />
einer Broschüre über die Didaktik der Begabtenförderung.<br />
Angesichts dieser Vielfalt an Aufgaben und Vorhaben ist es uns eine<br />
Freude, dass es uns dank der Unterstützung des bm:bwk und des Landes<br />
Salzburg gelungen ist, räumlich und personell zu expandieren. Wir sind<br />
im September dieses Jahres in das Gebäude des Techno-Z übersiedelt,<br />
wo uns großzügige Büro- und Seminarräume zur Verfügung stehen. Der<br />
Umzug hat es schließlich auch ermöglicht, zusätzliche Mitarbeiter/innen<br />
aufzunehmen. Diese neuen Gegebenheiten sind eine Chance für<br />
uns, unserem Auftrag noch besser gerecht zu werden.<br />
Im Namen des özbf möchten wir uns bei dieser Gelegenheit ganz herzlich<br />
beim Bildungsministerium und beim Land Salzburg für die Unterstützung<br />
bedanken!<br />
waltraud.rosner@ begabtenzentrum.at<br />
walburga.weilguny@ begabtenzentrum.at<br />
Im Folgenden geben wir unseren neuen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern Gelegenheit, sich selbst vorzustellen:<br />
Barbara Egger-Schlewitz: Ich arbeite seit<br />
Oktober dieses Jahres am özbf und meine<br />
Aufgabe ist es u.a., das bm:bwk bei der Koordination<br />
bzw. Evaluation der Schüler/innenwettbewerbe<br />
und Olympiaden an österreichischen<br />
Schulen zu unterstützen. Begeisterungsfähige<br />
Schüler/innen sollen durch diese<br />
Maßnahme der Begabtenförderung die Möglichkeit<br />
erhalten, sich über den Regelunterricht hinaus in verschiedenen<br />
Bereichen weiterzubilden und ein hohes Niveau zu erreichen.<br />
Nachmittags unterrichte ich an meiner Stammschule, dem Privatgymnasium<br />
der Herz-Jesu-Missionare, sowie am Eb. Privatgymnasium Borromäum<br />
Spanisch und Italienisch und bin als Erzieherin im Tagesheim tätig.<br />
Der Kontakt mit Menschen und der gegenseitige Erfahrungsaustausch<br />
sind mir ein sehr großes Anliegen und bereiten mir viel Freude. Derzeit<br />
besuche ich den Akademielehrgang Begabungs- und Begabtenförderung<br />
am PI Salzburg.<br />
barbara.egger@begabtenzentrum.at<br />
Silvia Friedl: Ich habe die Fächer Russisch<br />
und Französisch studiert und arbeite seit<br />
September 2005 am özbf. Unter anderem<br />
bin ich für das Programm "Schüler/innen an<br />
die Unis" und die Organisation des "Teacher-<br />
Trainingscamps" im Sommer 2006 zuständig.<br />
Außerdem bin ich in dem für mich sehr<br />
spannenden Bereich Didaktik der Begabtenförderung<br />
tätig. Die Arbeit am özbf stellt für mich eine neue Herausforderung<br />
dar. Derzeit besuche ich den Lehrgang MSc Gifted Education<br />
an der Donau-Universität Krems und den Akademielehrgang "Begabungs-<br />
und Begabtenförderung" am PI Salzburg.<br />
silvia.friedl@begabtenzentrum.at<br />
Linda Huber: Ich habe Anglistik, Amerikanistik,<br />
Philosophie, Psychologie und Pädagogik<br />
an der Paris-Lodron-Universität in Salzburg<br />
studiert und arbeite seit September<br />
2005 am özbf. Hier bin ich im pädagogischen<br />
Bereich tätig. Meine Aufgabengebiete umfassen<br />
hauptsächlich die Betreuung des<br />
Oststaatenforums und der Homepage. Es<br />
freut mich, dabei meine Erfahrungen mit Fremdsprachen und unterschiedlichen<br />
Kulturen bei unseren internationalen Kontakten einfließen lassen<br />
zu können. Weiters arbeite ich am Forschungsprojekt "Big-Fish-Little-<br />
Pond-Effekt" an der Sir-Karl-Popper-Schule und am Wiedner Gymnasium<br />
(in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität, München) sowie<br />
an der Best Practice Datenbank mit. So wie meine Kollegin Silvia<br />
Friedl nehme ich derzeit am Lehrgang MSc Gifted Education an der Donau<br />
Universität Krems und am Akademielehrgang "Begabungs- und Begabtenförderung"<br />
am PI Salzburg teil. linda.huber@begabtenzentrum.at<br />
newsletter12 . 01.2006 . 12
02 Das özbf vor neuen Herausforderungen<br />
Kurt Vösenhuber: Nach dem Lehramtsstudium<br />
an der Universität Salzburg (Deutsch<br />
und Geschichte) unterrichtete ich mit Begeisterung<br />
und Engagement zehn Jahre lang am<br />
BG/SportRG (HIB) Saalfelden. Dort war ich<br />
auch Bibliothekar und in dem der Schule angeschlossenen<br />
Vollinternat Erzieher. Am<br />
özbf umfasst mein Aufgabenbereich insbesondere<br />
die Schulentwicklung im Hinblick auf die Begabungs- und<br />
Begabtenförderung und den Aufbau einer multimedialen Bibliothek.<br />
Derzeit besuche ich den Akademielehrgang Begabungs- und Begabtenförderung<br />
am PI Salzburg. kurt.voesenhuber@begabtenzentrum.at<br />
Wolfgang Klebel: Nach dem Studium der<br />
Mathematik, Philosophie, Psychologie und<br />
Pädagogik in Salzburg arbeitete ich als Programmierer<br />
für ein österreichisches Versicherungsunternehmen.<br />
Da mein Interesse<br />
immer dem Unterrichten galt, ergriff ich<br />
nach diesem Ausflug in die Privatwirtschaft<br />
den Lehrberuf. Bis 2005 war ich als Erzieher<br />
und Lehrer im Werkschulheim Felbertal tätig.<br />
Seit einigen Jahren beschäftige ich mich intensiv mit der Webprogrammierung<br />
in PHP. Es freut mich sehr, dass ich diese Kenntnisse nun<br />
im özbf mit in das neue Team einbringen kann. w.klebel@gmx.at<br />
Bettina Plakolm: Nach der Karenzzeit zu<br />
meinem zweiten Kind habe ich mit November<br />
als Teilzeitsekretärin begonnen. Neben<br />
allgemeinen administrativen Tätigkeiten<br />
umfasst mein primärer Aufgabenbereich<br />
die organisatorische Unterstützung des 5.<br />
Internationalen Salzburger Kongresses 2006<br />
zum Thema hoch begabte Underachiever.<br />
Ich bin sehr glücklich im Bereich Bildung tätig zu sein, viel mit Menschen<br />
zu tun zu haben und sehe der neuen Herausforderung äußerst positiv<br />
entgegen.<br />
bettina.plakolm@begabtenzentrum.at<br />
Alice Hofer-Sieghart: Nach dem Studium<br />
der Germanistik und Romanistik (Französisch)<br />
an der Leopold-Franzens-Universität<br />
in Innsbruck und einem Auslandsjahr am<br />
Lycée Ambroise Paré in Laval (Frankreich)<br />
unterrichtete ich zuerst an der B-HAK Linz-<br />
Auhof. Es folgte eine kurze Karenzpause,<br />
dann die Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit<br />
in der Erwachsenenbildung: zuerst am Wifi Salzburg, seit 1992 am<br />
Abendgymnasium in Salzburg. Vor einem Jahr habe ich zusätzlich am<br />
özbf die vakante Stelle in der Redaktion des newsletters übernommen.<br />
In Zusammenarbeit mit Mag. Gerhard Pusch bin ich für die inhaltliche<br />
Gestaltung des newsletters verantwortlich.<br />
newsletter@begabtenzentrum.at<br />
Ulrike Kempter: Ich bin: auch nach 30<br />
Dienstjahren noch immer begeistert von<br />
der Aufgabe des Unterrichtens (Deutsch,<br />
Englisch) und des Zusammenseins mit jungen<br />
Menschen am Oberstufenrealgymnasium<br />
Bad Leonfelden,<br />
ich habe: am PI Linz die Aufgabe, als ARGE-<br />
Leiterin der ECHA-Lehrer/innen der AHS für<br />
Fortbildung in diesem Bereich zu sorgen, dazu die ECHA-Lehrgänge und die<br />
Sommerakademie für Begabte der Oberstufe zu leiten,<br />
ich bin am özbf zuständig für den Aufbau eines Lehrmittel- und Fachbuch-<br />
und Referentenpools, die Organisation eines internationalen<br />
Teacher-Trainingscamps, die Mitbetreuung des Akademielehrgangs sowie<br />
die Mitentwicklung einer Didaktik der Begabtenförderung und Seminaren<br />
dazu. Am nächsten Kongress werde ich einen Pfad für Lehrer/<br />
-innen der AHS anbieten.<br />
ulrike.kempter@gmx.at<br />
02 DER NEUE WISSEN-<br />
SCHAFTLICHE BEIRAT<br />
Prof. Willi Stadlmann<br />
Prof. Dr. Willi Stadelmann, geboren 1945<br />
in Bern. Studium der Chemie, Biochemie<br />
und Physik an der Universität Bern. Promotion<br />
zum Dr. phil. nat. (Chemie, Biochemie)<br />
1972. Anschließend Studien in Entwicklungs-<br />
und Pädagogischer Psychologie<br />
sowie in Pädagogik in Bern und Freiburg<br />
(Schweiz). Gymnasiallehrerdiplom. Tätigkeit als Gymnasiallehrer und<br />
1980 - 1987 als Gymnasialrektor. 1988 - 1997 Amtsvorsteher (Chef<br />
Bildungsfragen) an der Erziehungsdirektion des Kantons Bern. 1998 -<br />
2002 Leiter der Bildungsplanung Zentralschweiz (pädagogische<br />
Stabsstelle der Bildungsdirektorenkonferenz Zentralschweiz). Seit 1. 4.<br />
2002 Direktor der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz (PHZ).<br />
Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Lehrerinnen- und Lehrerbildung<br />
(SGL). Mitglied der Schweizerischen Maturitätskommission.<br />
Dr. Stadelmann arbeitet seit über 30 Jahren auf dem Gebiet der Neuropsychologie<br />
mit dem Ziel, Ergebnisse der Hirnforschung für Unterricht und<br />
Schule nutzbar zu machen. Publikationen zu den Themen Lernen,<br />
Intelligenz, Frühförderung und Lebenslanges Lernen, Begabungsförderung,<br />
Qualitätsentwicklung, Schulentwicklung. willi.stadelmann@phz.ch<br />
13
03 KONGRESS 2006<br />
VERSTECKT - VERKANNT - VERBORGEN<br />
Erkennen und Fördern hoch begabter Underachiever<br />
5. Internationaler Salzburger Kongress zu Fragen der Hochbegabtenförderung<br />
Zeit: 9. November 2006 (ab 18h00) - 11. November 2006 (bis 12h30) in Salzburg<br />
Programm: Neben Hauptvorträgen internationaler Expertinnen und Experten wird ein Großteil des Programms<br />
in speziellen Workshops bzw. Vortragsreihen in thematischen Kleingruppen angeboten.<br />
Information und Voranmeldung: kongress2006@begabtenzentrum.at<br />
www.begabtenzentrum.at<br />
Das özbf lädt vom 9. bis 11. November 2006 zum 5. Internationalen Kongress zur Begabtenförderung nach Salzburg ein. Im Fokus dieses Kongresses steht<br />
die Situation hoch begabter Kinder und Jugendlicher mit Lern- und Verhaltensschwierigkeiten bzw. sozialen und emotionalen Beeinträchtigungen im<br />
Spannungsfeld zwischen Schule, Eltern und Gesellschaft. Eine wachsende Anzahl fachspezifischer Tagungen zeigt die zunehmende Bedeutung dieser sehr<br />
speziellen Aspekte der Hochbegabtenförderung.<br />
In den letzten Jahren wurde es zunehmend gesellschaftspolitisch konsensfähig, dass hoch begabte Kinder und Jugendliche aufgrund ihrer hohen intellektuellen<br />
Leistungsfähigkeit besonderes Verständnis und auch besondere Hilfe benötigen.<br />
Etwas anders liegt der Fall bei hoch begabten Underachievern (im weitesten Sinn). Trotz wachsender Bewusstwerdung der Problematik sind noch wenige zielgerichtete<br />
Aktivitäten und Impulse gesetzt worden.<br />
Kindern und Jugendlichen mit "double exceptionality" eine angemessene Betreuung zugute kommen zu lassen bedeutet:<br />
> die Existenz dieser Probleme zu erkennen<br />
> die eigene Erziehungs- und Betreuungsarbeit auch auf diesen Umstand hin auszurichten<br />
> die existierenden Einrichtungen und betroffenen Fachkräfte organisatorisch, inhaltlich und methodisch auf diese zusätzliche Aufgabe vorzubereiten<br />
Die Beschäftigung mit "double exceptionality" wird zwangsläufig einige wichtige Fragestellungen mit sich bringen:<br />
> Wie begegnet man diesen Phänomenen angemessen im Vorschulalter (Kindergarten)?<br />
> Erfolgt die Einschulung in unserem Bildungswesen flexibel genug?<br />
> Inwieweit helfen im Grundschulalter leistungsdifferenzierende Maßnahmen? Stellt "Überspringen" eine Lösung dar?<br />
> In welchem Zusammenhang steht ADHS? Welche Schnittstellen zur Hochbegabtenförderung existieren?<br />
> Inwieweit lassen sich Legasthenie und Dyskalkulie in ihren Auswirkungen mindern?<br />
> Welche Beratungs- und Hilfsorganisationen stehen zur Verfügung?<br />
> Welche Instrumente sind für eine Diagnose und richtige Beratung geeignet?<br />
> Sind in unseren Schulen ausreichend Personen vorhanden, die sich der Thematik der Underachiever speziell annehmen?<br />
> Welche Art von Förderdiagnostik greift bei "Underachievern"?<br />
Der Kongress richtet sich in seinen Inhalten im Besonderen an folgende Personengruppen:<br />
> Schulpsychologinnen und -psychologen<br />
> Fachärztinnen/-ärzte und Schulärztinnen/-ärzte<br />
> Kindergärtner/innen<br />
> Lehrer/innen aller Schularten<br />
> Bildungsexpertinnen und -experten und Wissenschaftler/innen im<br />
Bereich der Universität, der Pädagogischen Institute und Akademien,<br />
der Schulaufsicht und der Beratungszentren<br />
> Interessierte und betroffene Eltern<br />
Mag. Gerhard PUSCH<br />
g.pusch@abendgymnasium.salzburg.at
04 "World Council on Gifted and Talented Children"<br />
04 DER WELTVEREIN "WORLD COUNCIL<br />
ON GIFTED AND TALENTED CHILDREN"<br />
Interview mit dem Past President Klaus K. Urban<br />
PUSCH: Sehr geehrter Past President! Lieber Klaus!<br />
Wir kennen einander seit der Weltkonferenz 1987 in Salt Lake City. Du<br />
warst damals Vizepräsident des Weltvereines (World Council for Gifted and<br />
Talented Children - www.WorldGifted.ca) und hast schon vorher seit 1979<br />
und seither seine Entwicklung begleitet. 2001-2005 warst du Präsident und<br />
hast bei der Weltkonferenz im August in New Orleans (siehe auch im<br />
newsletter des özbf, Nr. 11, S. 25-27) eine vitale Organisation an deinen<br />
Nachfolger aus Taiwan übergeben. Wofür steht diese Organisation, wie<br />
viele Mitglieder hat sie und welche Länder sind vertreten?<br />
URBAN: Der World Council ist im Grunde ein weltweites Netzwerk von<br />
Personen, die sich als Wissenschaftler/innen und Forscher/innen, als<br />
Psychologinnen und Psychologen, Lehrer/innen, Erzieher/innen oder<br />
Berater/innen, als Bildungsadministratorinnen und -administratoren oder<br />
auch als Eltern für die Belange hoch begabter Kinder und Jugendlicher<br />
interessieren und einsetzen. Der World Council hat in der Regel zwischen<br />
450 und 850 Mitglieder (je nach zeitlicher Nähe zu einer<br />
Weltkonferenz), die aus etwa 40 bis 50 Ländern stammen.<br />
PUSCH: Welche wichtigen internationalen Aktivitäten wurden durch<br />
den Weltverein gesetzt? Was sollten alle national Verantwortlichen für<br />
die Zukunft beachten?<br />
URBAN: Neben den regelmäßigen Publikationen, dem dreimal im<br />
Jahr erscheinenden Newsletter und dem halbjährlich erscheinenden<br />
wissenschaftlichen Journal, sind die seit 1975 alle zwei Jahre stattfindenden<br />
Weltkonferenzen die Hauptaktivitäten des World Council. Hier<br />
ist wirklich ein fruchtbringender weltweiter Austausch von Erfahrungen<br />
und Erkenntnissen möglich, der auch über die kurze Dauer der<br />
Konferenzen hinausgeht und internationale Kontakte knüpft und festigt.<br />
Meist werden die wichtigsten Konferenzvorträge in Proceedings festgehalten.<br />
Als Gesamtorganisation hat der World Council direkt in einzelnen<br />
Ländern wohl wenig Einflussmöglichkeiten, aber er versucht seine<br />
Mitglieder, insbesondere die gewählten "Delegates", anzuregen und<br />
aufzufordern, sozusagen mit dem World Council im Rücken, in ihren jeweiligen<br />
Heimatländern aktiv zu werden. Die Verantwortlichen in den<br />
Ländern sollten noch stärker auf den internationalen Erfahrungen aufbauen<br />
und nicht in jedem Land "das Rad neu erfinden" wollen; das gilt<br />
verstärkt für die Teilländer in föderal regierten Staaten.<br />
URBAN: Aus Taiwan kommen schon seit vielen Jahren immer große<br />
Teilnehmer/innengruppen zu den Weltkonferenzen. Mit koreanischen<br />
Lehrerinnen und Lehrern hat der World Council jetzt schon zum zweiten<br />
Mal ein Lehrer/innentraining durchgeführt; dort ist auch das öffentliche<br />
und elterliche Interesse an Begabungsförderung sehr groß. Das<br />
Gleiche gilt für Singapur, das sich auch um die Ausrichtung der<br />
Weltkonferenz 2009 bewirbt. In Thailand ist unter der Schirmherrschaft<br />
des Ministerpräsidenten ein nationales Center entstanden. China hat<br />
schon eine längere Tradition mit Spezialschulen und ist auch regelmäßig<br />
auf Weltkonferenzen vertreten. Wie alle anderen Nationen kann<br />
aber gerade auch China sich nicht leisten, auf die Fähigkeiten seiner begabtesten<br />
jungen Menschen zu verzichten.<br />
PUSCH: Nach wie vor gibt es keine eigene Position zur Hochbegabtenförderung<br />
in Japan oder irre ich mich?<br />
URBAN: In Japan gab es in den 70er Jahren eine starke Bewegung, die<br />
Begabtenförderung auf der Grundlage des Intelligenz-Strukturmodells<br />
von J. P. Guilford organisierte. Heutzutage ist von Japan in dieser<br />
Hinsicht wenig bekannt, typischerweise lassen auch die Beteiligung an<br />
Weltkonferenzen und die Mitgliedschaften im World Council sehr zu<br />
wünschen übrig.<br />
PUSCH: Welche Rolle für die Zukunft nimmt das Teachers Training<br />
Program des WCGTC ein?<br />
URBAN: Nach zweimaliger erfolgreicher Durchführung eines Teachers<br />
Training Program für koreanische Lehrer/innen in Kalifornien wird ein<br />
solches Training in dieser oder modifizierter Form sicher ausgebaut werden.<br />
Für ein Programm in den arabischen Golfstaaten, das dann allerdings<br />
vor Ort stattfinden soll, liegen schon weitreichende Pläne vor. Zur<br />
Zeit wird eine modulare, curriculare Modellstruktur entwickelt, die<br />
Grundlage und Qualitätsstandards für weitere Programme festlegen soll.<br />
PUSCH: Der Wechsel des Vorsitzes in den asiatischen Raum ist sicherlich<br />
kein Zufall. Den-Mo Tsai kommt aus Taiwan, Bangkok würde gerne<br />
eine Weltkonferenz veranstalten, auch in Südkorea gibt es eine Reihe<br />
von Aktivitäten. Welche Entwicklung findet im asiatischen Raum statt<br />
und welche Rolle darf man China in der Zukunft beimessen?<br />
Neuer Präsident Den-Mo Tsai<br />
überreicht Past President Klaus K. Urban den Distinguished Service Award<br />
15
PUSCH: Welche Aktivitäten vermisst du in Deutschland? Wo würdest<br />
du stärkere Akzente setzen? Findest du die zunehmende Anzahl an Spezialschulen<br />
positiv?<br />
URBAN: In den letzten zehn Jahren sind in den verschiedenen<br />
Bundesländern eine Vielzahl unterschiedlicher kleinerer und größerer<br />
Maßnahmen entwickelt worden, die kaum noch überschaubar sind.<br />
Während vor allem in der Lehrer/innenweiterbildung schon eine Reihe<br />
von Aktivitäten zu beobachten ist, bleibt in der Lehrer/innenausbildung<br />
nach wie vor zu bemängeln, dass Begabtenfindung und Begabungsförderung<br />
keinen obligatorischen Bestandteil des Ausbildungscurriculums<br />
darstellen. Auch die Einführung von Bachelor-Master-Studiengängen<br />
wird daran vermutlich nicht viel ändern, eher im Gegenteil,<br />
obwohl hier eine Chance wäre.<br />
Die unbefriedigende personelle und materielle Ausstattung erlaubt es<br />
vielen Schulen nicht, differenzierende Kurse und Aktivitäten anzubieten.<br />
Das mag auch dazu beitragen, dass leider bei einer ganzen Reihe<br />
von Schulen, die sich eigentlich explizit Begabungsförderung auf die<br />
Fahne geschrieben haben, Engagement und konkrete Maßnahmen nur<br />
Etiketten im Namen bleiben.<br />
Ein weiterer Ausbau von Spezialschulen ist für mich nur akzeptabel,<br />
wenn dadurch keine Barrieren für finanziell schwächer gestellte Kinder<br />
bzw. ihre Familien entstehen. Grundsätzlich gilt es aber, in allen<br />
Regelschulen die Strukturen und die Kompetenzen der Lehrkräfte so zu<br />
verbessern, dass ein qualitativ hochwertiger, begabungsfreundlicher und<br />
-fördernder Unterricht für alle Kinder angeboten werden kann.<br />
PUSCH: Klaus K. Urban als Wissenschaftler und Lehrer steht für mich<br />
für eine eingehende Beschäftigung mit "Kreativität" und "Frühförderung".<br />
Welche Schwerpunkte existieren in deiner derzeitigen Arbeit?<br />
URBAN: Das verfolgt mich immer noch: Zum einen die Weiterarbeit an<br />
und mit dem "Test zum Schöpferischen Denken - Zeichnerisch (TSD-Z)",<br />
die Entwicklung bzw. Ausarbeitung und Erprobung eines entsprechenden<br />
literal/verbalen Tests sowie eines Verfahrens, das auch kreatives<br />
Bewegungshandeln mit einschließt; zum anderen die Aufarbeitung der<br />
Follow-up-Untersuchungen der ehemaligen Kinder aus dem Vorschulprojekt<br />
von 1985-87 als zweiter Schwerpunkt.<br />
PUSCH: Verbesserte Ansätze zur Identifikation hoch Begabter waren<br />
immer ein zentraler Punkt deiner Arbeit. Was gibt es dazu zu sagen?<br />
URBAN: Zum einen muss die Erkennung hoch begabter Schüler/innen<br />
in der Schule verbessert werden; Lehrer/innen müssen sensibler für<br />
"Begabungssignale" werden. Sie müssen ihre Einstellungen und Kompetenzen<br />
dahingehend verändern, dass sie zunächst überhaupt erwarten,<br />
hoch begabte Kinder in ihren Klassen vorzufinden, dass sie dann<br />
Begabungssignale bemerken und als solche erkennen und dass sie<br />
schließlich besondere Begabungen anerkennen und wertschätzen.<br />
Zum anderen müssen die Maßnahmen und Instrumente für psychometrische<br />
Identifikation verbessert werden; wir erwarten diesbezüglich ja<br />
einige neue Verfahren in Deutschland, hoffentlich in Kürze. Allerdings<br />
hapert es gelegentlich an den Kompetenzen der Diagnostiker/innen; ich<br />
beobachte zunehmend, dass sich in diesem Feld "Diagnostiker/innen"<br />
betätigen, die nicht das nötige Hintergrundwissen und die Erfahrung im<br />
Umgang mit hoch Begabten haben.<br />
PUSCH: Aus Deutschland werden immer wieder die zwei bedeutenden<br />
Längsschnittsstudien von Perleth und Heller (München, 1994) bzw. von<br />
Rost (Marburg, 1993) für Aussagen herangezogen. Wie schätzt du die<br />
Bedeutung dieser beiden Studien ein?<br />
URBAN: Beide Studien gehören auch im internationalen Rahmen zu den<br />
wichtigsten Untersuchungen, die zur Zeit vorliegen.<br />
PUSCH: Der nächste Kongress des özbf in Salzburg trägt den Arbeitstitel<br />
"Hoch begabte Underachiever". Was würdest du uns für die<br />
Planung dieser Tagung ans Herz legen?<br />
URBAN: Bezüglich der Underachiever würde ich neben Psychologinnen/Psychologen<br />
als Fachleuten für Persönlichkeitsbildung und<br />
meist notwendige Selbstkonzeptstärkung versuchen, vor allem Didaktiker/innen<br />
anzusprechen, denn über das Interesse an der Sache können<br />
Underachiever wieder motiviert werden.<br />
PUSCH: Dr. Barbara Clark (California State University) sprach bei der<br />
Weltkonferenz in New Orleans von einem theoretischen Wandel im<br />
Intelligenzkonzept durch die neuesten Ergebnisse der neurobiologischen<br />
Forschung. Ihrer Ansicht nach führen diese zu einem Wechsel vom behavioristischen<br />
zu einem auf die Hirntätigkeit ausgerichteten Ansatz,<br />
denn sie vertritt die Ansicht: "Children are not born gifted, children are<br />
born with the potential of giftedness." Es gilt daher mehr Aufmerksamkeit<br />
den Prozessen im Gehirn während des Lernens zu widmen<br />
(newsletter des özbf, Nr.11/2005, S. 26).<br />
URBAN: Ich schätze Barbara Clark persönlich sehr und darf mich auch<br />
einen Freund nennen. Dennoch glaube ich zum einen, dass ein rein behavioristischer<br />
Ansatz nirgendwo mehr vertreten wird, und zum Zweiten<br />
habe ich den Eindruck, dass die Neuheit und der Erkenntniswert leicht<br />
überschätzt werden. Die neuen Erkenntnisse können vielleicht genauer<br />
sagen, was (und wie) im Hirn (etwas) beim Lernen passiert, wir können<br />
daraus aber noch keine Erklärungen ableiten, wie Lernen zu optimieren<br />
ist.<br />
PUSCH: Wie kann man Mitglied des Weltvereines werden? Welche<br />
Vorteile hat diese Mitgliedschaft?<br />
URBAN: In Kürze wird man sich direkt über das Web anmelden können.<br />
Der einfache Mitgliedsbeitrag beläuft sich auf $ 50 für ein und auf $ 95<br />
für zwei Jahre. Ansonsten schickt man ein Anmeldeformular aus einem<br />
Newsletter oder Prospekt ein oder schreibt einfach eine E-Mail an das<br />
neue Headquarter in Kanada: worldgt@uwinnipeg.ca. Als Mitglied erhält<br />
man die genannten Publikationen sowie eine Ermäßigung bei der<br />
Konferenzgebühr.<br />
newsletter12 . 01.2006 . 16
05 Begabungsförderung<br />
PUSCH: Die nächste Weltkonferenz ist für den August<br />
2007 in England geplant. Für 2009 liegen Angebote von<br />
Singapur und Thailand vor. Wo werden da die inhaltlichen<br />
Schwerpunkte liegen?<br />
05 FÖRDERUNG IST NICHT<br />
GLEICH FÖRDERUNG<br />
Nicht Strukturen, sondern<br />
Haltungen machen den Unterschied<br />
URBAN: Die genauen Daten für England 2007 sind:<br />
5.-10. August in Warwick, mehr dazu über<br />
www.worldgifted2007.com. Für 2009 liegen zusätzlich<br />
noch "bids" von Südkorea und Kanada vor. Wo die Schwerpunkte liegen<br />
werden, kann man jetzt noch nicht sagen. Neben einer speziellen<br />
inhaltlichen Ausrichtung wird aber breit gefächert für jeden Interessierten<br />
sicher etwas dabei sein.<br />
PUSCH: Welche persönliche Botschaft würdest du an die ca. 5.000<br />
Leser/innen unseres newsletters richten?<br />
URBAN: Erstens: Die Befassung mit Hochbegabung ist kein exotisches<br />
Unterfangen, Sie befinden sich in guter internationaler Gesellschaft.<br />
Bereichern Sie diese durch Ihre Mitgliedschaft und Mitarbeit.<br />
Zweitens: Helfen Sie mit, dass es als normal angesehen wird, dass es<br />
hoch Begabte gibt; hoch Begabte sind normale Menschen, nur eben<br />
hoch begabt.<br />
PUSCH: Vielen Dank für das Interview.<br />
Das Interview mit Prof. Dr. Klaus K. URBAN führte Mag. Gerhard PUSCH<br />
KlausUrban@aol.com<br />
www.erz.uni-hannover.de/~urban<br />
Prof. Dr. Klaus K. Urban,<br />
Universität Hannover, Philosophische Fakultät, Institut für Sonderpädagogik,<br />
erhielt anlässlich der 16th World Conference des World<br />
Council for Gifted and Talented Children (www.WorldGifted.org) in New<br />
Orleans, USA, als scheidender Präsident den "Distinguished Service<br />
Award" und wurde zum "Distinguished Advisor" für das Executive<br />
Committee ernannt. Außerdem wurde er mit dem erstmals vergebenen<br />
Award des "Giftedness & Creativity Forum" augezeichnet (zusammen<br />
mit Prof. Dr. Renzulli, University of Conneticut, USA), und<br />
zwar "In appreciation and recognition of your leadership and outstanding<br />
contributions to the advancement of knowledge in the field of<br />
gifted education and to the development of the Wold Council for<br />
Gifted and Talented Children". Im Rahmen dieser Konferenz organisierte<br />
und leitete er ein internationales Panel zum Thema<br />
"Creativity in Today`s World: Current Research and Applications" und<br />
führte einen Workshop zum Thema "Creativity: Assessing, Challenging,<br />
Nurturing" durch.<br />
Recht auf Förderung<br />
Der Fördererlass des Ministeriums, nach dem alle Schulen ein Förderkonzept<br />
erstellen müssen, hat ein Signal in die richtige Richtung gesetzt.<br />
Es sieht so aus, als ob man endlich begriffen hätte, dass die Bevölkerung<br />
nicht in "Normalbürger", "Minderbemittelte" und "hoch Begabte" einteilbar<br />
ist, sondern dass jeder Mensch ein einzigartiges, mit einer oder<br />
mehreren partiellen (u.U. besonderen) Begabung(en) ausgestattetes<br />
Individuum ist. Der entscheidende Denk(fort)schritt besteht darin, dass<br />
die Förderung dieser partiellen Begabung(en) durch die Schule damit zu<br />
einer Art Grundrecht aufgewertet ist, auf das jeder Einzelne pochen<br />
kann. Der Begriff der Förderung erhält dadurch eine neue Dimension.<br />
Neue Bedarfsdefinition<br />
Hat man bisher beim Gedanken an Förderung, ausgehend vom gebannten<br />
Blick auf die Defizite (gewissermaßen auf die Löcher im Emmentaler),<br />
immer nur das Nachhelfen, die Krücke bei beschwerlichem<br />
Vorankommen im Auge gehabt, so beginnt sich nunmehr der ideologische<br />
Nebel zu lichten und die Aussicht auf eine neue Sichtweise frei<br />
zu geben: Aus dem oben Ausgeführten ergibt sich als logische Konsequenz,<br />
dass nicht begabungsadäquates Fortschreiten in einem beliebigen<br />
Teilbereich als zwingender Anlass verstanden werden muss, mit<br />
positiven Fördermaßnahmen dem von der Natur vorgegebenen Plansoll<br />
gerecht zu werden.<br />
Müssen - dürfen - die langjährig bewährten "Förderkurse" wirklich per<br />
definitionem ausschließlich der Krückenfunktion vorbehalten bleiben?<br />
Oder müssen sie nicht auch in gleicher Weise und mit der gleichen moralischen<br />
Notwendigkeit als Motoren dort eingesetzt werden, wo (um<br />
im Bild zu bleiben) ein an sich athletisch gebauter Körper durch permanentes<br />
Nichterbringen der Leistung, zu der er von der Natur geschaffen<br />
ist, zu verkrüppeln (und damit nicht nur sich selbst, sondern auch<br />
der Gesellschaft zur Last zu werden) droht? Ob der Grund für das<br />
Versagen in der eigenen Trägheit oder in einem Mangel an äußeren<br />
Anreizen gelegen ist, ist dabei völlig unerheblich. Handlungsbedarf ist<br />
in jedem Fall gegeben.<br />
Missbräuchliche Verwendung<br />
des Begriffes "Begabungsförderung"<br />
Dass "Begabungsförderung" in den letzten Jahren weltweit zum publicityträchtigen<br />
Schlagwort mutiert ist und infolgedessen heutzutage jede<br />
Schule, die etwas auf sich hält, selbige in ihrem Profil ausweist, ändert<br />
allerdings nur wenig am Grundproblem. Darf man allen Ernstes erwarten,<br />
dass das Angebot eines weiteren EDV- oder Rhetorik- oder Wasauch-immer-Kurses<br />
unter dem populär klingenden Etikett des "Enrichment"<br />
irgend etwas an der Not des - ebenfalls zur Modeerscheinung<br />
gewordenen - "Underachievers" ändert?<br />
17
Angebote müssen zum einen erst einmal angenommen werden. Dazu<br />
kommt, dass Angebote der oben beschriebenen Art nicht aus individuellen<br />
Lernsituationen heraus entstehen, sondern darauf ausgelegt<br />
sind, unterschiedliche Lerner/innentypen gleichzeitig auf dieselbe<br />
Weise mit denselben Inhalten zu "fördern". Den individuellen Bedürfnissen<br />
und partiellen besonderen Begabungen der/des Einzelnen kann<br />
dabei verständlicherweise nur in äußerst beschränktem Ausmaß<br />
Rechnung getragen werden.<br />
Nicht dass derartige Angebote nicht an sich begrüßenswert wären; aber<br />
indem sie die Lernenden dazu animieren, sich wie in einem Kaufhaus<br />
als Kundinnen/Kunden gleichsam umwerben zu lassen, fördern sie eher<br />
eine passive Konsummentalität. Hier von (Begabungs-)"Förderung" zu<br />
sprechen, ist ein glatter Etikettenschwindel.<br />
"Lebensgestaltendes Lernen"<br />
Richtig verstandene Begabungsförderung will aktive Selbststeuerung<br />
des Lernprozesses und Eigenverantwortung bei den Lernenden generieren<br />
und sie auf diese Weise befähigen, das eigene Leben bewusst zu<br />
gestalten. "Lebensgestaltendes Lernen" sollte jeder Schule als ultimatives<br />
Ziel vor Augen stehen. Ein so ehrgeiziger Anspruch kann aber nicht<br />
einfach durch zusätzliche Angebote oder strukturelle Veränderungen im<br />
Kleinen verwirklicht werden: Hier ist ein grundsätzliches Umdenken des<br />
gesamten Systems gefragt.<br />
Neuer Denkansatz<br />
Das Ministerium scheint in der Tat mit diesem Umdenkprozess begonnen<br />
zu haben. Im nächsten Schritt wird es wichtig sein, dass die Landesschulräte<br />
ihren Teil der Verantwortung darin erkennen, den einzelnen<br />
Schulen bei der Durchführung dieses innovativen, für viele revolutionären<br />
pädagogischen Ansatzes ausreichende Rückendeckung zu gewähren<br />
und sie zu ermutigen, unorthodoxe Experimente selbst auf das Risiko<br />
des Scheiterns hin zu wagen. Sinnvolle Fördermaßnahmen werden nämlich<br />
naturgemäß von Standort zu Standort, von Klasse zu Klasse, unter<br />
Umständen von Schüler/in zu Schüler/in verschieden sein (müssen), weil<br />
es keine zwei vergleichbaren Schul-, Klassen-, Schüler/innensituationen<br />
gibt. Und Individualisierung als oberstes Prinzip jeglicher (nicht nur der<br />
Hochbegabten-) Förderung darf nicht zum Schlagwort verkommen. (Die<br />
auf vielen Tagungen und internationalen Kongressen immer spürbarer<br />
werdende Tendenz, auf theoretischen Überlegungen und zahlenmäßigen<br />
Erhebungen basierende allgemein gültige "Rezepte" anzubieten - ich<br />
möchte dafür den Begriff der "Statistifizierung" der Begabungsförderung<br />
prägen - stellt eine Besorgnis erregende Entwicklung dar.)<br />
Eine Schule ist nicht umso "begabungsfördernder", über je mehr<br />
Lehrer/innen mit ECHA-Ausbildung sie verfügt und auf je mehr so genannte<br />
"Enrichment"-Angebote sie verweisen kann. ("So genannt" deshalb,<br />
weil dieser Modebegriff nur allzu oft im Sinne einer quantitativen<br />
Anreicherung des Angebots anstelle einer qualitativen Bereicherung<br />
der initiierten Lernprozesse missdeutet wird.) Worauf es ankommt, ist<br />
vielmehr der prozentuelle Anteil der Lehrer/innen, die zu einem neuen<br />
Rollenverständnis gefunden haben: Die in der Person des Lehrenden<br />
nicht mehr den "Magister" ("Besserwisser", der "mehr weiß"), sondern<br />
die Lernmanagerin/den Lernmanager erblicken; oder, wie es das<br />
Englische so treffend beschreibt, den "Facilitator", der unterschiedlichen<br />
Lernertypen den jeweils bestmöglichen Lernprozess ermöglicht und erleichtert.<br />
Neuer Lehrer/innentyp<br />
Kennzeichen dieses Typus der "begabenden" Lehrerin/ des "begabenden"<br />
Lehrers (wie ich ihn geradezu als Gattungsbegriff einführen<br />
möchte) ist nicht in erster Linie Fachkompetenz und nicht einmal vordergründig<br />
methodische Brillanz. Jede/r Lehrende, die/der in der Lage<br />
und willens ist, die Einmaligkeit jedes ihrer/seiner Schützlinge als eines<br />
einzigartigen Individuums zu respektieren und dessen uneingeschränktes<br />
Recht auf Experimentieren, auf das Stellen bisher noch nicht<br />
gestellter Fragen, auf "learning by doing" nach der "trial & error" Methode<br />
anzuerkennen, hat die Chance, dieses höchste Gütesiegel, das der<br />
Lehrberuf zu vergeben hat, zu erwerben.<br />
Pädagogische Haltung<br />
Richtig verstandene Begabungsförderung ist somit nicht eine Frage von<br />
(systemischen) Strukturen oder erlernbarem Wissen auf Seiten der<br />
Lehrenden, sondern manifestiert sich in einer ganz bestimmten pädagogischen<br />
Haltung seitens der handelnden Personen. Diese Haltungsänderung<br />
stellt einen Paradigmenwechsel dar: vom Fokus auf das Lehren<br />
(mit Dominanz der Methodik, deren Qualität am sichtbaren Produkt gemessen<br />
wird) zum Fokus auf das Lernen (mit dem zentralen Ziel der<br />
Lerner/innenentwicklung, die aus einem maßgeschneiderten Lernprozess<br />
resultiert und erst mittelfristig erkenn- und messbar wird).<br />
Entwicklung geschieht dort, wo kalkulierte Wagnisse eingegangen werden.<br />
Der Mut zum Experimentieren (trial) bringt unvermeidlich auch Fehler<br />
mit sich (error). Im Sinne der Falsifikationstheorie von Karl Popper<br />
bedeutet aber jeder Fehler, sofern auf die Phase des Experimentierens<br />
eine Phase der Reflexion folgt, eine Annäherung an die Wahrheit.<br />
Dieser Grundsatz, in Fehlern prinzipiell potentielle Lernanlässe zu erblicken,<br />
hat für die zu fördernde Schülerin/den zu fördernden Schüler<br />
in gleicher Weise zu gelten wie für die "begabende" Lehrerin/den "begabenden"<br />
Lehrer oder für die Schule insgesamt in ihrer Eigenschaft als<br />
lernende Institution. Wer Fehler krampfhaft zu vermeiden trachtet, begibt<br />
sich der Chance, Fortschritte zu machen.<br />
Paradigmenwechsel<br />
Der oben angesprochene Paradigmenwechsel muss demnach auf allen<br />
Ebenen stattfinden:<br />
> Die Schulleitung darf die Lehrenden, diese wiederum dürfen den Lernenden<br />
missglückte Experimente nicht als Versagen vorhalten. Beide<br />
Teile brauchen Motivation und Ermutigung, sich auf derartige Experimente<br />
überhaupt einzulassen.<br />
> Auf der Ebene der Lehrenden, die sich ja in einem wirklich begabungsfördernden<br />
System nur als erfahrenere Mitglieder von (Lern-)Teams,<br />
gewissermaßen als Bergführer/innen in gemeinsamen Seilschaften<br />
verstehen, wird diese Ermutigung wohl darin bestehen müssen,<br />
dass ihnen die Bereitschaft, ihre "amtliche" Autorität zugunsten eines<br />
partnerschaftlichen Rollenverständnisses aufzugeben und mit ihrer<br />
Experimentierfreudigkeit auch Fehler in Kauf zu nehmen, als wertvolle<br />
Beiträge zur assymptotischen Annäherung an die Wahrheit<br />
honoriert werden.<br />
newsletter12 . 01.2006 . 18
05 Begabungsförderung<br />
><br />
Auf Schüler/innenebene können gezielte strukturelle Maßnahmen hilfreich<br />
sein.<br />
Als Beispiele seien hier angeführt:<br />
> die Möglichkeit der Akzeleration durch partielles Überspringen (z.B.<br />
durch Anwendung des "Drehtürmodells", wo wiederum die Flexibilität<br />
der Schulleitung gefordert ist);<br />
> eine stärkere Individualisierung im inhaltlichen Bereich, etwa durch<br />
ein Kurssystem (Stichwort "Modulare Oberstufe");<br />
> der teilweise Ersatz "klassischer" Hausübungen (bei denen unterschiedliche<br />
Bedürfnisse von allen Schülerinnen und Schülern zur selben<br />
Zeit in derselben Dosierung mit denselben Übungen abgedeckt<br />
werden sollen) durch "Assignments". (Unter einem Assignment versteht<br />
man ein Bündel differenzierter Aufgaben, die innerhalb einer bestimmten<br />
Zeitspanne zu erledigen sind, mit der Möglichkeit einer beschränkten<br />
Aus- und Abwahl und jedenfalls freier Wahl des Zeitpunkts<br />
der Arbeitserbringung und des Lerntempos).<br />
Das Entscheidende an diesen und ähnlichen in die gleiche Richtung weisenden<br />
strukturellen Maßnahmen ist die aus ihnen sprechende Botschaft<br />
an die Lernenden, dass sie ihren eigenen Lernprozess maßgeblich<br />
selbst steuern können.<br />
Demokratisierung des Lernprozesses<br />
Ob sie allerdings das Gefühl bekommen, dass sie dies auch sollen, dass<br />
darin in Wahrheit das eigentliche Ziel zu erblicken ist ("Enrichment" im<br />
richtig verstandenen Sinn!), hängt nicht von den strukturellen Angeboten,<br />
die das "System" ermöglicht, sondern davon ab, ob diese Demokratisierung<br />
des Lernprozesses (in der ich den Schlüssel zur Begabungsförderung<br />
erblicke, einen Schlüssel, der allen Schulen in gleicher<br />
Weise zur Verfügung steht) von den Lehrenden nicht nur zugelassen,<br />
sondern auch gewollt wird. Unmissverständliche Signale in diese<br />
Richtung sind neben dem schon angesprochenen "Assignment" etwa<br />
> die in der Sir-Karl-Popper-Schule bewährte Routine des "Contracting"<br />
(einvernehmliche Vereinbarung eines Semester-Arbeitsplans, der<br />
Schwerpunktsetzungen, der Arbeitsmittel und -methoden, ja sogar der<br />
Formen der Leistungsbeurteilung sowie Offenlegung der Beurteilungskriterien<br />
durch die Lehrenden),<br />
> vor allem aber (als wichtigstes Instrument der Demokratisierung) ein<br />
institutionalisiertes Feedbacksystem, das den Lernenden das Bewusstsein<br />
vermittelt, ernst genommen zu werden und den äußeren<br />
Lernprozess auch beeinflussen und mitgestalten zu können.<br />
Ob derartige Signale gesetzt werden, hängt vordergründig von der pädagogischen<br />
Haltung des/der Lehrenden ab - einer Haltung uneingeschränkter<br />
Offenheit für innovative Ideen ebenso wie für demokratische<br />
Strukturen. Wenn diese Voraussetzung gegeben ist, kann sich jede<br />
Schule durch einfache Beseitigung redundanter hinderlicher Hierarchien<br />
"kostenneutral" Zugang zur wertvollsten aller Ressourcen verschaffen:<br />
der förderungswürdigen und "förderbaren" motivierten Schülerin/dem<br />
förderungswürdigen und "förderbaren" motivierten Schüler.<br />
Dir. Dr. Günter Schmid (Sir-Karl-Popper-Schule, Wien)<br />
g.schmid@popperschule.at<br />
Akademienverbund Pädagogische Hochschule Linz<br />
Pädagogische Akademie d. Bundes<br />
& Pädagogisches Institut d. Bundes OÖ.<br />
Kaplanhofstr. 40, 4020 Linz<br />
Viertes Symposium zur<br />
"Begabtenförderung konkret"<br />
Mittwoch, 08.03.2006<br />
09:30 - 18:00<br />
Institut für Begabungsförderung<br />
Begabungsförderung in jahrgangsgemischten Lerngruppen<br />
Die Selbstverständlichkeit der Jahrgangsklasse wird im Rahmen<br />
einer reformpädagogischen Orientierung von Schule zunehmend<br />
in Frage gestellt und auch für das Regelschulwesen gibt<br />
es viele pädagogische Gründe, über den Sinn bzw. Unsinn der<br />
rigiden Einteilung der Schüler/innen nach Kalenderjahren nachzudenken.<br />
Die jahrgangsgemischte Lerngruppe nach dem<br />
Konzept der Mehrstufenklasse könnte für alle Schüler/innen,<br />
auch für jene mit besonderen Begabungen, die besseren<br />
Bedingungen bieten, um ihr individuelles Lern- und<br />
Persönlichkeitsprofil adäquat zu entwickeln. Diese Annahme<br />
lässt auch den Blick auf wenig gegliederte Landschulen bzw.<br />
Kleinschulen richten, die diese jahrgangsübergreifende<br />
Organisationsstruktur - früher aus Tradition, heute aus einer<br />
Notwendigkeit heraus - eingerichtet haben.<br />
><br />
><br />
><br />
am Vormittag referieren namhafte internationale Expertinnen<br />
und Experten<br />
am Nachmittag werden erprobte Praxismodelle von der<br />
Grundschule bis zur Sekundarstufe I und aktuelle Forschungsergebnisse<br />
in drei parallel laufenden Pfaden präsentiert:<br />
1. Die Kleinschule - Schüler/innenrückgang als pädagogische<br />
Chance<br />
2. Die Mehrstufenklasse - Opas Pädagogik oder zukunftsorientierter<br />
Reformansatz?<br />
3. Modelle jahrgangsübergreifenden Lernens am Beispiel<br />
der ÜVS und ÜHS der Pädagogischen Akademie des<br />
Bundes in Wien<br />
Jahrgangsgemischtes Lernen - Erfahrungen der Laborschule<br />
Bielefeld<br />
Anmeldungen bei Dieter Irle unter 0732/7470-3104<br />
oder unter dieter.irle@phlinz.at<br />
Bitte den gewünschten Pfad angeben!<br />
Veranstaltungsnummer: AZS 0306<br />
Tagungsgebühr: 15 e (Studierende 5 e)<br />
www.phlinz.at/begabungsfoerderung<br />
19
05 THOMASIANUM - INSTITUT FÜR BEGABTEN-<br />
FÖRDERUNG & BEGABUNGSFORSCHUNG INTEGRATIVE<br />
INITIATIVEN Blickpunkte eines innovativen Instituts<br />
"Es ist wichtig, dass der Mensch viel kann und viel weiß.<br />
Noch wichtiger ist, dass der, der viel kann und viel weiß,<br />
ein Mensch ist."<br />
Erich Fried<br />
Das Institut "TIBI" orientiert seine Arbeit an 3 Blickpunkten, die im<br />
Zusammenwirken von Lehrerinnen/Lehrern, Schülerinnen/Schülern,<br />
Eltern und Wissenschaftler/innen wahrgenommen werden.<br />
1. Begabtenförderung /<br />
2. Begabungsforschung / 3. Integrative Initiativen<br />
1. Begabtenförderung: Ein entscheidender Punkt der Förderung<br />
Begabter ist die Aus- und Weiterbildung von Pädagoginnen und Pädagogen:<br />
Verstehen differenzierter Begabungen, sie wahrnehmen und erkennen<br />
können, Anwenden einer breit gefächerten Methodenvielfalt,<br />
Impulse geben durch entsprechende Motivation sind die wesentlichen<br />
Ziele des internationalen ECHA-Lehrganges (European Council for High<br />
Ability), der für alle Pädagoginnen und Pädagogen - vom Kindergarten<br />
bis zur Pädagogischen Akademie - über das Institut angeboten wird.<br />
Erstmals österreichweit beginnt eine spezielle ECHA-Ausbildung für<br />
Kindergärtner/innen im Februar 2006 in Kooperation mit den Universitäten<br />
Wien und Münster.<br />
Die kontinuierlichen Fortbildungsangebote greifen Spezialthemen auf,<br />
sowohl im Forschungs- als auch im Anwendungsbereich, und sorgen für<br />
einen aktuellen Wissensstand.<br />
Kinder und Jugendliche haben oft schon einen Leidensweg hinter sich,<br />
eine "schulische Karriere". Begabungsdiagnostik, die einen weiteren<br />
Schwerpunkt im TIBI darstellt, ist manchmal der einzige Weg, persönliche<br />
Ressourcen und Kompetenzen sichtbar zu machen, wenn diese hinter<br />
dem Erscheinungsbild von Verhaltensauffälligkeiten versteckt sind.<br />
Immer mehr Eltern haben den Wunsch, ihrem Kind eine ihm adäquate<br />
Ausbildung zu bieten, sind aber oft sowohl in Schullaufbahnfragen als<br />
auch in Erziehungsbelangen ratlos. "TIBI" kann mit seinen fachkompetenten<br />
Expertinnen und Experten Impulse für eine adäquate Entwicklung<br />
der gesamten Persönlichkeit geben. Eine entsprechende Schullaufbahnberatung<br />
kann ein wichtiger "Leitfaden" für die Zukunft sein und vor<br />
"Leidpfaden" bewahren.<br />
2. Begabungsforschung: Nur wer über die Zusammenhänge und das<br />
Wirken der Begabungen und deren Umfeld Bescheid weiß, kann<br />
Begabte effizient fördern. Die Zusammenarbeit mit Forschenden,<br />
Lehrenden und Studierenden der Universitäten Wien, Nijmegen, Ulm<br />
und Münster bereichern wesentlich unsere eigenen Erkenntnisse.<br />
Durch ein spezielles Seminarangebot an der Universität Wien ist es uns<br />
gelungen, einen Teil des ECHA-Lehrganges in die universitäre Ausbil-<br />
dung der Lehramtsstudierenden zu implementieren und somit dem Begriff<br />
der differenzierenden Begabungsförderung einen breiten Raum bereits<br />
an der Basis zu geben.<br />
3. Integrative Initiativen: In den Menschenrechten ist festgehalten,<br />
dass jedes Kind Anrecht auf eine ihm entsprechende (Aus)Bildung hat.<br />
Janusz Korzak, Arzt, Pädagoge und Philosoph fügt hinzu: "Jedes Kind<br />
hat ein Recht auf seine individuelle Entwicklung, auf Selbstbestimmung<br />
und Entfaltung seiner Persönlichkeit".<br />
Jede Andersartigkeit hat ein Recht auf Beachtung; jede Begabung bedarf<br />
der Integration in die Gesamtpersönlichkeit. Jede Begabung ist als<br />
Gabe zugleich Aufgabe. Sie bedeutet Verantwortung für das Wachsen<br />
des Individuums und für das Wohl der Gemeinschaft. Uns scheint der<br />
integrative Ansatz der individuellen Förderung in den Klassen, vor allem<br />
in den Grundschulklassen besonders wichtig, um das Lernen voneinander<br />
und die Buntheit der Gesellschaft bewusst zu gestalten, die<br />
genauso wichtig sind wie die Begleitung der Kinder und Eltern und die<br />
Unterstützung der Lehrer/innen bei der Erstellung individueller differenzierender<br />
Programme.<br />
Mithilfe bei Organisation und Durchführung von Schulprojekten sowie<br />
klärende Interventionen bei pädagogisch-psychologischen Problemen,<br />
die vor Ort an der Schule mit Lehrerinnen/Lehrern, Eltern und Schülerinnen/Schülern<br />
besprochen werden, ist ebenfalls ein integratives<br />
Grundsatzverstehen von TIBI.<br />
Durch die Zusammenarbeit und die Verbindung mit einer Vielfalt von einzelnen<br />
Personen und Gruppen mit dem gleichen Ziel - der differenzierten<br />
Förderung und Motivation von Begabten - sind wir mit unterschiedlichen<br />
Institutionen, Vereinen und Personen vernetzt, die uns einen<br />
regen Informationsaustausch und eine Zusammenarbeit ermöglichen:<br />
bm:bwk, Stadtschulrat für Wien, Universität, private Vereine und öffentliche<br />
Institute haben in der Hochbegabtenfrage den gleichen Grundsatz<br />
wie wir:<br />
"Das Leben will belebt, die Seele beseelt und der Geist<br />
begeistert werden." (Elazar Benyoetz)<br />
So wird auch das Thomasianum von begeisternden Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern belebt, unter deren Federführung oder/und Kooperation<br />
spezielle Förderprogramme entstehen sowie Projektgruppen und Foren<br />
für einen fachlichen Austausch.<br />
Bildung allein genügt nicht. Sie hat immer auch eine ethisch-philosophische<br />
Dimension: Zum Wissen was ist, zur Kreativität, was sein könnte,<br />
gehört untrennbar die Grundsatzfrage, was sein soll und was sein kann.<br />
Univ.-Lekt. Mag. Dr. Elfriede Wegricht<br />
ist Pädagogin, Psychologin und leitet das Thomasianum (TIBI)<br />
e.wegricht@edw.or.at<br />
newsletter12 . 01.2006 . 20
06 Tagungsberichte<br />
06 "NEW TRENDS AND MODERN<br />
TECHNOLOGIES IN THE EDUCATION OF<br />
EXCEPTIONALLY TALENTED CHILDREN"<br />
International Seminar in Prague<br />
Between November 3 rd and 5 th , 2005 the international seminar "New<br />
Trends and Modern Technologies in the Education of Exceptionally<br />
Talented Children" took place in Prague, organized by the National<br />
Institute of Children and Youth under the auspices of the Ministry of<br />
Education, Youth and Sport of the Czech Republic (MEYS CR).<br />
Its main objective was to mediate meeting and experience exchange<br />
among experts from various countries who engage in work with exceptionally<br />
gifted children with a special regard to modern technologies. A<br />
remarkable part of the seminar was the introduction of "Talnet" system.<br />
The seminar was attended by 40 people. Those were, apart from experts<br />
from various regions and representatives of non-profit organizations engaged<br />
in work with talented children within the Czech Republic, also<br />
experts from Austria, Germany, Great Britain, Hungary and Slovakia. The<br />
official languages were Czech and English, the presentations were given<br />
in one of those languages and translated into the other.<br />
The seminar was opened by the Vice-minister of MEYS who welcomed<br />
the conferees and gave the opening speech in which he briefly introduced<br />
the ways in which the care of talented children is presently provided<br />
in the Czech Republic.<br />
The first day of the seminary was dedicated to educating by means of<br />
the internet, so-called e-learning, and the on-line teaching methods. The<br />
representatives of Austria and Great Britain presented their interesting<br />
projects by means of which they work with talented children this modern<br />
way. Also the Czechs had something to present, which was the project<br />
of Talnet which has been carried out by the National Institute of<br />
Children and Youth in cooperation with the Faculty of Mathematics and<br />
Physics of Charles' University for three years and is focused at children<br />
between the ages of 13 and 16 gifted in the field of natural science, in<br />
the concrete physics and chemistry. Next year the project will be open<br />
to children from all over the Czech Republic and extended to more subjects.<br />
At about six p.m. the first day of the seminar was over, however, the<br />
informal discussion went on at the celebratory dinner given at the<br />
"Vodník" hotel, which was also where the guests were accommodated.<br />
The second day of the seminary was dedicated to the care of gifted children<br />
regarding particular age-groups.<br />
The first to give the presentation was Mrs. Jitka Fortíková, `´ who introduced<br />
the ways of care of talented pre-school children in the Czech<br />
Republic.<br />
Her presentation was followed by one of Mr. Vladimír Dockal, `´ who presented<br />
his report "The possibilities of Education of Children of Younger<br />
School Age in Slovakia".<br />
Then, Mrs. Vladislawa Partyka, who reported on care of talented children<br />
in Poland.<br />
The Hungarian delegate,<br />
Csilla Fuszek, then presented<br />
a very interesting report<br />
on care of talented children<br />
coming from socially disadvantaged<br />
groups, which is a<br />
project greatly supported by<br />
Hungarian government and is presently being implemented.<br />
The last referee was Mr. Tomás `´ Houska `´ with his presentation concerning<br />
the demands which work with talented children has on the personality<br />
of the teacher.<br />
The second day of the seminary, similarly as the first, was closed by a<br />
large panel discussion. While the previous had dealt mainly with the<br />
topic of e-learning and the possibilities of its use in education of talented<br />
children, the second one focused at the care of talented children<br />
in general.<br />
In the end the conferees agreed upon recommendations and conclusions<br />
addressed mainly to the MEYS CR, however, some of them were<br />
interesting from the international point of view. The conferees also obtained<br />
a password to a web discussion board opened by the organizers,<br />
having thus the opportunity of a two weeks' time to further specify the<br />
exact reading of the conclusions and recommendations.<br />
For the last day of the seminar, there was an excursion prepared for the<br />
conferees to the education center of the Hewlett-Packard company,<br />
where they were shown the virtual classroom as one of the possibilities<br />
of on-line communication with (not only) talented children.<br />
Thanks to the seminary, many new ways of international cooperation<br />
appeared, one of the first concrete ones is the offer of the Austrian delegation<br />
of opening their project "ELCAD" to students from other<br />
states-members of the EU next year.<br />
All the expert presentations will be issued in a bi-lingual almanac, there<br />
will also be a CD issued with the contributions of the conferees in the<br />
form in which they were presented at the seminar.<br />
Jan Vodicka, `´ National Institute of Children and Youth of the<br />
Ministry of Education, Youth and Sport of the Czech Republic<br />
vodicka@idm-msmt.cz<br />
Im letzten Heft des newsletters (Nr.11,Okt.2005) wurde in dem<br />
Aufsatz "Hochbegabung und Intelligenz" von Anne Rössel ein längerer<br />
Textabschnitt versehentlich nicht als Zitat gekennzeichnet.<br />
Der gesamte letzte Abschnitt "Probleme und Möglichkeiten der<br />
Erkennung besonderer Begabungen" wurde übernommen aus:<br />
> Urban, Klaus K. (2004), Hochbegabungen (Münster: Lit), S. 126f.<br />
Ich bitte um Entschuldigung für dieses Versehen.<br />
Anne Rössel<br />
21
06 FÖRDERUNG (HOCH)BEGABTER<br />
ALS RELEVANTE THEMATIK FÜR DIE<br />
AUSBILDUNG AN BILDUNGSANSTAL-<br />
TEN FÜR KINDERGARTENPÄDAGOGIK<br />
Kleine Schritte, die zum Ziel führen<br />
Impulse kamen und kommen von allen Seiten: PISA, OECD-Studien zur<br />
Wissensgesellschaft, der Reformdialog waren "Initialzündungen". Das<br />
Leitbild der Sektion II des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft<br />
und Kultur (Berufsbildende Schulen) bekennt explizit: "Wir wollen besondere<br />
Begabungen fördern", und die Matrix der Qualitätsziele der<br />
schulischen Berufsbildung (in der grundsätzlich die Qualitätspolitik der<br />
Sektion festgelegt ist) nennt als ein Teilziel die "Schaffung eines positiven<br />
Lehr- und Lernumfelds" bzw. "Entwicklung und Umsetzung von<br />
Konzepten zur Förderung von Begabungen". Schulen erarbeiten standortbezogene<br />
Förderkonzepte. Das Schulpaket II sieht eine Ausweitung<br />
von Begabungsförderung vor. Jeder Mensch, auch das Kind im Kindergarten,<br />
soll in seinen individualspezifischen Bedürfnissen wertschätzend<br />
und sachrichtig Förderung erfahren.<br />
In der Ausbildung der Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen<br />
wurde das Thema aufgegriffen: Aus diesem Auftrag heraus entstand<br />
vorerst die Broschüre "(Hoch)Begabung im Vorschulalter erkennen und<br />
fördern? Annäherung an ein Thema". Sie wurde im November 2003 vom<br />
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur herausgegeben<br />
und bisher ca. 800 Mal von interessierten Pädagoginnen/Pädagogen,<br />
Fachexpertinnen/-experten und Eltern in schriftlicher Form angefordert<br />
bzw. per Download verfügbar gemacht (siehe auch:<br />
http://www.bmbwk.gv.at/medien/10939_Vorschule_Hochbegabung.pdf ).<br />
Damit stand Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen sowie Lernenden<br />
und Lehrenden an den Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik<br />
eine Informationssammlung zur Verfügung. In diesen<br />
Ausbildungsgängen sitzen aber auch Schüler/innen (bzw. im Kolleg<br />
Studierende), die ihrerseits Begabungen haben, die es zu fördern gilt.<br />
Im nächsten Schritt wurde eine, mittlerweile von in- und ausländischen<br />
Interessierten genutzte, elektronische Projektmanagementplattform<br />
zum Thema eingerichtet; die Aktualisierung und Betreuung erfolgt im<br />
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur. (Per Mail an<br />
maria.dippelreiter@bmbwk.gv.at kann ein Datenbankzugang eröffnet<br />
werden.)<br />
Institutionsübergreifende Kooperation und reale Begegnungen mit engagierten<br />
Personen führten uns wieder ein paar Schritte weiter: Wertvolle<br />
Impulse kamen aus der Zusammenarbeit mit Dr. Thomas KÖHLER<br />
(Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur), mit der<br />
Fachaufsicht für Kindergärten und aus den Volksschulen sowie aus dem<br />
Austausch mit in- und ausländischen Expertinnen und Experten.<br />
Vom 7.- bis zum 10. November 2005 fand schließlich in Wien XIII (initiiert,<br />
geplant und begleitet durch das Bundesministerium für Bildung,<br />
Wissenschaft und Kultur, durchgeführt vom Pädagogischen Institut der<br />
Erzdiözese Wien) eine einschlägige Veranstaltung für Multiplikatorinnen<br />
und Multiplikatoren aus dem Bereich der Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik<br />
statt: Lehrenden<br />
der Unterrichtsgegenstände Pädagogik,<br />
Didaktik, Praxis und Ü-<br />
bungskindergärtnerinnen/-gärtnern<br />
galt es, Zugänge zum nötigen<br />
Sachwissen für die Arbeit im Kindergarten<br />
und bezogen auf die<br />
Förderung der ihnen anvertrauten<br />
Schüler/innen bereitzustellen.<br />
Die Möglichkeit, sich in Theorie und Praxis mit dieser relevanten<br />
Thematik auseinander zu setzen, wurde von sehr motivierten Teilnehmerinnen<br />
(nur weiblich) genutzt, wobei sich einzelne Programmpunkte als<br />
"Blitzlichter" verstanden, die folgend an den Standorten vertiefte<br />
Befassung erfahren werden.<br />
Die Tagung wurde eröffnet durch den Leiter der Sektion II, Mag. Theodor<br />
SIEGL, der in den berufsbildenden Schulen "begabungsfreundliche<br />
Lernkultur" als einen Sektionsschwerpunkt darstellte und den Bogen zur<br />
Qualitätsarbeit im berufsbildenden Schulen spannte. SIEGL bedankte<br />
sich bei den Teilnehmerinnen für die Bereitschaft, sich künftig als<br />
Multiplikatorinnen an den einzelnen Standorten dieser wichtigen<br />
Aufgabe zu stellen.<br />
Dr. KÖHLER gab umfassende Informationen zur behördlichen Strukturiertheit<br />
von Begabungsförderung in Österreich und bot einen Exkurs zur<br />
(bildungs)geschichtlichen Entwicklung der Thematik. Als Veranstaltungsleiterin<br />
referierte ich über "Begabungsfördernde Lernkultur als Orientierungshilfe<br />
beim Weg in die Wissensgesellschaft" und stellte die<br />
Forderung nach "Stimmigkeit auf der Meta-Ebene lernende Organisation".<br />
Der Dokumentarfilm "Vier helle Köpfe" (Bernd DOST, Hannover),<br />
der uns mit einer Langzeitbeobachtung von (hoch) Begabten anhand realer<br />
Schicksale an das Thema heranführte, aktivierte anschließend zu einer<br />
Diskussion über "Last und Lust des Begabt-Seins": Elternerwartung<br />
versus Eigen-Sinn, Enrichment versus perfektionistischer Leistungszwang,<br />
Befreiung versus Verweigerung.<br />
Dr. Waltraut HARTMANN vom Charlotte-Bühler-Institut für praxisbezogene<br />
Kleinkindforschung (Wien) gab wertvolle Hinweise auf die Entwicklung<br />
von einzelnen Fähigkeitsbereichen (speziell auch zum Modell<br />
von Aiga STAPF "Disposition --- Verhalten --- Performanz") und nannte<br />
Qualitätskriterien in Kindergärten (Orientierungsqualität, Strukturqualität,<br />
Prozessqualität) als Voraussetzung für das Gelingen von<br />
Begabungsförderung.<br />
DDr. Andrea RICHTER vom LSR für Niederösterreich bereitete für die<br />
Teilnehmerinnen ihr Sachwissen und ihre Erfahrungen aus dem Bereich<br />
der Diagnostik auf: Sie zeigte auf, dass die Veränderung der eigenen<br />
Erwartung gefordert ist und beschrieb detailliert den Vorgang der diagnostischen<br />
Abklärung. Hinsichtlich möglicher Hinweise auf (Hoch)-<br />
Begabung riet sie zu permanenter Beobachtung und warnte vor allzu diffusen<br />
"Checklisten". Diagnostik lässt uns Verhalten richtig interpretieren<br />
und Kinder entsprechend fördern und fordern.<br />
Brigitte PALMSTORFER vom Stadtschulrat für Wien ist es zu danken,<br />
dass die Thematik "Brückenschlag zwischen Kindergarten und Volksschule<br />
- am Thema Begabungsförderung" sehr engagiert bearbeitet werden<br />
konnte. Parallelen zwischen den pädagogischen Ansätzen in den<br />
Institutionen und praxistaugliche Modelle und Ideen wurden vorgestellt.<br />
newsletter12 . 01.2006 . 22
06 Tagungsberichte<br />
Hinweise auf Donata ELSCHENBROICH ("Das Weltwissen der Siebenjährigen")<br />
und ihre Ausführungen machten Mut und weckten Freude am<br />
Umsetzen; u.a. erfolgte im Abschluss-Feedback der konkrete Wunsch<br />
nach einer Veranstaltung zum Thema "Kinder und Naturwissenschaften".<br />
(Erfreulicherweise ist eine solche Veranstaltung bereits für das Jahr<br />
2006 in Wien geplant!)<br />
PALMSTORFER arrangierte auch die Möglichkeit, mit vier Müttern von<br />
(hoch)begabten Kindern ins Gespräch zu kommen und sie unter anderem<br />
darüber zu befragen, welche "Kindergartenerfahrungen" ihre Kinder<br />
(und sie als Mütter) gemacht haben: Der experimentelle Jonas wäre froh<br />
gewesen, hätte er Dinge auch Zweck entfremden dürfen und hätte er<br />
mehr Bücher zum Lesen gehabt; Clemens hat sich in seinem Anders-Sein<br />
nicht angenommen gefühlt; Maximilian vermisste einen Ordnungsrahmen<br />
- hat aber viel Wertschätzung erfahren; Peter und Christoph hatten<br />
das Glück, im Kindergarten ein begabungsfreundliches Klima vorzufinden.<br />
Insgesamt wurde von den Müttern der Kindergarten als<br />
"differenziert und aufgeklärt" erlebt, vor allem dort, wo Kindergartenpädagoginnen/-pädagogen<br />
über entsprechendes Sachwissen verfügten<br />
und den Mut hatten, "zu ertragen, dass Schrift und Zahl nicht aus dem<br />
Kindergarten verbannt sein mussten".<br />
Birgit HARTEL, die in Ulm mit hoch Begabten gearbeitet hatte, informierte<br />
umfassend über die Möglichkeiten der Portfolio-Arbeit, die für hoch<br />
oder besonders begabte Kinder jedes Alters geeignet ist. Ziele, Arten<br />
und Inhalte von Portfolios wurden vorgestellt. An einzelnen Bildungsanstalten<br />
(dazu erfolgte Erfahrungsaustausch) wird bereits auf diese Art<br />
gearbeitet, weitere "Nachahmung" scheint in Anbahnung begriffen!<br />
Anlässlich unseres Besuches an der Sir-Karl-Popper-Schule des Wiedner<br />
Gymnasiums hatten wir die Möglichkeit, in HR Dr. Günther SCHMID einen<br />
"Praktiker mit solidem fachwissenschaftlichem Hintergrund" zu finden.<br />
Er erläuterte das Konzept von der "partiellen besonderen Begabung"<br />
und stellte uns "begabtes Verhalten" als etwas dar, das der Selbständigkeit<br />
und Eigenverantwortung der Lernenden bedarf. Diese gilt es natürlich<br />
im Schulversuch zu ermöglichen: Demokratisierung (das Popper-<br />
Forum), Spielräume für Wahlmöglichkeiten, "Contracting", Feedback-<br />
Mechanismen, die Kultur der Falsifikation, Assignment (nach Helen<br />
PARKHURST), eine spezielle Sichtweise des Enrichment … Das überzeugende<br />
und hier praktizierte Gesamtkonzept, das hinter diesen<br />
Schlagwörtern steckt, macht Mut. Dass Lehrende sich hier nicht als<br />
"Guru", sondern als Facilitator, Enabler, Coach verstehen, wurde uns in<br />
der erfrischenden Begegnung mit Schülerinnen und Schülern klar, die<br />
selbstbewusst und strukturiert auf unsere Fragen antworteten und uns<br />
u.a. die Gewissheit mitgaben, dass die Erfüllung der Grundforderung besonders<br />
Interessierter ("Ich will Input!") ihnen hier einen Rahmen bietet,<br />
den sie Mainstream-Bildungsinstitutionen nicht immer finden<br />
konnten.<br />
Eine Veranstaltungsteilnehmerin, Sylvia REITBAUER, BAKIP Steyr, erklärte<br />
sich ganz spontan bereit, über ihre ECHA-Ausbildung und deren<br />
Auswirkungen auf ihr ganz persönliches Bild vom Lehren und Lernen zu<br />
berichten. Es zeigte sich, dass das System durchaus nicht so bekannt<br />
ist, wie man annehmen möchte - möglicherweise wurde bei einigen<br />
Teilnehmerinnen Interesse dafür geweckt. Zu erwähnen ist freilich, dass<br />
die Teilnehmerin aus Oberösterreich kommt, wo die "Stiftung Talente"<br />
die Ausbildungskosten übernimmt!<br />
Prof. Mag. Dr. Karina GRIESMAYR (BAKIP Wien 7) ist es zu danken, dass<br />
die Teilnehmerinnen dazu aktiviert wurden, den Lehrplan (aus 2004) der<br />
fünfjährigen Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik detailliert auf<br />
"Begabungsförderung" zu untersuchen. Der konstruktive Blick bietet erfreuliche<br />
(implizite bzw. explizite) Präsenz des begabungsfreundlichen<br />
Umfeldes und einer entsprechenden Lernkultur; auch andere schulrechtliche<br />
Bestimmungen und Schul-Leitbilder wurden diskutiert.<br />
Ein Feuerwerk von Anregungen und Ermutigungen bot uns Dr. Elfriede<br />
WEGRICHT (vom Thomasianum-Institut der Erzdiözese Wien): "Kinder<br />
sind nicht Fässer, die gefüllt werden, sondern Fackeln, die brennen sollen",<br />
so lautete die Botschaft, die hinter solidem Sachwissen steckt:<br />
Entwicklungspsychologie, Allgemeinmedizin und Neurowissenschaft,<br />
Ethik, berufliche Erfahrung und Gesellschaftskritik - eine gelungene<br />
Mischung!<br />
Dr. Roswitha BERGSMANN, Gründerin des Österreichischen Vereines<br />
für hochbegabte Kinder, hat ihr Weg über die eigene Betroffenheit zu<br />
einer Initiativensetzung geführt, die sie als eine Art "Engagement für<br />
Minderheiten" auffasst. Sie stellte Aufgaben und Arbeitsweisen des<br />
Vereines dar und schließt aus der sinkenden Zahl von Einzelberatungen<br />
(sie hat insgesamt über 5.000 gemacht) beruhigt, dass sich "auch anderswo<br />
etwas tut".<br />
Als letzte Vortragende zu sprechen, ist eine besondere Herausforderung,<br />
der sich Frau Dr. Walburga WEILGUNY vom Österreichischen Zentrum für<br />
Begabtenförderung und Begabungsforschung mit Bravour stellte: Ideologien<br />
über (Hoch)Begabung wurden zu wissenschaftlich belegten "hard<br />
facts" in Beziehung gesetzt. Die Ausführungen zur Gender-Perspektive,<br />
der sich die Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik als erste aller<br />
Schularten verschrieben haben, fielen auf fruchtbaren Boden.<br />
Den unmittelbaren Rückmeldungen der Teilnehmerinnen ist zu entnehmen,<br />
dass eine multiperspektivische Annäherung in Mischung aus fundiertem<br />
Sachwissen, Erfahrungsaustausch, Diskussion mit den Referentinnen<br />
und Referenten und menschlicher Begegnung erfolgt ist und dass<br />
an den Standorten Aktivitäten geplant sind: Institutionen, die begabungsfördernd<br />
agieren wollen, müssen selbst zu "lernenden Organisationen"<br />
werden. Die Teilnehmerschaft der Lehrenden aus den<br />
Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik lässt auf weitere Schritte<br />
hoffen!<br />
Mag. Maria Dippelreiter, Ministerialrätin im Bundesministerium<br />
für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Abteilung II/5: Pädagogische<br />
Angelegenheiten der Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik<br />
und der Bildungsanstalten für Sozialpädagogik).<br />
maria.dippelreiter@bmbwk.gv.at<br />
Siemens-Betriebskindergarten Wien 3<br />
Foto: Mag. Maria Dippelreiter<br />
23
06 HOCHBEGABUNG ALS HERAUSFORDERUNG<br />
Neue didaktische und sozialpädagogische Zugänge<br />
Bericht über die Tagung des Arbeitskreises Begabungsforschung<br />
und Begabungsförderung (ABB) im Staatlichen Schulamt<br />
Frankfurt am Main vom 4. bis 6. November 2005.<br />
Die zweijährlich stattfindende Tagung des Arbeitskreises hat Traditionen,<br />
die unabhängig von dem je gewählten Schwerpunktthema einen<br />
festen Kern der Arbeit ausmachen. Dazu gehören die Berichte über<br />
Entwicklungen in der Testdiagnostik und über didaktische Erfahrungen<br />
in meist schulischen Projekten vor einer Teilnehmerschaft, die sich aus<br />
Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern, Lehrerinnen/Lehrern und<br />
Eltern, insbesondere Vertreterinnen/Vertretern organisierter Elterngruppen<br />
zusammensetzt.<br />
In der Begabungsdiagnostik wurde über den Stand der Entwicklung<br />
zweier neuer Testverfahren berichtet, des bildbasierten Intelligenztests<br />
für das Vorschulalter (BIVA; Ulf Kieschke, Universität Potsdam) und des<br />
Berliner Intelligenz-Struktur-Tests für 12- bis 16-jährige Jugendliche<br />
(Franzis Preckel, Begabungspsychologische Beratungsstelle der Universität<br />
München).<br />
In der Persönlichkeitsdiagnostik wurden erste Ergebnisse der Untersuchung<br />
einer großen Stichprobe von Underachievern berichtet (Thomas<br />
Eckerle, Institut für Leistungsentwicklung). Dabei bezog sich das auffälligste<br />
Ergebnis darauf, dass unabhängig von der kritischen Schwelle<br />
IQ 130 die besonders begabten Kinder in hoch signifikantem Maß über<br />
Mobbingerfahrungen berichteten. Unterschiede in der Persönlichkeitsstruktur<br />
zwischen hoch Begabten und anderen, in der Stichprobe fast<br />
immer überdurchschnittlich Begabten, wurden nicht beobachtet.<br />
Zur Didaktik der Begabungsförderung gab es eine Reihe von Erfahrungsberichten<br />
aus der Schule und der außerschulischen Förderung, darunter<br />
auch zu besonderen Aspekten bei körperbehinderten Jugendlichen<br />
(Matthias Huber von der Stiftung zur Förderung körper- und sinnesbehinderter<br />
Hochbegabter) und zum Einsatz von kreativen Spielen (Otto<br />
Lange, Universität Oldenburg, und H.-Jürgen Sprengel, Universität<br />
Potsdam). Das özbf war mit einem Beitrag zum e-Learning (Günter Maresch<br />
und Volker Runow, gemeinsam mit Christoph Perleth, Universität<br />
Rostock) und einem Bericht über das Best-Practice-Projekt (Walburga M.<br />
Weilguny und Waltraud Rosner, gemeinsam mit Christoph Perleth,<br />
Universität Rostock) vertreten.<br />
Neben diesen traditionellen Kernen der ABB-Tagungen standen drei<br />
Schwerpunkte, die Pädagogik der Underachiever, die hessischen Ansätze<br />
zur Hochbegabtenförderung und die Einbindung der Neurowissenschaften<br />
in die Begabungsforschung und Begabungsförderung, im<br />
Mittelpunkt.<br />
Die Kontaktaufnahme mit den Neurowissenschaften enthielt Berichte<br />
aus dem Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen der<br />
Universität Ulm. Herr Fritz, der Geschäftsführer, und Frau Dr. Hille, die<br />
Forschungspsychologin des Zentrums, berichteten über ihre Arbeit<br />
und die Perspektiven ihrer Einrichtung. Hervorzuheben ist hier besonders<br />
der enge Schulkontakt, der insbesondere über Forschungsschulen<br />
auch zu einem Erfahrungstransfer aus der Praxis in die Wissenschaft<br />
führen wird.<br />
Während eines Workshops wurden Phänomene des Lernens zwischen<br />
Psychologie und Neurobiologie übersetzt. Am interessantesten für die<br />
Teilnehmer/innen wurden diese Übersetzungen natürlich, als Frau<br />
Teuchert-Noodt, Fakultät für Biologie, Abteilung Neuroanatomie der<br />
Universität Bielefeld, ihre Überlegungen zur Hochbegabung ausführte.<br />
Zunächst sprach sie die cortikale Ebene an, auf der sie die Besonderheiten<br />
von herausgehobenen Denkerinnen und Denkern, die Einschränkungen<br />
erlitten haben, erklärte, etwa von Helen Keller oder Stephen<br />
Hawking. Bei ihnen seien cortikale Felder freigeworden, die sich zu weiteren<br />
verfügbaren Assoziationsfeldern reorganisiert hätten. Das seien<br />
Ausgangsbedingungen für erweitertes Denken. Im Regelfall aber seien<br />
die Unterschiede auf Cortexebene nicht so ausgeprägt, dass sie die<br />
Unterschiede zwischen den Denkleistungen erklären könnten. Eine<br />
weiterreichende Erklärung böten Unterschiede in der Wachheit, einer<br />
Leistung des Limbischen Systems, die davon abhänge, wie schnell und<br />
umfänglich die lernenden Synapsen bei Reizeinwirkung mit Sensitivierung<br />
und Habituierung reagieren könnten. Diese Leistung werde gesteuert<br />
von Calciumjonen, die ihrerseits in speziellen Proteinen<br />
(Calmodulin und Calbidin) aufgefangen und verfügbar gehalten werden.<br />
"Wer mehr davon hat, kann Calciumjonen schneller zur Verfügung stellen."<br />
Hier seien genetische Unterschiede denkbar.<br />
Mit dem Geschäftsführer des ABB, Herrn Dr. Harald Wagner, Frau<br />
Teuchert-Noodt, Frau Dr. Hille und dem Institut für Leistungsentwicklung,<br />
das die Tagung ausgerichtet hat, wurde eine erweiterte Nachfolgetagung,<br />
die sich auf die begonnene Übersetzungsarbeit konzentrieren<br />
wird, im Wissenschaftszentrum Bonn verabredet.<br />
Zur Pädagogik der Underachiever berichteten u.a. Gerhard Lehwald über<br />
Motivstörungen hoch begabter Problemkinder, Dirk Oppenhoff über häufige<br />
Ursachen für minderleistendes Verhalten bei besonders begabten<br />
Jugendlichen. Hans Biegert, HEBO-Schule, Bad Godesberg, trug Erfahrungen<br />
über den Umgang mit hoch begabten ADS-Kindern vor.<br />
Ursula Hellert, CJD Braunschweig, informierte über die neuen Projektklassen<br />
des CJD, die in die Jgst. 5 und 6 Kinder aufnehmen, die von der<br />
Begabung her für das Gymnasium geeignet sind, aber nach ihrer persönlichen<br />
Entwicklung noch nicht in der Lage sind, die notwendige<br />
Leistung zu erbringen. Ziel der Projektklassen ist die Integration dieser<br />
Kinder in eine begabungsangemessene Schullaufbahn.<br />
newsletter12 . 01.2006 . 24
07 Bundesländernews<br />
Die hessischen Projekte zur Hochbegabtenförderung<br />
haben ihren Ausgangspunkt in einem<br />
landesweiten bottom-up-Prozess, der<br />
nicht Modelle von ministerieller Seite vorgibt,<br />
sondern die aus der Praxis erwachsenden<br />
Ansätze unterstützt. (Eine Ausnahme hiervon bildete nur das<br />
Hochbegabteninternat Schloss Hansenberg, über das Wolfgang Herbst<br />
berichtete.) In der hessischen Entwicklung wird zur Zeit versucht, die<br />
Zuständigkeiten für die Förderung der hoch begabten Schülerinnen und<br />
Schüler über die schulpsychologischen Dienste hinaus auf die sonderpädagogischen<br />
Abteilungen der Schulämter auszudehnen und eine<br />
wechselseitige Unterstützung zu erreichen.<br />
Die Einbeziehung der sonderpädagogischen Förderung zeigt sich auf der<br />
Praxisseite auch in der Gründung der bundesweit einzigen Sonderschule<br />
für hoch begabte Schulverweigerer im Rahmen einer großen Jugendhilfeeinrichtung<br />
in Offenbach (Bericht Michaela Möller, Oswald-von-<br />
Nell-Breuning-Schule des Theresien Kinder- und Jugendhilfezentrums).<br />
Die schwierige Gruppe der Underachiever einzubinden in begabungshomogene<br />
Hochbegabtenklassen ist das Ziel der Otto-Hahn-Schule in<br />
Hanau (Bericht Dagmar von Arnim). Silke Angor und Barbara Hedde<br />
(Staatliches Schulamt Offenbach) schilderten, wie von einem Staatlichen<br />
Schulamt aus die Stadt und Region Offenbach für die Hochbegabtenförderung<br />
aktiviert werden konnten. Die integrative Grundschule<br />
Südwest aus Eschborn differenziert in leistungsheterogenen Klassen<br />
auf eine besonders anspruchsvolle Weise, indem sie nicht zusätzliche<br />
Inhalte, sondern ein variables kognitives Leistungsniveau an gleichen<br />
Inhalten anbietet (Bericht Hajo Rother-Dey). Alexa Brum schließlich trug<br />
die ersten Erfahrungen vor, die aus der Kooperation zwischen Grundschule<br />
und weiterführender (Gesamt-) Schule bei der Integration von<br />
verhaltensauffälligen hoch begabten Kindern erwachsen sind.<br />
Herr Min.R. Walter Diehl, Hochbegabtenbeauftragter des Hessischen<br />
Kultusministeriums, der die landesweite Entwicklung von Anfang an organisiert<br />
und begleitet hat, legte die Grundzüge der hessischen Hochbegabtenförderung<br />
dar und leitete einen halbtägigen Workshop, während<br />
dem die Tagungsteilnehmer/innen sich über diese Projekte weiter<br />
informieren und ihre Anregungen weitergeben konnten.<br />
Die Autorin ist emeritierte Universitätsprofessorin für Schulpädagogik<br />
und Mitglied im Institut für Leistungsentwicklung (IGL), Obertshausen<br />
und Frankfurt am Main. Sie führt eine Ombuds-Stelle für hoch begabte<br />
Kinder, die in der Schule scheitern, und hat die in Deutschland erste<br />
Sonderschule für hoch begabte Schulverweigerer aufgebaut.<br />
Prof. Dr. Gudrun-Anne Eckerle<br />
anne.eckerle@t-online.de<br />
07 BUNDESLÄNDER-WORKSHOP<br />
"Vernetzung"<br />
Am 22. September 2005 veranstaltete das özbf gemeinsam mit den<br />
Koordinatorinnen und Koordinatoren aller Bundesländer einen eintägigen<br />
Workshop, der dieses Jahr unter dem Motto "Vernetzung" stand.<br />
Die wachsenden Herausforderungen in der Begabtenförderung verlangen<br />
nach einer gemeinsamen Nutzung von Ressourcen. Auch internationale<br />
Vergleiche zeigen uns immer deutlicher, dass die Arbeit<br />
Einzelner - so engagiert die betreffenden Personen auch sein mögen -<br />
zu kurz greift. Was die Begabtenförderung heute braucht, sind flächendeckende<br />
Maßnahmen und ein koordiniertes Vorgehen aller Beteiligten<br />
unter bestmöglicher Nutzung von Synergien.<br />
Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bestand ein allgemeiner<br />
Konsens darüber, dass wir das Rad nicht immer wieder neu erfinden<br />
müssen, sondern Informationen und Erkenntnisse austauschen und<br />
Angebote gemeinsam nutzen können.<br />
In diesem Sinne wurden folgende Themenbereiche diskutiert:<br />
1)<br />
a.<br />
b.<br />
c.<br />
2)<br />
3)<br />
Handreichungen: Nach einer Bestandsaufnahme bereits vorhandener<br />
Informationsmaterialien wurde ein Bedarf an folgenden Handreichungen<br />
festgestellt:<br />
Ein Leitfaden für das Überspringen von Schulstufen mit Informationen<br />
über das Prozedere, über rechtliche Fragen sowie mit Ratschlägen<br />
für Eltern, Lehrerinnen und Lehrer.<br />
Ein Bundesländer spezifischer Leitfaden zum Programm "Schüler/innen<br />
an die Unis"<br />
ein Elternratgeber zu Spezialthemen<br />
Lehrmittelpool: Das özbf arbeitet an der Erstellung eines Lehrmittelpools,<br />
der allen Lehrerinnen und Lehrern in Österreich zugänglich<br />
sein soll. Für diese umfassende Aufgabe ist das Österreichische<br />
Begabtenzentrum auf die Unterstützung und Mitwirkung vieler Kolleginnen<br />
und Kollegen angewiesen. Eine Zusammenarbeit mit den<br />
Bundesländern wurde vereinbart.<br />
Lehrer/innen-Fortbildung: Es wurde der Wunsch nach einer Koordinierung<br />
unterschiedlicher Fortbildungsmöglichkeiten und einer gegenseitigen<br />
Anrechenbarkeit von Lehrgängen geäußert. Ebenso ist<br />
es das Ziel aller Bundesländer-Koordinatorinnen und -Koordinatoren,<br />
PI-Seminare wenn möglich so abzustimmen, dass Referentinnen und<br />
Referenten eine Vortragsreise durch mehrere Bundesländer planen<br />
können und so die Veranstaltenden sich die Fahrtkosten teilen können<br />
- was besonders bei sehr langen Anfahrtswegen für alle Beteiligten<br />
von Vorteil wäre.<br />
25
4)<br />
5)<br />
6)<br />
7)<br />
8)<br />
Elterntraining/<strong>KLIKK</strong>-Seminar: In Salzburg wird in Kooperation mit<br />
der Begabungspsychologischen Beratungsstelle der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
(München) ein Seminar für Eltern kluger Kinder<br />
angeboten. Bei Interesse könnten auch andere Bundesländer auf dieses<br />
Angebot zurückgreifen und vor Ort <strong>KLIKK</strong>-Seminare veranstalten.<br />
Talentförderkurse/Pluskurse/Sommerakademien etc.: Es fand<br />
ein reger Erfahrungsaustausch hinsichtlich Organisation, Sponsoring<br />
und Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen dieser Programme, die in jedem<br />
Bundesland anders konzipiert sind, statt.<br />
Best Practice: In einer Datenbank des özbf können Lehrer/innen,<br />
Schulleiter/innen und andere in der Begabtenförderung engagierte<br />
Personen interessante Projekte eingeben. Die Zahl der bisherigen<br />
Einträge ist noch gering. Die Koordinatorinnen und Koordinatoren der<br />
Bundesländer haben sich bereit erklärt, diese einzigartige Möglichkeit<br />
der Vernetzung und des Ideenaustausches in ihrem Einflussbereich<br />
zu bewerben.<br />
Netzwerke in den Bundesländern: Die Bundesländer-Koordinatorinnen<br />
und -Koordinatoren definierten als wichtiges Ziel, die Netzwerke<br />
in den einzelnen Bundesländern noch stärker auszubauen. Es<br />
sollte in jedem Bundesland ein Netzwerk von Expertinnen und Experten<br />
bzw. Fachkoordinatorinnen und Fachkoordinatoren geben, die<br />
die Belange der Begabtenförderung in der Öffentlichkeit vertreten,<br />
Schulen und Eltern beraten und Maßnahmen zur Begabtenförderung<br />
koordinieren helfen.<br />
Schulpaket II: Als erfreulicher Schritt in der Begabtenförderung<br />
wurde die Möglichkeit des Überspringens an Nahtstellen und des<br />
frühzeitigen Einschulens von besonders begabten Kindern diskutiert.<br />
Das özbf bedankt sich bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ganz<br />
herzlich für die konstruktive Zusammenarbeit bei der großen Herausforderung,<br />
aus den vielen Initiativen, die es bereits gibt, ein flächendeckendes<br />
Mosaik der Begabungs- und Begabtenförderung zu machen.<br />
Wir werden unser Möglichstes tun, um diese Zusammenarbeit zu unterstützen.<br />
Da mit Beginn des Schuljahres 2005/2006 einige Bundesländer<br />
neue Koordinatorinnen bekommen haben, geben wir ihnen hier<br />
die Möglichkeit, sich und ihr Programm kurz vorzustellen:<br />
Kärnten:<br />
Mag. Dr. Dagmar Zöhrer<br />
Mit Schulbeginn 2005 habe ich die Agenden<br />
der Sonderpädagogik und (Hoch-) Begabungsförderung<br />
im LSR für Kärnten übernommen<br />
und bin auch zur Bundeslandkoordinatorin für<br />
Begabungsförderung bestellt worden.<br />
Als Sonderpädagogin und Absolventin der ECHA-Ausbildung ist die<br />
Symbiose dieser Bereiche im Verständnis von "special needs" für mich<br />
richtungsweisend, da an den Polen der Gesamtpalette der Entwicklungs-,<br />
Lern- und Bildungsmöglichkeiten auf der einen Seite Hochbegabung und<br />
auf der anderen Behinderungen zu finden sind. Innerhalb dieser<br />
Bereiche zeigt sich das gesamte Feld individueller Differenzen von<br />
Schülerinnen und Schülern. Diesen besonderen Bedürfnissen ("special<br />
needs") gerecht zu werden, bedarf es eines entsprechenden methodischdidaktischen<br />
Wissens und Könnens und eines breiten pädagogischen<br />
Repertoires.<br />
Das Hauptaugenmerk meiner heurigen Arbeit wird also darauf liegen,<br />
die Regelschule darin zu bestärken, der gesamten Vielfalt an unterschiedlichen<br />
Lernvoraussetzungen und Lernmöglichkeiten gerecht zu<br />
werden. Dafür habe ich einerseits umfassende Fort- und Weiterbildungsangebote<br />
und andererseits gemeinsam mit den ECHA-Lehrerinnen und<br />
-Lehrern ein flächendeckendes Beratungsnetz geplant. Ich halte viel von<br />
Kompetenztransfer und glaube, dass die Anforderungen an die Schule<br />
von heute nicht von unzähligen externen Personen zu bewältigen sind,<br />
sondern nur durch Beratung und Unterstützung der Lehrer/innen vor Ort.<br />
Über den Schulalltag hinaus wird es auch heuer wieder zahlreiche<br />
Angebote in Kärnten geben, die durch sehr engagierte Mitstreiter/innen<br />
geplant und durchgeführt werden, wie "future kids", Englisch-<br />
Redewettbewerb, Talentecamp u.a. und schließlich der ECHA-Kongress<br />
im April 2006 in Velden am Wörthersee.<br />
Auf eine gute Zusammenarbeit<br />
waltraud.rosner@begabtenzentrum.at<br />
walburga.weilguny@begabtenzentrum.at<br />
Mag. Dr. Dagmar Zöhrer<br />
dagmar.zoehrer@lsr-ktn.gv.at<br />
Bundesländer-Workshop, 22. September 2005<br />
newsletter12 . 01.2006 . 26
07 Bundesländernews<br />
Salzburg:<br />
Mag. Dr. Irene Thelen-Schaefer<br />
Als neue Bundesländerkoordinatorin von<br />
Salzburg plane ich, ein Netzwerk für Begabtenförderung<br />
aufzubauen bzw. weiter auszubauen.<br />
Es gibt ein solches bereits im Pflichtschulbereich,<br />
in den AHS und BHS jedoch ist<br />
die Begabtenförderung noch weitgehend<br />
von einzelnen Lehrerpersonen abhängig.<br />
Weiters plane ich den Aus- und Umbau der Pluskurse - Talentförderkurse<br />
in anderen Bundesländern - sowie eine Umstrukturierung der Sommerakademie.<br />
Gemeinsam mit dem özbf erstellt das Pädagogische Institut<br />
Salzburg einen Akademielehrgang zur Begabten- und Begabungsförderung<br />
für Lehrer/innen; erste Seminare lassen auf reges Interesse<br />
schließen.<br />
Als Hilfe für Lehrer/innen sollen schrittweise auch Handreichungen zur<br />
Begabtenförderung im Unterricht erstellt werden.<br />
Mag. Dr. Irene Thelen-Schaefer<br />
irene.thelen-schaefer@pi.salzburg.at<br />
Vorarlberg:<br />
Mag. Verena Chlumetzky-Schmid<br />
Aktuelles/Vorhaben/Ziele<br />
Vorarlberg startet heuer erstmalig auf Initiative<br />
des Regionalen Bildungsmanagements<br />
Vorarlberg für Gymnasien, des Landesschulrates<br />
und des Pädagogischen Instituts<br />
des Bundes Talentförderkurse für interessierte<br />
Schülerinnen und Schüler der AHS Unter- und Oberstufe.<br />
Hoch qualifizierte Lehrkräfte bieten ab November zehn so genannte "HI-<br />
Kurse" (High Intensity) zu verschiedenen Fachthemen aus Naturwissenschaft,<br />
Wirtschaft, Technik, Sprachen und Kunst an. Die Teilnahme an<br />
diesen Kursen ist kostenlos. Das Programm ist abrufbar unter:<br />
www.lsr-vbg.gv.at und www.vobs.at/pib<br />
Derartige Veranstaltungen sollen im Sinne einer frühzeitigen und breiten<br />
Begabtenförderung künftig auch für Schülerinnen und Schüler der<br />
Pflichtschulen ins Auge gefasst werden.<br />
Ziel in diesem Zusammenhang ist, Begabungs- und Begabtenförderung<br />
als Thema akzentuierter in die Lehrer/innenfortbildung der AHS und BHS<br />
zu setzen und für den Bereich der Pflichtschulen die Fortbildungsangebote<br />
im Sinne einer begabungs- und begabtenfreundlichen Lernkultur<br />
auszuweiten.<br />
Das Modell "Schüler/innen an die Unis" könnte auch für Vorarlberg<br />
adaptiert werden, denn die Fachhochschule Vorarlberg hat sich bereit<br />
erklärt, Möglichkeiten für einen Zugang besonders talentierter und motivierter<br />
Schülerinnen und Schüler zu überdenken.<br />
Mag. Verena Chlumetzky-Schmid<br />
chlusch@utanet.at<br />
07 NEUES AUS NIEDER-<br />
ÖSTERREICH:<br />
Aktivitäten im Schuljahr 05/06<br />
- Vorschau Sommer 06<br />
Sommerakademien 2006<br />
Die Termine der Sommerakademien 2006 sind bereits bekannt:<br />
><br />
><br />
><br />
7. SoAk für 3. - 4. Kl. VS: 16. - 20. 06. 2006<br />
Semmering, erstmals 9 Kurse für 120 Teilnehmer/innen geplant<br />
6. SoAk für 3. - 4. Kl. HS u. AHS - Unterstufe: 22. - 27. 06. 2006<br />
Semmering, geplant: 5 Kurse für ca. 80 Teilnehmer/innen<br />
8. Internat. SoAk für 6. - 7. Kl. AHS u. 3. - 4. Jg. BHS: 29. 06. - 07. 07.<br />
2006, Semmering, geplant: 6 Kurse für 90 Teilnehmer/innen aus NÖ,<br />
den Bundesländern und dem benachbarten Ausland<br />
Alle Ausschreibungen erfolgen Ende Jänner elektronisch, die Prospekte<br />
werden Ende Februar an die Schulen geschickt, die Anmeldung ist<br />
ab März möglich.<br />
Pullout-Kurse<br />
><br />
><br />
><br />
><br />
><br />
Angewandte Mathematik: Kryptographie<br />
7. - 8. Kl. AHS, 30. 01. - 03.02.2006, Seitenstetten,<br />
Leitung: Mag. Alfred Nussbaumer, G. Melk,<br />
Dr. Hildegard Urban-Woldron, Sacre Coeur Pressbaum<br />
Französisch: La Francophonie<br />
7. - 8. Kl. AHS, 13.-16. 02. 2006, Seitenstetten, Leitung: Dr. Michel<br />
Mareschal, BG Purkersdorf, Mag. Alexandra Dämon, BG Perchtoldsdorf<br />
Chemie/Biologie: Gentechnik<br />
7. - 8. Kl. AHS, Februar 2006, Univ. Graz<br />
Leitung: Dr. Walter Wliszczak, Don-Bosco-Gymnasium Unterwaltersdorf<br />
Englisch: Fun with Stories<br />
2. Kl. AHS und HS, 18. - 21. 03. 2006 und 02. - 05. 07. 2006,<br />
Sacre Coeur Pressbaum, Leitung: Dipl.-Päd. HOL Gabriele Erber,<br />
HS Großweikersdorf, Eric Gamsjäger<br />
Philosophieren mit Kindern: Schöpfungsmythen der Welt<br />
1. und 2. Kl. AHS und HS, 24. - 28. 05. 2006, geplant: Landwirtschaftl.<br />
Fachschule Krems, Leitung: Dipl.-Päd. VOL Petra Summer, VS Daniel<br />
Gran I und LSR f. NÖ, Dipl.-Päd. HOL Helga Fischer, HS Böheimkirchen<br />
> Elektronik: 3. - 4. Kl. VS, an 5 Samstagen im März und April 2006,<br />
Don-Bosco-Gymnasium Unterwaltersdorf, Leitung: Dr. Walter Wliszczak<br />
Dipl.-Päd. VL Susanne Sabatky<br />
HR FI Dr. Bernhard Seyr<br />
bernhard.seyr@lsr-noe.gv.at<br />
27
07 ÜBERSICHT ÜBER AKADEMIELEHRGÄNGE ZUM<br />
THEMA BEGABTENFÖRDERUNG UND BEGABUNGS-<br />
FORSCHUNG<br />
an Pädagogischen Instituten und Pädagogischen Akademien<br />
in Österreich<br />
Im Folgenden finden Sie eine Übersicht über Akademielehrgänge zum<br />
Thema Begabtenförderung und Begabungsforschung, die derzeit in Österreich<br />
stattfinden.<br />
In Kärnten:<br />
> Akademielehrgang: Pädagogische Handlungsfelder zwischen<br />
Beeinträchtigung und Hochbegabung (schulartenübergreifend)<br />
Dauer: 4 Semester, Leitung: Mag. Dr. Dagmar Zöhrer<br />
Abschluss: Lehrgangszeugnis und Zertifikat<br />
In Kooperation der Bildungseinrichtungen im Bundesland Kärnten<br />
www.kath-kirche-kaernten.at/rpa<br />
Kursbeginn war bereits im Wintersemester 2005/06.<br />
In Niederösterreich:<br />
> Akademielehrgang: ECHA-Diplom (schulartenübergreifend)<br />
Dauer: 3 Semester, Leitung: Dr. Bernhard Seyr<br />
Abschluss: ECHA-Diplom<br />
Durchführende Institution:<br />
Pädagogisches Institut des Bundes für Niederösterreich<br />
http://www.pinoe-bn.ac.at/<br />
Dieser Lehrgang endet im November 2006. In Nachfolge der ECHA-<br />
Lehrgänge wird ein Akademielehrgang zur Begabtenförderung vorbereitet,<br />
der voraussichtlich im September 2006 beginnt.<br />
In Oberösterreich:<br />
> Akademielehrgang: Begabungsförderung Modul 1<br />
(schulartenübergreifend)<br />
Auch für Studierende aller Studiengänge ab dem 5. Semester zugänglich<br />
Dauer: 2 Semester, Leitung: Prof. Mag. Dr. Karin Busch und Prof. Mag.<br />
Dr. Ulrike Reinhart, Abschluss: Akademielehrgangszeugnis<br />
Durchführende Institution: Pädagogische Akademie des Bundes in<br />
Oberösterreich<br />
http://www.phlinz.at/begabungsfoerderung<br />
Voraussichtlich wird im Wintersemester 2006/07 dieser Akademielehrgang<br />
wieder gestartet.<br />
> Akademielehrgang: ECHA-Lehrgang<br />
(schulartenübergreifend: AHS, Kindergartenpädagogik und BHS)<br />
Dauer: 3 Semester<br />
Leitung: Mag. Ulrike Kempter<br />
Abschluss: ECHA-Diplom<br />
Durchführende Institution: PI des Bundes in Oberösterreich<br />
http://www.pi-linz.ac.at<br />
Beginn dieses ECHA-Lehrgangs ist Herbst 2006.<br />
In Salzburg:<br />
> Akademielehrgang: Begabungs- und Begabtenförderung<br />
(schulartenübergreifend)<br />
Dauer: 3 Semester, Leitung: Mag. Dr. Irene Thelen-Schaefer<br />
Abschluss: Akademielehrgangszeugnis<br />
> Durchführende Institution: Pädagogisches Institut des Bundes in<br />
Salzburg, in Kooperation mit dem özbf<br />
http://www.pi.salzburg.at<br />
Dieser Lehrgang hat im Wintersemester 2005/06 begonnen.<br />
In der Steiermark:<br />
> Akademielehrgang: Begabten- und Begabungsförderung<br />
(schulartenübergreifend)<br />
Dauer: 4 Semester, Leitung: Mag. Dr. Helene Rucker<br />
Abschluss: Zertifikat: Diplomierte/r Berater/in für Begabten- und<br />
Begabungsförderung, Durchführende Institution:<br />
Pädagogisches Institut des Bundes in Steiermark<br />
http://www.pi-stmk.ac.at<br />
Dieser Lehrgang läuft derzeit im 2.Durchgang und befindet sich im WS<br />
2005/06 im 3.Semester.<br />
><br />
Akademielehrgang: Begabungsförderung u. Potenzialentwicklung<br />
Dauer: 3 Semester,<br />
Leitung: Mag. Andrea Holzinger und Mag. Ruth Földy<br />
Abschluss: Zeugnis über den Akademielehrgang mit Diplomierungshinweis,<br />
Durchführende Institution:<br />
Pädagogische Akademie des Bundes in Steiermark<br />
http://www.phgraz.at/<br />
Dieser Lehrgang wird im WS 2005/06 zum ersten Mal durchgeführt.<br />
In Tirol:<br />
> Akademielehrgang: Begabten- und Begabungsförderung -<br />
ECHA-Diplom<br />
Pädagoginnen/Pädagogen an Kindergärten und Volksschulen aus<br />
Tirol und Vorarlberg<br />
Dauer: 4 Semester<br />
Leitung: Drs. Clara Theurl-Weiler<br />
Abschluss: ECHA-Diplom<br />
Durchführende Institution: Pädagogisches Institut des Landes Tirol<br />
www.pi-tirol.at<br />
Dieser Lehrgang hat im April 2005 begonnen.<br />
Ein Kooperationsprojekt mit der Pädagogischen Akademie der Diözese<br />
Innsbruck in Stams wurde aufgrund der geringen Anmeldezahl von<br />
Studierenden noch nicht gestartet.<br />
newsletter12 . 01.2006 . 28
07 Bundesländernews<br />
In Vorarlberg:<br />
> Siehe Tirol. Es finden keine weiteren Akademielehrgänge statt.<br />
Im Burgenland:<br />
> Derzeit keine Akademielehrgänge. Bei Bedarf besteht das Angebot<br />
eines Akademielehrgangs an der Stiftung Pädagogische Akademie<br />
Burgenland.<br />
In Wien:<br />
> Akademielehrgang: Begabungsförderung (APS Lehrer/innen und<br />
Kindergartenpädagoginnen/-pädagogen)<br />
Dauer: 4 Semester, Leitung: Gabriele Malin M.Ed.<br />
Abschluss: Zeugnis über den Akademielehrgang<br />
Durchführende Institution: Pädagogisches Institut der Stadt Wien<br />
Dieser zweite Akademielehrgang Begabungsförderung begann im<br />
Wintersemester 2005/06.<br />
><br />
Akademielehrgang ECHA-DIPLOM (schulartenübergreifend)<br />
Dauer: 3 Semester, Leitung: Dr. Elfriede Wegricht<br />
Abschluss: ECHA-Diplom<br />
Durchführende Institution: Pädagog. Institut der Erzdiözese Wien<br />
http://www.phedw.at/_institu/pi/inhalt.htm<br />
Dieser Lehrgang begann im Wintersemester 2005/06.<br />
In der zukünftigen Pädagogischen Hochschule ab Oktober 2007 wird es<br />
Studienangebote in Form von Studiengängen, Hochschullehrgängen und<br />
Lehrgängen geben.<br />
Mag. Linda Huber, özbf<br />
linda.huber@begabtenzentrum.at<br />
07 STEIERMARK:<br />
Eine Variante des Programms<br />
"Schüler/innen an die Unis"<br />
Da ich eine Fachbereichsarbeit über einen<br />
Teil der Weltraumphysik schreibe, ermöglichte<br />
mir meine Physikprofessorin<br />
ein Informationsgespräch im Forschungszentrum<br />
in Graz/St.Peter. Dies diente<br />
hauptsächlich zur Themenfindung mit dem<br />
Ergebnis: "Cassini/Huygens im Saturnsystem".<br />
Im Laufe des Gesprächs bot mir<br />
der Leiter der Abteilung für "Physik des erdnahen Weltraums" an, ein<br />
Ferialpraktikum unter seiner Betreuung zu absolvieren.<br />
Nach einer kurzen Überlegensphase, da ein Teil meiner Ferienzeit davon<br />
betroffen war, nahm ich dieses Angebot gerne an. Der vierwöchige<br />
Aufenthalt gestaltete sich folgendermaßen: Einen Teil der Arbeitszeit<br />
(40-Stunden-Woche) verbrachte ich damit, Aufgaben für das Institut<br />
durchzuführen, wie z.B. die elektronische Datenerfassung und Kategorisierung<br />
von fachspezifischen Artikeln. Den anderen Teil der Zeit konnte<br />
ich für Studien und das Schreiben meiner Fachbereichsarbeit verwenden.<br />
Dabei wurde ich in ein mir bis dahin unbekanntes Computertextprogramm<br />
namens "Latex" eingeführt, das für die Abfassung von<br />
technischen und naturwissenschaftlichen Arbeiten eine unbedingte<br />
Notwendigkeit ist.<br />
Mein Themengebiet für die Fachbereichsarbeit setzt gute Englischkenntnisse<br />
voraus, da der Großteil der Fachliteratur in englischer Sprache verfasst<br />
ist. Diese für mich teilweise noch unbekannte Fachsprache stellte<br />
eine wirkliche Herausforderung dar.<br />
In allen Bereichen, ob bei computertechnischen Problemen oder Verständnisfragen,<br />
die mein Vorwissen aus dem Schulunterricht überstiegen,<br />
halfen mir sowohl der Leiter der Abteilung als auch mein Bürokollege,<br />
der sich als idealer Nachhilfelehrer in allen Bereichen der Physik<br />
und der EDV herausstellte. Er nahm sich sogar die Zeit, mit mir zur<br />
Astrophysik-Bibliothek auf die Karl-Franzens-Universität Graz zu fahren.<br />
Ein großer Dank an alle für die Bemühungen!<br />
Im Nachhinein betrachtet war meine "kleine Exkursion in den<br />
Weltraum" auf jeden Fall eine interessante und lehrreiche<br />
Erfahrung, die mein Physikwissen erweiterte und mir das zukünftige<br />
Berufsleben näher brachte.<br />
Gerald Gradwohl<br />
geraldgradwohl@gmx.at<br />
Gradwohl<br />
Um bei begabten und an bestimmten Themen sehr interessierten<br />
Schülern und Schülerinnen eine frühzeitige Begeisterung für die<br />
Wissenschaft und Forschung zu wecken, ist es in Graz gelungen,<br />
Jugendlichen die Möglichkeit zur Ferialpraxis an Universitäten und<br />
Forschungseinrichtungen zu bieten. Über seine gelungene Ferialpraxis<br />
berichtet ein Schüler Folgendes:<br />
Mein Ferialpraktikum am Institut für Weltraumforschung in Graz<br />
"Interesse mit Arbeit zu verbinden ist immer eine gute Sache!"<br />
Ich bin ein Schüler der 8-A-Klasse des BG/BORG Graz-Liebenau und hatte<br />
das Glück, diese Erfahrung machen zu dürfen, nämlich bei einem<br />
Praktikum am Weltraumforschungsinstitut in Graz.<br />
Sowohl die Technische Universität Graz, die Karl-Franzens-Universität<br />
Graz, die Montan Universität Leoben als auch das Institut für Weltraumforschung<br />
der ÖAW in Graz bieten weiterhin ihre Unterstützung im<br />
Rahmen des Programms "Schüler/innen an die Unis" an, das während<br />
des Schuljahres in Form von Lehrveranstaltungen bzw. in den Sommerferien<br />
durch Ferialpraktika umgesetzt werden kann. Für Anfragen und<br />
Kontakte zu den einzelnen Instituten stehe ich gerne zur Verfügung:<br />
www.lsr-stmk.gv.at (>Service >Begabtenförderung)<br />
http://echa05.uni-graz.at<br />
Mag. Dr. Helene Rucker<br />
helene.rucker@lsr-stmk.gv.at<br />
helene.rucker@pi-stmk.ac.at<br />
29
07 KÄRNTEN:<br />
"FUTURE-KIDS SOMMER-<br />
CAMP 2005"<br />
Mit Wissen und Kreativität<br />
die Zukunft gestalten"<br />
In der Zeit von 04.12. bis 07.12.2005 besuchte eine Delegation aus<br />
dem deutschen Bundesland Hessen das özbf. Herr MinRat Walter<br />
DIEHL vom Hessischen Kultusministerium und Frau Dipl.-Ing. Gudrun<br />
ZEISSLER von der Kinder- und Jungendakademie Südhessen berichteten<br />
über eine Vielzahl von Aktivitäten, die in Hessen seit dem Jahre<br />
1999 durchgeführt worden sind. Insbesondere die Verleihung von<br />
Gütesiegeln für Schulen mit einem qualitätsvollen Förderprogramm<br />
für hoch Begabte standen dabei im Mittelpunkt.<br />
Folgende Kooperationsmöglichkeiten und Projekte wurden angedacht:<br />
a) zwischen dem Hessischen Kultusministerium und dem özbf:<br />
> Kooperation im Bereich Fortbildung (v.a. Lehrer/innen, Schulpsychologinnen<br />
und -psychologen)<br />
> Kooperation über die Internet-Datenbank “Best Practice”<br />
> Zusammenarbeit im Bereich Schulentwicklung und Evaluation<br />
von Fördermaßnahmen<br />
> Gemeinsame Kooperation mit Litauen<br />
b) zwischen der Kinder- und Jugendakademie Südhessen (KJAS)<br />
und dem özbf:<br />
> Kooperation im Bereich Lehrer/innen-Fortbildung: KJAS, Donau-<br />
Universität Krems, Pädagogisches Institut Salzburg und özbf<br />
> Zusammenarbeit zwischen özbf und KJAS im Bereich außerschulischer<br />
Förderprogramme (z.B. Studientag, internationale<br />
Sommerakademie, e-learning).<br />
Wir bedanken uns herzlich für den Besuch sowie für die konstruktive<br />
und gewinnbringende Zusammenarbeit!<br />
Informationen über Hessen unter<br />
www.kultusministerium.hessen.de<br />
Dipl.-Ing. Gudrun Zeissler und MinRat Walter Diel<br />
Informationen über die Kinderund<br />
Jugendakademie Südhessen unter<br />
http://grundschule.bildung.hessen.de/Paedagogik/Begabung/begabung_kja<br />
Mag. Dr. Waltraud Rosner<br />
waltraud.rosner@begabtenzentrum.at<br />
Was gibt es in Kärnten im Bereich der Begabungsförderung Neues?<br />
Das Sommercamp 2005 - Future-Kids "Mit Wissen und Kreativität die<br />
Zukunft gestalten" fand heuer erstmalig in Kärnten in der Zeit von 5. bis<br />
8. September 2005 in Cap Wörth/Velden statt. Organisiert wurde die<br />
Veranstaltung vom Verein INIZIA in Kooperation mit dem Landesschulrat<br />
für Kärnten und dem Pädagogischen Institut des Bundes in Kärnten.<br />
Begabte und interessierte Schülerinnen und Schüler aus zahlreichen<br />
Kärntner Hauptschulen und Gymnasien nahmen an den Kursen teil, um<br />
gemeinsam Neues zu lernen, zu erforschen und zu entdecken. Ein Teil<br />
des Kursangebots konzentrierte sich auf Naturwissenschaften. Als<br />
gleichwertige Ergänzung verfolgten die anderen Kursangebote das<br />
Ziel einer an Kunst (Literatur, Radio und Fotografie) orientierten<br />
Kreativitätsförderung.<br />
KURS BIOLOGIE - Mit Ameisenaugen unterwegs<br />
Die Erkundung der Pflanzen- und Tierwelt an den Ufern des Wörthersees<br />
geschah unter Anleitung der Biologin Mag. Carmen Hebein. Im Rahmen<br />
einer Abendexkursion wurden zum Beispiel Fledermäuse beobachtet.<br />
Das vielfältige Programm zur experimentellen Erkundung der Fauna und<br />
Flora wurde durch einen Mikroskopierkurs abgerundet.<br />
KURS PHYSIK - Elektronik Workshop<br />
Den Geruch von Lötzinn erlebten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im<br />
Elektronikkurs, den Dipl.-Päd. Ing. Bernhard Wurnitsch leitete. Über die<br />
Grundlagen eines Elektronikkurses hinaus wurden in diesem Teil des<br />
Sommercamps elektronisch sich selbst steuernde Maschinen konstruiert.<br />
KURS INFORMATIK - Sprung in die Tiefe<br />
Professionelles Arbeiten mit einem Betriebssystem<br />
Ins Innenleben eines Computers und in die Bedeutung der Programme,<br />
die ihn steuern, führte der Informatikkurs, den Dipl.-Päd. Ing. Burkhard<br />
Grabner leitete. Wie ist ein Computernetzwerk organisiert, welches<br />
Betriebssystem verwenden wir und vor allem, wie greifen Hardware und<br />
Software ineinander? Dies waren nur einige der Fragen, die in diesem<br />
Kurs von den Lernenden mit großem Engagement an praktischen Beispielen<br />
erörtert wurden.<br />
KURS LITERATURWERKSTÄTTE - Spiele mit der Sprache<br />
Unter der sensiblen Anleitung des Schriftstellers Engelbert Obernosterer<br />
und der Theaterpädagogin Brunhild Malle wurden literarische Texte erarbeitet,<br />
verändert und als Rollenspiele erkundet. Es wurden Gedichte<br />
am Ufer des Wörthersees zum Thema “Stille” verfasst und eigene<br />
Theaterstücke entwickelt. Dabei wurde auf die unterschiedlichen Ansprüche<br />
und Sprachverständnisse der jungen Literatinnen und Literaten<br />
Rücksicht genommen.<br />
newsletter12 . 01.2006 . 30
07 Bundesländernews<br />
KURS RADIO UND FOTOGRAFIEKURS: Think LOMO<br />
Hans Marizzi, der bekannte Kärntner Medienpädagoge, führte die<br />
Teilnehmer/innen in die Kunst der Fotografie ein. Ein Ergebnis stellt eine<br />
Lomo-Wall dar, ein Bild, das sich aus zahlreichen einzelnen Fotografien<br />
zusammensetzt. Es wird zukünftig in den Räumen des Landesschulrates<br />
für Kärnten in Klagenfurt zu sehen sein. Zusätzlich zur Fotografie konnten<br />
die Teilnehmer/innen in die Welt des Journalismus schnuppern. Den<br />
Höhepunkt stellte hier die Vorbereitung, Durchführung und Moderation einer<br />
Radiosendung dar, die live gesendet wurde.<br />
Der Kurs " Ich bin so gut wie ich bin" wurde vom Mädchenzentrum in Klagenfurt<br />
angeboten und konnte den Teilnehmerinnen beim Training des<br />
Selbstbewusstseins sowie beim Entdecken und Entwickeln eigener<br />
Fähigkeiten viele neue Kompetenzen vermitteln.<br />
Sport- und Spielangebote mit zahlreichen Angeboten zur Förderung von<br />
Teamfähigkeit und Sozialkompetenz rundeten das Sommercamp-Angebot ab.<br />
Am Donnerstag, dem 8. Sept. 2005, wurden die Kursergebnisse von den<br />
Schülerinnen und Schülern im Rahmen einer Schlusspräsentation dem<br />
zahlreich erschienen Publikum vorgestellt.<br />
Zu den didaktischen und<br />
methodischen Zielsetzungen des Sommercamps 2005:<br />
> Die Kursinhalte waren auf die Interessen und Bedürfnisse der Teilnehmer/<br />
-innen ausgerichtet und boten zahlreiche Entwicklungs- und Denkanregungen.<br />
> Eine lebendige Abwechslung zwischen Lern-, Bewegungs- und Spielphasen<br />
wurde geboten.<br />
> Die Kurse waren als Workshops konzipiert, die sich am Prinzip des entdeckenden<br />
Lernens orientierten. Eigene Fragen der Schüler/innen waren<br />
Startpunkte für nachhaltiges Lernen.<br />
> Die Kursinhalte gingen über den Lehrplan hinaus und förderten das vernetzte<br />
und kreative Denken.<br />
> Weiters wurde effizientes Teamarbeiten erlebbar gemacht, indem Sozialkompetenzen<br />
und Kommunikationsformen durch gemeinsame Aktivitäten<br />
erprobt und entwickelt wurden.<br />
> Freiraum und Gestaltungsvielfalt kennzeichneten die "kunstorientierten"<br />
Angebote und boten komplexe und herausfordernde Möglichkeiten für kreatives<br />
Handeln.<br />
> Bei der Schlusspräsentation der Kursergebnisse erhielten die Schüler/innen<br />
Gelegenheit, eine öffentliche Präsentation gemeinsam vorzubereiten<br />
und zu gestalten.<br />
Die Evaluierung des Sommercamps ergab, dass die Schüler/innen mit dem<br />
Kursangeboten überaus zufrieden waren und sie neben klar definierten eigenen<br />
inhaltlichen Fortschritten auch persönlichkeitsbezogene Entwicklungen<br />
in den Kursgruppen als wertvoll erlebten. Unterstützung, Austausch<br />
im Team und gemeinsames Lernen mit anderen wurde zu einem zentralen<br />
Element der Kursangebote, das von allen Kursleiterinnen und Kursleitern besonders<br />
gefördert wurde.<br />
Mag. Dr. Elvira Sematon<br />
elvira.sematon@aon.at<br />
07 TALENTE-CAMP 2005<br />
Sommerakademie für begabte<br />
und besonders interessierte<br />
Schüler/innen<br />
In Kärnten wurde bereits zum sechsten Mal vom 12. - 16. September<br />
2005 ein Talente-Camp für begabte und besonders interessierte<br />
Schülerinnen und Schüler an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt in<br />
bewährter Kooperation mit dem Landesschulrat für Kärnten und dem<br />
Pädagogischen Institut des Bundes in Klagenfurt durchgeführt. Im<br />
Rahmen dieses Talente-Camps 2005 hatten begabte und besonders interessierte<br />
Schüler/innen der 6., 7. und 8. Klasse der AHS bzw. des II.,<br />
III., IV. und V. Jahrganges der Berufsbildenden Mittleren und Höheren<br />
Schulen (BMHS) die Möglichkeit, in fünf Tagen intensiver, gemeinsamer<br />
Teamarbeit in begabungs- und interessensmäßig homogenen Kursen<br />
eigene Interessen, Neigungen und Fähigkeiten besser zu erkennen,<br />
das vorhandene Wissen zu vertiefen und durch Auseinandersetzung mit<br />
neuen Fachgebieten zu erweitern. Unter Anleitung qualifizierter Fachleute<br />
konnten sie Grundlagen und Methoden des wissenschaftlichen<br />
Arbeitens erleben sowie zum Abschluss die Ergebnisse ihrer Arbeit der<br />
Öffentlichkeit präsentieren.<br />
Die 78 teilnehmenden Schüler/innen (2/3 weiblich, 1/3 männlich) hatten<br />
die Möglichkeit, aus vier Kernbereichen zu wählen:<br />
> Sprachlicher Schwerpunkt mit drei Angeboten: Englisch ("kanata" - A<br />
country in the Making), Französisch (Découvrir Paris) und Latein<br />
(Feste im antiken Rom)<br />
> Naturwissenschaftlicher Schwerpunkt mit drei Angeboten: Biologie<br />
(Welche Rolle spielt der Mensch in der modernen Biologie?), Chemie<br />
(Chemie der Nahrungsmittel) und Physik (Experimente und Modelle)<br />
> Informationstechnischer Schwerpunkt mit zwei Angeboten: Informatik<br />
(Computer und Multimedia) sowie Telematik (Kontaktlose Identifikation<br />
- Fluch oder Segen?)<br />
> Persönlichkeitsbildendes Angebot (am Nachmittag) durch Kommunikationstraining<br />
und Präsentationstechniken<br />
> In den Kursen wurde besonders auf Selbstständigkeit, fachliches Niveau,<br />
kooperative Arbeitsformen und Einübung wissenschaftlicher<br />
Standards Wert gelegt<br />
Schüler/innen, die daran teilnahmen, mussten neben der Anmeldung<br />
auch eine kurze Begründung schreiben, warum sie an dem von ihnen gewählten<br />
Kurs teilnehmen möchten und was sie dazu befähigt. Weiters<br />
war ein Selbstkostenbeitrag in der Höhe von e 40,- (e 50,- bei Besuch<br />
des Zusatzangebots) nach Erhalt der Aufnahmebestätigung einzuzahlen.<br />
Informationen und detaillierte Kursbeschreibungen sind unter<br />
www.pi-klu.ac.at/ahs/talent.html zu finden.<br />
Univ.-Ass. Mag. Dr. Kornelia Tischler<br />
kornelia.tischler@uni-klu.ac.at<br />
31
08 SCHULMODELL<br />
COOL - Cooperative Open Learning<br />
Der hier vorgestellte Schulversuch "COOL- Cooperatives Offenes<br />
Lernen" an der HAK/HAS Steyr wird vom Autorinnenteam/Autorenteam<br />
nicht ausdrücklich mit der Bezeichnung Begabungs- und Begabtenförderung<br />
versehen.<br />
Das Lernkonzept enthält aber grundlegende Motive, die dieser Intention<br />
entsprechen: individuelle Förderung der Jugendlichen, Vermittlung<br />
von Schlüsselqualifikationen, Anregung kreativer Lösungen, Heranführung<br />
zu Selbstorganisation und Eigenverantwortung im Lernvorgang.<br />
Für die Lehrenden bietet Cooperatives Offenes Lernen die Möglichkeit<br />
der Wahrnehmung von Begabungsqualitäten über den Horizont des<br />
Schulwissens hinaus. Die Identifikation von Begabungen durch Lehrer/<br />
-innen kann so besser gelingen.<br />
Der Schulversuch "COOL" ist ein Modell zur Schulentwicklung durch<br />
Begabungsförderung.<br />
Univ.-Prof. Dr. Friedrich Oswald<br />
friedrich.oswald@univie.ac.at<br />
GRUNDZÜGE des selbst gesteuerten Lernens auf reformpädagogischer<br />
Basis (Daltonplan) an der BHAK/BHAS Steyr<br />
"COOL" wird - in derzeit acht Klassen - seit 1996 an der Handelsschule<br />
und seit 2000 auch an der Handelsakademie Steyr mit Erfolg durchgeführt.<br />
Jede Initiative, die Schule verändern will, setzt sich Ziele, die wiederum<br />
einer Evaluation bedürfen. So begann das gesamte Lehrer/innenteam<br />
im Dezember 1997 einen einjährigen Evaluationsprozess in<br />
Zusammenarbeit mit dem Institut für Pädagogik und Psychologie der<br />
Universität Linz. Unter Federführung von Univ.-Prof. Herbert Altrichter,<br />
einem Spezialisten für Aktionsforschung, arbeiteten wir nach dem<br />
Konzept - ‚Lehrer/innen als Forscher/innen' - auf der Basis von<br />
Selbstevaluation mit externer Betreuung.<br />
Die in unserem Schulversuchskonzept festgelegten Zielbereiche wurden<br />
in Einzel- und Gruppenstudien an zwei Schulversuchsklassen und<br />
zwei Kontrollklassen untersucht.<br />
Die Ergebnisse sind im Hinblick auf sozialerzieherische<br />
Ziele sehr ermutigend; die Schüler/innen und Schüler der<br />
"COOL-Klassen" zeigen keinerlei Einbußen in Bezug auf<br />
fachliche Leistungen, jedoch eine deutliche Steigerung im<br />
Bereich der Schlüsselqualifikationen (Selbständigkeit,<br />
Teamfähigkeit, Verantwortlichkeit).<br />
Unser Ziel ist eine Verbesserung der Lernmotivation, die sich unter anderem<br />
an einer verminderten Zahl von Fehlstunden und an der Senkung<br />
von Dropout- und Repetentinnen-/Repetentenraten ablesen lassen soll.<br />
Beides wurde in den Schulversuchsklassen deutlich reduziert, und<br />
zwar sowohl im Vergleich zu den Kontrollklassen als auch im Vergleich<br />
zu den vor Beginn des Schulversuches erhobenen Zahlen.<br />
Freie Arbeitsphasen / Gebundener Unterricht / Stundenplan<br />
Ein zentrales Element des Modells ist die Aufteilung des Unterrichts in<br />
freie Arbeitsphasen (ca. ein Drittel der Unterrichtsstunden) und gebundenen<br />
Unterricht (ca. zwei Drittel). Für diese freien Arbeitsphasen - in<br />
der Folge COOL-Stunden genannt - bekommen die Schüler/innen von den<br />
Fachlehrerinnen/Fachlehrern aus 7 bis 9 verschiedenen Fächern Arbeitsaufträge<br />
(Assignments) in unterschiedlicher Länge (für 2-4 Wochen). Das<br />
Ausmaß der COOL-Stunden pro Fach bzw. die Anzahl der teilnehmenden<br />
Fächer pro Klasse werden zu Beginn des Schuljahres von jeder<br />
Lehrperson selbst festgelegt.<br />
In den COOL-Stunden können die Schüler/innen frei entscheiden, wann<br />
sie welche Assignments erledigen, das bedeutet aber, dass sie lernen<br />
müssen, Arbeit selbständig auch über längere Zeiträume hin einzuteilen,<br />
um die verschiedenen Termine der verschiedenen Fächer einzuhalten.<br />
Die Schüler/innen arbeiten vor allem mit der Methode des entdeckenden<br />
Lernens, unter Zuhilfenahme vorbereiteter Materialien eigenständig<br />
und eigenverantwortlich, auch die Wahl der Sozialform ist meist freigestellt<br />
- alleine, paarweise oder in Gruppen.<br />
Der vorgegebene Stundenplan wird nicht verändert, die COOL-Phasen<br />
werden zu Beginn des Schuljahres vom Lehrer/innenteam festgelegt,<br />
wobei es an 4 Wochentagen je 2-3 COOL-Stunden hintereinander gibt.<br />
Nachmittags- und Randstunden haben sich eher als ‚unproduktiv' erwiesen<br />
und werden nach Möglichkeit vermieden.<br />
newsletter12 . 01.2006 . 32
08 Schulmodell<br />
Die laut Stundenplan anwesende Lehrperson kann jederzeit zur individuellen<br />
Betreuung herangezogen werden, auch wenn die Schülerin/ der<br />
Schüler gerade mit dem Arbeitsauftrag eines anderen Faches beschäftigt<br />
ist. Die Rolle der Lehrkraft besteht nicht im Präsentieren von<br />
Lösungen, sondern in der Hilfestellung beim selbständigen Finden eines<br />
Lösungsweges. Aber auch differenziertes Eingehen auf einzelne -<br />
besonders schwache oder besonders begabte - Schüler/innen ist besonders<br />
gut möglich.<br />
Beurteilung / Lernzielkontrolle<br />
Für die fachliche Beurteilung werden die Leistungen des gebundenen<br />
Unterrichts, Schularbeiten und Tests laut Lehrplan und Leistungen aus<br />
den freien Arbeitsphasen gemeinsam herangezogen. Es ergibt sich eine<br />
wesentlich größere Anzahl von Beurteilungsmöglichkeiten, was besonders<br />
für schwache Schüler/innen einen Vorteil darstellt.<br />
Die Arbeitserträge der COOL-Stunden können auf verschiedene Arten<br />
kontrolliert und nachgewiesen werden: schriftlich, als Referat, als mündliche<br />
Prüfung,… Neben der Beurteilung durch die Lehrer/innen werden<br />
die Schüler/innen auch zur Selbsteinschätzung mittels Reflexionsbögen<br />
und Arbeitsprotokollen - besonders bei Gruppenarbeiten - aufgefordert.<br />
Neben fachlicher Leistung gilt unser besonderes Augenmerk der<br />
Entwicklung der - von der Wirtschaft immer wieder geforderten - dynamischen<br />
Fähigkeiten (Selbständigkeit, Eigenverantwortlichkeit,<br />
Teamfähigkeit). Sie bilden die Grundlage der Bewertungskriterien für<br />
das Arbeits- und Sozialverhalten der Schüler/innen, das mittels eines<br />
Bewertungsbogens (siehe Beilage) einmal pro Semester von den<br />
Schülerinnen und Schülern (Selbstbeurteilung) und den Lehrer/innen<br />
(Fremdbeurteilung) ‚beurteilt' und durch verbale Kommentare ergänzt<br />
wird. Wir wollen damit die kritische Selbsteinschätzung der Schüler/innen<br />
anregen und ihre Eigenverantwortlichkeit fördern.<br />
Die dargestellten Rahmenbedingungen sind eine ideale Basis für fächerübergreifendes<br />
Arbeiten, das ja viel Lehrer/innenkoordination erfordert.<br />
Dabei soll praktisches Tun (learning by doing) und Kooperation mit außerschulischen<br />
Einrichtungen und Personen in allen Unterrichtsphasen,<br />
nicht wie sonst üblich nur im Rahmen von Projektunterricht, eine zentrale<br />
Rolle einnehmen.<br />
Cooperative Open Learning fördert dynamische Fähigkeiten<br />
Die Erziehung zum selbständigen, eigenverantwortlichen Handeln wird<br />
durch Arbeitsaufträge und die Bewertung des Arbeits- und Sozialverhaltens<br />
und der ständigen Aufforderung zur Selbstbeurteilung begleitet.<br />
Die Analyse der Veränderungen hinsichtlich der Übereinstimmungen<br />
von Lehrer/innenurteil und Schüler/innenselbsteinschätzung zeigt,<br />
dass bei allen drei Kriterien (Selbständigkeit, Kooperationsbereitschaft,<br />
Verantwortlichkeit) deutliche Verbesserungen hin zu einer realistischen<br />
Selbsteinschätzung eingetreten sind.<br />
Im Umgang mit Arbeitsaufträgen erweist sich, dass Fähigkeiten - wie<br />
richtige Zeiteinteilung - einem Lernprozess unterliegen, der mit dieser<br />
Unterrichtsform erfolgreich trainiert werden kann. Auch hat sich gezeigt,<br />
dass Schüler/innen sehr bald in der Lage sind, ihre Schwächen im<br />
Arbeitsverhalten richtig einzuschätzen und Veränderungen einzuleiten.<br />
Die Reflexion von Arbeitsergebnissen mittels Fragebogen oder Gespräch<br />
ist dabei ein wichtiges Instrument. Die Chance, durch Überarbeitung eines<br />
Auftrages das Ergebnis zu verbessern, wird erst allmählich erkannt<br />
und soll daher ständig angeboten werden. Durch vermehrten, selbständigen<br />
Umgang mit Texten als Basismaterial von Arbeitsaufträgen wird<br />
die Kulturtechnik des Lesens fächerübergreifend gefördert.<br />
Cooperative Open Learning<br />
bewirkt eine neue Qualität des Lehrer/innen-Seins<br />
Die Mitarbeit an diesem Unterrichtsmodell erfordert - besonders zu<br />
Beginn - im Vergleich zum Regelunterricht einen erhöhten Arbeitsaufwand.<br />
Die Lehrer/innenrolle verändert sich in den COOL-Stunden ganz grundlegend,<br />
und zwar vom "Alleinunterhalter" hin zur Beraterin/zum Berater,<br />
zur Moderatorin/zum Moderator und zum Coach.<br />
Das Arbeiten im Team ist ebenfalls eine neue Qualität des Lehrer/in-<br />
Seins: Mehr Offenheit und Kooperationsbereitschaft unter den teilnehmenden<br />
Kolleginnen und Kollegen führt zu mehr Sicherheit und<br />
Zufriedenheit. Bei Schwierigkeiten und Frustrationen hinsichtlich der<br />
Erwartungen erweist sich ein Lehrer/innenteam als äußerst hilfreich.<br />
Das Interesse der Öffentlichkeit und anderer berufsbildender Schulen<br />
an unserem Weg ist sehr hoch und bestärkt uns, unsere Arbeit fortzusetzen<br />
und das Modell weiterzuentwickeln.<br />
Kontakt und ©: Impulszentrum für Cooperatives Offenes Lernen,<br />
L.Werndl Straße 7, 4400 Steyr<br />
http://cool.schule.at<br />
Literatur:<br />
> Altrichter, H./Posch, P. (1998/3): Lehrer erforschen ihren Unterricht. Eine<br />
Einführung in die Methoden der Aktionsforschung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt<br />
> Altrichter, H. / Neuhauser, G. / Salzgeber, G. / Wittwer, H. (2004): Forschendes<br />
Lernen in einem Lehrgang zum kooperativen Lernen. In: Rahm, S., Schratz, M.<br />
(Hg., 2004): LehrerInnenforschung. Theorie braucht Praxis. Braucht Praxis<br />
Theorie? Innsbruck: StudienVerlag<br />
> Neuhauser; G. (2002): Selbstgesteuertes Lernen auf reformpädagogischer<br />
Basis. In ÖZB, 3-01/02, 20.Jahrgang, Wien<br />
> Neuhauser, G./ Wittwer, H. (2002): Das COOL-Projekt. In: Eichelberger H. (Hg.,<br />
2002): Eine Einführung in die Daltonplan-Pädagogik. Innsbruck: StudienVerlag<br />
> Neuhauser; G. (2005): Soziales Lernen ist COOL. In: Erziehung und Unterricht,<br />
3-4/2005. Wien: ÖBV<br />
> Neuhauser, G./Wittwer, H. (Hg. 1999): Evaluationsbericht zum Schulversuch<br />
"Differenziertes Lernen als Integrationsfaktor" an der BHAS Steyr<br />
> Eichelberger, H. (Hg., 2002): Eine Einführung in die Daltonplan-Pädagogik.<br />
Innsbruck<br />
> Popp, S. (1999): Der Daltonplan in Theorie und Praxis. Ein aktuelles reformpädagogisches<br />
Modell zur Förderung selbstständigen Lernens in der<br />
Sekundarstufe, Innsbruck, 2.Auflage 1999<br />
Mag. Georg Neuhauser, Mag. Helga Wittwer<br />
georg.neuhauser@hak-steyr.eduhi.at<br />
helga.wittwer@hak-steyr.eduhi.at<br />
33
09 REZENSION<br />
Kreativität. Herausforderung für Schule,<br />
Wissenschaft und Gesellschaft<br />
Klaus K. Urban (2004). Kreativität. Herausforderung für Schule,<br />
Wissenschaft und Gesellschaft (= Hochbegabte: Individuum -<br />
Schule - Gesellschaft, Band 7). Münster: LIT Verlag. 208 Seiten.<br />
Brochiert. ISBN 3-8258-8244-6. 19,90 Euro.<br />
Das Buch von Klaus Urban stellt eine Sammlung von 10 Beiträgen zu<br />
theoretischen Überlegungen, empirischen Befunden sowie Praxisempfehlungen<br />
zu Kreativität und Kreativitätsförderung dar, die der<br />
Verfasser in den vergangenen 15 Jahren in Form von Buch- oder Zeitschriftenbeiträgen,<br />
Vorträgen oder als Forschungsberichte (also “graue<br />
Literatur”) interessierten LeserInnen/Lesern und Zuhörerinnen/Zuhörern<br />
kommunizierte. Die einzelnen Beiträge in dem Buch sind sinnvoll angeordnet,<br />
so dass sich durchaus ein roter Faden abzeichnet. Dennoch sollte<br />
man an den Band nicht mit den Erwartungen an eine Monographie<br />
herangehen bzw. ein Buch gewissermaßen "aus einem Guss" erwarten.<br />
Insbesondere sind natürlich breite Überlappungen bei einer Aufsatzbzw.<br />
Vortragssammlung ein und desselben Autors nicht zu vermeiden.<br />
Im ersten Kapitel, das mit "Trends in Kreativitätsforschung und -theorie<br />
in Westeuropa (1988)" überschrieben ist, wertet der Verfasser unter<br />
anderem Artikel über Kreativität in Zeitschriften unterschiedlicher<br />
europäischer Länder aus. Dabei berücksichtigte er Publikationen aus den<br />
Jahren 1977 und bis 1988. Die darin beschrieben "neueren Trends" sind<br />
aus heutiger Sicht allerdings eher Klassiker, manches ist auch im Laufe<br />
der Jahre in Vergessenheit geraten, was beim Rezensenten im Rückblick<br />
durchaus Nostalgiegefühle auslöste. Im zweiten (theoretischen) Kapitel<br />
über "Aspekte und Konzepte in der Kreativitätsforschung" stellt Urban<br />
sein Komponentenmodell der Kreativität dar, in das er Denkfähigkeiten,<br />
Persönlichkeits- und motivationale Merkmale integriert und in dem er<br />
Kreativität in engem Zusammenhang mit Problemlösen definiert.<br />
Das dritte Kapitel "Kreativität in der Schule: Vom Störfaktor zum<br />
Unterrichtsziel" ist stärker pädagogisch denn psychologisch ausgerichtet.<br />
Es wird unter anderem analysiert, welche Rolle die Kreativität in<br />
verschiedenen anthropologischen und pädagogischen Entwürfen spielt.<br />
Die am Ende aufgelisteten 25 Anregungen zur Kreativitätsförderung sind<br />
nach wie vor für Lehrkräfte durchaus anregend. Im vierten Beitrag<br />
"Kreativität und Schule - Kreativität (ver)schulen?" werden ähnliche<br />
Gedanken wie in den Kapiteln zuvor aufgegriffen u.ä. Theorien dargestellt,<br />
zum Beispiel das Komponentenmodell aus dem zweiten Kapitel,<br />
gegenüber dem Praxis bezogenen Ausführungen des dritten Kapitels findet<br />
hier eine Vertiefung statt.<br />
Es folgt ein diagnostischer Block, wobei auf ein knappes Handbuchkapitel<br />
zu Kreativitätstests ein Vortrag über Kreativitätsdiagnostik<br />
folgt. Hier liegt der Schwerpunkt auf klassischen Testaufgaben, bei denen<br />
Kreativitätsmerkmale wie Flexibilität, Flüssigkeit und Originalität<br />
der Ideen, weniger aber kreative Problemlösekompetenzen<br />
besprochen werden.<br />
Anschließend wird der "Test zum schöpferischen<br />
Denken - zeichnerisch (TZSD-Z)",<br />
den Urban zusammen mit dem leider früh<br />
verstorbenen Hans Jellen entwickelt hat,<br />
vorgestellt. Genau wie im folgenden achten Kapitel werden neben der<br />
Entwicklung des Tests auch Ergebnisse aus empirischen Untersuchungen<br />
berichtet, wobei man noch einmal nachlesen kann, auf welchen<br />
Daten die Interpretation des Verfassers zum Kreativitätseinbruch zu<br />
Beginn der Grundschule beruhten.<br />
Im vorletzten Kapitel berichtet der Verfasser über eine Befragung bei<br />
Kindern und Jugendlichen zum kreativen Schreiben, während sich das<br />
letzte Kapitel hoch begabten Kindern widmet. Hier kreiert Urban den<br />
Begriff "Verantwortliche Kreatelligenz ®". Damit soll die Wichtigkeit<br />
kreativer Problemlösungen in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen<br />
(inkl. sozialem Bereich) und die enge Verbindung von<br />
Kreativität und Intelligenz hervorgehoben werden.<br />
Sicherlich ist es durchaus begrüßenswert, einen Sammelband mit<br />
nicht oder schwer erhältlichen Artikeln oder Vorträgen zusammenzustellen,<br />
mit denen die Entwicklung eines wissenschaftlichen Konzepts nachgezeichnet<br />
werden kann, umso mehr, wenn die Arbeiten auch diagnostische<br />
und praktische Implikationen aufweisen. Schön wäre es allerdings<br />
gewesen, wenn der Band neben einer gemeinsamen, evtl. aktualisierten<br />
und vielleicht auch zumindest teilweise kommentierten Literaturliste<br />
ein Personen- und Stichwortregister enthalten hätte. Dies würde die gezielte<br />
Suche nach bestimmten Begriffen oder Befunden gerade in einem<br />
Sammelband wie dem vorliegenden doch sehr erleichtern und hätte sich<br />
gegenüber einer einfachen Sammlung von Aufsätzen und Vorträgen<br />
wohltuend abgehoben. Die Aufsatz- und Vortragssammlung hätte gewissermaßen<br />
einen deutlichen Mehrwert insbesondere für die Aus- und<br />
Fortbildung von Lehrkräften zu Fragen der Hochbegabung und Kreativität<br />
enthalten. Auch wäre es sinnvoll gewesen, den einen oder anderen Titel<br />
beziehungsweise einzelne Zwischenüberschriften zu modifizieren (beispielsweise<br />
gleich die des ersten Kapitels) und gegebenenfalls in<br />
Fußnoten Hinweise auf neuere Entwicklungen einzufügen. Dennoch erscheint<br />
der Band von Klaus Urban besonders für die Aus- und Fortbildung<br />
von Lehrkräften geeignet, nicht zuletzt weil Kreativität im Zusammenhang<br />
mit Hochbegabung zwar viel diskutiert wird, aber wenig solide<br />
Literatur diesbezüglich vorliegt.<br />
Prof. Dr. Christoph Perleth<br />
christoph.perleth@philfak.uni-rostock.de<br />
newsletter12 . 01.2006 . 34
BEYOND STANDARDS<br />
Paving the way for the gifted from<br />
early childhood to higher education<br />
Frühe Förderung und Schule<br />
International Conference<br />
Monday, February 6, 2006 until Wednesday, February 8, 2006<br />
Evangelische Akademie Bad Boll<br />
Ein Auszug der international beachtlichen Rednerliste von ca. 50 Präsentationen .............................................................................<br />
Prof. Dr. Albert ZIEGLER (Universität Ulm)<br />
Prof. Larisa V. SHAVININA (Université du Québec)<br />
Prof. Dr. Olaf KÖLLER (Humboldt University Berlin)<br />
Prof. SHI Jiannong (Chinese Academy of Sciences, Beijing)<br />
Dr. KIM Myoung Hwan (Korean Institute for the Science of Giftedness)<br />
Dr. Taisir SUBHI A. A. Mahmoud YAMIN (Arabian Gulf University)<br />
Prof. Dr. Den-Mo TSAI (The President of the WCGTC, Taiwan)<br />
Prof. Dr. Christoph PERLETH (Universität Rostock)<br />
Prof. Dr. Ernst HANY (Universität Erfurt)<br />
Prof. Kurt A. HELLER (Zentrum f. Begabtenförderung, München)<br />
Prof. Kirsi TIRRI (Universität Helsinki)<br />
PhD, Maria McCANN (The School of Education, Adelaide, Australia)<br />
Camilla BENBOW (John Hopkins University Baltimore)<br />
Prof. Dr. Elsbeth STERN (Max-Planck-Insitut für Bildungsforschung, Berlin)<br />
Prof. Dr. Marcus HASSELHORN (Universität Göttingen)<br />
Univ.-Prof. Dr. phil. Detlef H. ROST (Philipps-Universität Marburg)<br />
Prof. K. Anders ERICSSON (Florida State University)<br />
Prof. Judy LUPART (University of Alberta)<br />
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