Fein gedruckt - Feinste Photographien
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Fein gedruckt - Feinste Photographien
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d i g i t !<br />
D A S P R O F I - M A G A Z I N F Ü R D I G I T A L E B I L D E R 3 - 2 0 0 9<br />
Fokus<br />
<strong>Fein</strong> <strong>gedruckt</strong><br />
Markt Fine-Art-Printing zwischen Kunst und Kommerz<br />
Portfolio Martin Blume – Stille Bilder sind tief<br />
Technik Fine-Art-Printing von der Aufnahme bis zum Druck<br />
Know-how Wie lange halten <strong>gedruckt</strong>e Bilder der Zeit stand?<br />
Know-how Fotobücher in Eigenproduktion<br />
Workshop Highend-Imaging (1): Die Bildaufnahme<br />
Ausgabe 3-2009, Juni/Juli, Einzelpreis 5,- Euro<br />
Klie Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 1348, 34333 Hann. Münden
p o r t f o l i o<br />
Wasigenstein, 2007<br />
Stille Bilder sind tief<br />
8 x10 Inch, Zonensystem, Barytpapier: In einer Welt der Handy-Schnellschüsse und des kunterbunten<br />
Stockbild-Einerleis nehmen sich die wohlkomponierten und sorgfältig ausgearbeiteten<br />
Seelenlandschaften von Martin Blume aus wie Exponate in einem Naturkundemuseum.<br />
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p o r t f o l i o<br />
Der Fotokünstler und Diplom-Psychologe Martin Blume<br />
glaubt fest an eine Renaissance der Großformatfotografie<br />
– nicht zuletzt dank moderner Inkjet-Verfahren. Im Gespräch<br />
schwärmt er vom plastischen Potenzial des Schwarzweißen,<br />
von „Psychographien“ und von der kreativen Kraft des<br />
Zufalls.<br />
Die visuellen Produkte, die uns täglich begegnen, sind in der Regel<br />
eins: augenbetäubend. Farben kreischen, Formen explodieren,<br />
Worte werden Bilder, aber die Bilder sprechen nicht, sie<br />
schreien. Eine Glotzkulisse, angesichts derer jeder Bildschaffende,<br />
will er nicht übersehen werden, eben noch etwas lauter schreit.<br />
Das Erstaunliche ist: Dieses Rezept funktioniert immer noch, trotz<br />
seiner inflationären Entwertung.<br />
Auf der anderen Seite gibt es immer noch Kreative, die sich dem<br />
visuellen Crescendo zu entziehen versuchen. Die auf feine Töne<br />
statt auf fanfarenhafte Looks setzen. Einfach ist das nicht, eher<br />
ein bisschen so, als wollte man inmitten eines Techno-Raves auf<br />
die Obertöne einer Harfe aufmerksam machen. Man braucht<br />
gute visuelle Argumente. Und ein Publikum, das über entsprechende<br />
Sensoren verfügt. Bildliebhaber, die visuelle Geschmacksverstärker<br />
und kulturidentische Inhaltsstoffe als solche<br />
erkennen und verschmähen. Visuelle Homöopathen, die laute Bilder<br />
per se für seicht und stille für tief halten. Nuancensuchende,<br />
deren Augen umso mehr leuchten, je feiner die Abstufungen ausgeprägt<br />
sind. Auch sie gibt es immer noch. Sonst hätte ein Mann<br />
wie Martin Blume mit seiner Fotografie keine Chance am Markt.<br />
Blume ist überzeugter „Fine Artist“ – und das nicht erst, seitdem<br />
der Begriff durch die Inkjet-Technologie hoffähig wurde. „<strong>Fein</strong>ste<br />
<strong>Photographien</strong>“ hat er sein Unternehmen und seinen ersten<br />
Bildband aus dem Jahr 1993 genannt.<br />
Es geht darum, die letzten Details herauszukitzeln, den maximalen<br />
Tonwertumfang, den letzten Grauwert. Blumes Werkzeuge:<br />
Eine 8 x 10-Inch-Kamera der Marke Toyo 810M, Highend-Objektive<br />
von Schneider-Kreuznach, ein selbstentworfener und eigenhändig<br />
gebauter Großformat-Vergrößerer mit Namen „Landauer<br />
II“, edle Barytpapiere. Die Zutaten: Viel Zeit, Erfahrung, aber<br />
auch Intuition. Oft, sagt er, umkreise er sein Motiv eine Stunde<br />
lang auf der Suche nach dem endgültigen Standpunkt, um<br />
schließlich wieder zurückzukehren an den Ort, den er ganz am<br />
Anfang aus dem Bauch heraus gewählt hatte.<br />
Las Rose, 1988<br />
ist die Suche nach Wertigkeit, die ihn umtreibt. Ein Selbstzweck<br />
ist diese Suche aber nicht. „Entweder ein Bild erzählt etwas oder<br />
es erzählt nichts“, sagt der Mann aus der Pfalz.<br />
Und in noch etwas unterscheidet sich Blume definitiv von den<br />
Mehrzahl der kontrollsüchtigen Fine-Art-Puristen: dem Faktor<br />
Zufall. Blume schließt ihn bewusst nicht aus, ja er sucht ihn geradezu.<br />
Auch deshalb fotografiert er vorzugsweise analog: Die riesige<br />
Mattscheibe ist für das Komponieren wie geschaffen. Aber<br />
weil die direkte Kontrollmöglichkeit über den Monitor entfällt,<br />
hat das Ungeplante eine Chance: „Vieles von dem, was nachher<br />
in meinen Bildern auftaucht, habe ich unterbewusst gesehen, sozusagen<br />
unterhalb der kognitiven Wahrnehmungsschwelle,“<br />
sagt der studierte Psychologe, der während seines Studiums zur<br />
Fotografie kam. „Oft sehe ich diese Details, die dem Bild den entscheidenden<br />
Dreh geben, erst, wenn das Bild im Entwickler liegt.“<br />
Dem Zufall eine Chance<br />
Das Universum der Grauton-Nuancen, das ist Blumes Klaviatur.<br />
Die Partitur, nach der er spielt, hört auf den Namen Zonensystem;<br />
jene von Ansel Adams perfektionierte Methode, bei der die über<br />
das Motiv verteilte Lichtmenge in zehn Stufen („Zonen“) eingeteilt<br />
wird, um Tonwertreichtum und Zeichnung zu maximieren.<br />
Für Blume ein willkommenes Werkzeug, kein Dogma. „Einige<br />
denken in Blenden, ich denke in Zonen“, sagt der Fotograf. Es<br />
geht um die maximale Schattendurchzeichnung und eine ausgleichende<br />
Entwicklung auf die Lichter. Das Handwerk ist wichtig,<br />
der Wille, das qualitative Maximum herauszuholen auch.<br />
Aber das ist eben nicht alles. Wenn echte Fine-Art-Fetischisten anfangen,<br />
über Graukeile zu fachsimpeln, klinkt Blume sich aus. Es<br />
Die zehn Gebote, 1991<br />
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p o r t f o l i o<br />
Sommertagtraum, 1997<br />
Im Rhythmus der Entwicklerschale<br />
Selbstverarbeitung – auch das eine entscheidende Größe in der<br />
Methode Blume. „Ich muss die Entwicklerschale bewegen, da<br />
kann ich intuitiv rangehen, den richtigen Rhythmus finden, spontan<br />
entscheiden, ob ich länger oder kürzer entwickle.“ Der Fine-<br />
Art-Fotograf experimentiert mit verschiedenen Negativ-Bearbeitungen,<br />
mit Papieren von fester und kontrastvariabler Gradation,<br />
mit unterschwelliger Vor- und mit Split-Belichtung, verschiedensten<br />
Papier- und Entwicklerkombinationen, mit Tonungs-Techniken.<br />
Stets dabei im Blick: die archivfeste Verarbeitung. Barytpapier<br />
ist für ihn nicht nur in dieser Hinsicht bis heute das<br />
Nonplusultra. „Nominal mögen bestimmte Fine-Art-Inkjetdrucke<br />
inzwischen einen größeren Tonwertumfang als Baryt haben“,<br />
sagt Blume. „Aber: Barytprints haben einfach diese Tiefe, diese<br />
dreidimensionale Anmutung, die man schlecht in Worte fassen<br />
kann, sondern sehen muss. Außerdem lassen sich fotochemische<br />
Abzüge bei Selbstverarbeitung nie zu hundert Prozent identisch<br />
reproduzieren. Anders als bei digitalen Ausgabeverfahren bleibt<br />
damit jeder Abzug ein Original.“<br />
Ein Fortschrittsverächter ist Blume dennoch nicht – im Gegenteil:<br />
Gemeinsam mit dem Inkjet-Experten und „jam fineartprint“-Geschäftsführer<br />
Andreas Jankowski ist er in der „Fine Art Print Special<br />
Interest Group“ engagiert , und er lässt alle Formate jenseits<br />
des Formats 50x60 cm extern produzieren, zuweilen als Lambda-<br />
Laserprint, größtenteils aber als hochwertige Inkjetdrucke. Als so<br />
genannte „Carbographien“, ausgegeben auf Leinwand oder edlen<br />
Papieren – ein Begriff, der einerseits auf die „museale Beständigkeit<br />
carbonhaltiger Tinten“ abhebt, andererseits auf die<br />
Synthese moderner Drucktechniken und klassischer Fotografie.<br />
Dem technisch-qualitativen Begriff der Carbographie steht der inhaltlich-beschreibende<br />
der „Psychographie“ gegenüber, ein von<br />
Blume kreiertes Kofferwort, das die emotionale, intuitive Seite<br />
seiner Aufnahmen verdeutlichen soll. Digitale Manipulationen<br />
findet man in seinen Bildern nicht, wohl aber analoge Verfremdungen.<br />
Zuletzt hat Blume beispielsweise viel mit Infrarotfilm gearbeitet.<br />
Der so genannte Wood-Effekt, der jegliches Blattgrün<br />
strahlend weiß erscheinen lässt, erweitert den bereits im Motiv<br />
angelegten Look um eine psychedelische Dimension.<br />
Das Motiv als letzte Instanz<br />
Der Willkürlichkeit des Infrarotmaterials und der Freude über zufällige<br />
Bildkomponenten steht eine minutiöse Arbeitsweise gegenüber.<br />
Manche Motive, wie der in Auftragsarbeit entstandene<br />
„Mannheimer Wasserturm“ aus der Serie „Nightviews“, nimmt<br />
Blume zwei-, drei-, viermal in Angriff bis alles stimmt: wolkenloser<br />
Himmel, Windstille, die spiegelglatte Oberfläche des Springbrunnens,<br />
ein Maximum an Details und Bildschärfe, der richtige<br />
Schärfentiefenverlauf. Am Ende steht ein einziges Bild. Pars pro<br />
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p o r t f o l i o<br />
toto, das Einzelne als<br />
Sinnbild des großen<br />
Ganzen, das ist Blumes<br />
Prinzip. Das der Fotograf<br />
allerdings über den Haufen<br />
wirft, wenn es das<br />
Motiv verlangt: Als er das<br />
ehemalige Konzentrationslager<br />
„Le Struthof“<br />
im Elsass aufsucht, wird<br />
ihm klar, dass er an diesem<br />
Ort mit seiner gewohnten<br />
Arbeitsweise<br />
scheitern wird.<br />
Blume fertigt Skizzen, erste<br />
Umsetzungen und<br />
entschließt sich am Ende<br />
Gaskammer außen, 1997<br />
seriell zu arbeiten und<br />
die hohe Detailgenauigkeit, die seine Arbeiten für gewöhnlich<br />
auszeichnet, zugunsten einer bewusst herbeigeführten Unschärfe<br />
aufzugeben. Ein grundsätzliches Arbeitsprinzip über den Haufen<br />
werfen: keine leichte, aber an dieser Stelle eine richtige Entscheidung.<br />
„Die Unschärfe erzeugt eine sehr viel größere<br />
Assoziationsbereitschaft“, sagt der Fotograf mit dem psychologischen<br />
Background. „In der Unschärfe entdeckt der Betrachter<br />
seine eigenen Erinnerungen. Erst die Veränderung der Wirklichkeit<br />
schafft Wahrheit.“<br />
Peter Schuffelen<br />
i n t e r v i e w<br />
„Es bleibt ein individueller Prozess“<br />
Fine-Art-Drucker Andreas Jankowsky von jam fineartprint<br />
über die Zusammenarbeit mit Martin Blume,<br />
sowie die Gemeinsamkeiten von analogem und<br />
digitalem Workflow.<br />
Herr Jankowsky, gemeinsam mit traditionell arbeitenden Fotografen<br />
bemühen Sie sich seit Jahren darum, den analogen Fine-<br />
Art-Prozess Eins zu Eins im Inkjetdruckverfahren nachzubilden.<br />
Wo liegen die Herausforderungen?<br />
Zunächst einmal auf der mentalen Ebene. Verständlicherweise<br />
fällt vielen Fotografen ein Umdenken schwer. Schließlich geht es<br />
ohne das Erlernen neuer, computerbasierter Fertigkeiten nicht.<br />
Andererseits bleiben vielen Parallelen zum Dunkelkammerprozess<br />
bestehen, und die mache ich meinen Kunden anhand von<br />
Analogien deutlich.<br />
Wie sehen diese Parallelen aus?<br />
In Analogie zum Dunkelkammerverfahren mit Multigrade-Papieren,<br />
wo die Grundbelichtung mit weißer Lichtfarbe erfolgt<br />
und die <strong>Fein</strong>belichtung der Graustufen Stück für Stück mit dem<br />
Farbmischkopf, habe ich in Photoshop bis zu zehn verschiedene<br />
Ebenen für das Finetuning einzelner Bildbereiche über Masken.<br />
P R O F I L M a r t i n B l u m e<br />
• 1956 in Hersching am Ammersee geboren.<br />
• Lehre als Chemigraph<br />
• Zweiter Bildungsweg, Abitur und Psychologiestudium<br />
• Seit 1995: Freischaffender Fotokünstler<br />
• 1998 Gründung der „Academia Palatina“ zur Förderung der<br />
klassischen Schwarzweißfotografie<br />
• Lebt und arbeitet in Landau und Paris<br />
Publikationen: „<strong>Fein</strong>ste <strong>Photographien</strong>“ (Edition Quadrat, Mannheim<br />
1993), „Die Veränderung der Wirklichkeit schafft Wahrheit<br />
I-XII“ (Edition Quadrat, Mannheim, 1997), „Photographische Novellen“<br />
(Lindemanns Verlag, Stuttgart, 2000), „Vestiges“ (Lindemanns<br />
Verlag, Stuttgart 2005)<br />
Kameras: Linhof Technikardan-S 4 x 5 Inch mit Super-Angulon<br />
5,6/72 XL, Toyo 810M mit Super-Symmar 5,6/150 XL Aspheric bei<br />
Blende 22 1/3<br />
Belichtungstechnik: zonenorientiert („aber undogmatisch“)<br />
Film/Entwicklung: T-Max 400 in D76, HC110, PMC<br />
Prints: Handabzüge im eigenen Labor, vergrößert mit Componon-S<br />
5,6/300 oder Apo-Componon 4/150, auf Barytpapier, Carbographien<br />
(archivfeste und hochwertige Inkjetdrucke auf Fine-<br />
Art-Papieren und Canvas)<br />
www.academia-palatina.de, www.carbographie.de, www.bigart.de<br />
Selbst die Ausgabemedien ähneln einander: Bei dem von Martin<br />
Blume und mir propagierten „Carbographie“-Verfahren kommen<br />
ausschließlich Naturpapiere aus 100 % Hadern ohne optische<br />
Aufheller zum Einsatz.<br />
Wo liegen die Herausforderungen konkret?<br />
Nehmen Sie das Bild „Sommertagtraum“ (S. 14, Anm. d. Red.),<br />
das Blume vom Negativ gescannt und – in der Diskussion mit mir<br />
– digital so weit finalisiert hat, dass es seinen Vorstellungen entsprach.<br />
Die Herausforderung bestand darin, die gesamte Bandbreite<br />
der Nuancen, vom direkten Sonnenlicht, das durch das<br />
Scheunendach fällt bis zum schattenbetonten, aber noch gut<br />
strukturierten Mauerwerks rechts unten, aufs Papier zu bringen.<br />
Bleibt denn bei der Ausgabe noch so viel zu tun?<br />
Auf jeden Fall! Wie bei Handabzügen ist es ein Trial-and-Error-<br />
Prozess: Mittels im Maßstab 1:1 aus<strong>gedruckt</strong>er Probestreifen<br />
nähert man sich dem finalen Ergebnis an. Die Kunst besteht vor<br />
allem darin, den weit größeren Farbraum des Monitors so zu<br />
transformieren, das der Druck am Ende dem Bild entspricht, das<br />
der Fotograf im Kopf hatte. Reine Graukeilmesserei oder Gradationskurvengeschiebe<br />
reicht da nicht. Wie früher beim Abwedeln<br />
oder partiellem Nachbelichten entscheidet man mittels<br />
punktueller Spreizung der Tonwerte mit dem Photoshop-Pinsel,<br />
welche Bildareale wie viel Zeichnung bekommen sollen. Es bleibt<br />
ein individueller Prozess.<br />
d i g i t ! 3 - 0 9<br />
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