Militärpolitik und Streitkräfte der Republik Belarus - DSS
Militärpolitik und Streitkräfte der Republik Belarus - DSS Militärpolitik und Streitkräfte der Republik Belarus - DSS
54 Natürlich gibt es zwischen dem Militärbezirk und den heutigen bewaffneten Kräften gravierende Unterschiede. Die Belarussische Armee ist in erster Linie eine Armee eines souveränen Staates mit den sich hieraus ergebenden Funktionen und Aufgaben. In russischen Militärkreisen spricht man ganz unverblümt davon, dass die belarussische Armee die einzige Armee der Nachfolgestaaten der UdSSR sei, die erfolgreich eine Militärreform durchgeführt hat. Was meinen Sie zum Lob der russischen Kollegen? Generaloberst Malzew: Die Meinung der russischen Kollegen ist für uns sehr wichtig. Denn Russland ist für uns ein strategischer Partner, auch auf militärischem Gebiet. Ich möchte Belarus den anderen Ländern des postsowjetischen Gebiets nicht entgegenstellen, denn wir alle hatten und haben unterschiedliche geopolitische Bedingungen. Doch die genannte Einschätzung der Ergebnisse der Militärreform ist durchaus objektiv. Als die UdSSR zerfiel, hörte man überall zwischen Brest und Wladiwostok die These, dass mit dem Ende des Kalten Krieges auch die Zeit der militärischen Konfrontation, zumindest in Europa, vorbei sei. Was ist vom Traum des „gemeinsamen Hauses Europas“ aus Ihrer Sicht wahr geworden und was erwies sich als Illusion? Generaloberst Malzew: Man sagt gewöhnlich, die Haupterrungenschaft der Beendigung des Kalten Krieges sei, dass die Schwelle der gegenseitig garantierten Vernichtung niedriger geworden sei. Dem kann man zustimmen. Denn auch nach Meinung zahlreicher Militärwissenschaftler hatte die Evolution des Krieges als Mittel der Politik im vergangenen Jahrhundert seine oberste Grenze erreicht. Bedeutet dies aber, dass die Entwicklung des Krieges als gesellschaftspolitische Erscheinung überhaupt ihre letztmögliche Grenzlinie erreicht hat? Leider ist das nicht der Fall. Es ist eine Art Grenze des traditionellen, klassischen Verständnisses der Kategorie „Krieg“ aufgezeigt worden. Allein in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts sind in Kriegen, an denen 90 Staaten beteiligt waren (das sind mehr als am Zweiten Weltkrieg teilgenommen hatten), etwa neun Millionen Menschen umgekommen. Seit dem Ende des früheren Systems von Jalta und Potsdam kann der Frieden nicht mehr in die alten Formen der ökonomischen, politischen und militärischen bipolaren Balancen eingeordnet werden.
55 Und unsere europäischen Staaten müssen jetzt und in Zukunft Systeme der Gewährleistung der Sicherheit schaffen, die den veränderten Bedingungen entsprechen. Das ist eine außerordentlich verantwortungsvolle Aufgabe. Hier muss hervorgehoben werden, dass die Republik Belarus beispielgebend für eine konsequente Friedenspolitik ist. An der Westgrenze der Republik Belarus beginnt NATO-Land. Haben sich die Befürchtungen bewahrheitet, dass sich mit der Osterweiterung der NATO die sicherheitspolitische Situation von Belarus wesentlich verschlechtert? Oder war dies eine Fehlannahme? Generaloberst Malzew: Unser Land, das eine konsequente Friedenspolitik betreibt, vertritt die Ansicht, dass alle Streitfragen und Konfliktsituationen politisch und ausschließlich mit diplomatischen Methoden gelöst werden müssen. Die Republik Belarus hat immer wieder erklärt, dass sie nach der Beendigung des Kalten Krieges und der Selbstauflösung der Organisation des Warschauer Vertrages keine nachvollziehbaren Gründe für eine Ausdehnung der NATO nach Osten sieht. Dennoch ist es zur Ausdehnung der NATO gekommen. In ihren Beziehungen zur NATO geht die Republik Belarus von den allgemein anerkannten Prinzipien des internationalen Rechts aus, so auch von dem Recht eines jeden Staates auf kollektive Verteidigung und auf Beitritt zu Bündnissen auf der Grundlage der Der Autor im Gespräch mit General Malzew. freien Wahl seiner Partner, und sie unterstreicht zugleich, dass dies nicht auf Kosten der Sicherheit anderer, insbesondere nicht auf Kosten der Anliegerländer, gehen darf. Diesen Standpunkt vertritt unser Staat auch in der Frage der Erweiterung des Nordatlantikpaktes. Einen praktischen Schritt zur Gewährleistung ihrer militärischen Sicherheit sieht die Republik Belarus in der Schaffung eines „Gürtels guter Nachbarschaft“.
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Natürlich gibt es zwischen dem Militärbezirk <strong>und</strong> den heutigen bewaffneten Kräften<br />
gravierende Unterschiede.<br />
Die <strong>Belarus</strong>sische Armee ist in erster Linie eine Armee eines souveränen Staates<br />
mit den sich hieraus ergebenden Funktionen <strong>und</strong> Aufgaben.<br />
In russischen Militärkreisen spricht man ganz unverblümt davon, dass die belarussische Armee<br />
die einzige Armee <strong>der</strong> Nachfolgestaaten <strong>der</strong> UdSSR sei, die erfolgreich eine Militärreform durchgeführt<br />
hat. Was meinen Sie zum Lob <strong>der</strong> russischen Kollegen?<br />
Generaloberst Malzew: Die Meinung <strong>der</strong> russischen Kollegen ist für uns sehr<br />
wichtig. Denn Russland ist für uns ein strategischer Partner, auch auf militärischem<br />
Gebiet. Ich möchte <strong>Belarus</strong> den an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n des postsowjetischen<br />
Gebiets nicht entgegenstellen, denn wir alle hatten <strong>und</strong> haben unterschiedliche<br />
geopolitische Bedingungen. Doch die genannte Einschätzung <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>der</strong><br />
Militärreform ist durchaus objektiv.<br />
Als die UdSSR zerfiel, hörte man überall zwischen Brest <strong>und</strong> Wladiwostok die These, dass mit<br />
dem Ende des Kalten Krieges auch die Zeit <strong>der</strong> militärischen Konfrontation, zumindest in Europa,<br />
vorbei sei. Was ist vom Traum des „gemeinsamen Hauses Europas“ aus Ihrer Sicht wahr<br />
geworden <strong>und</strong> was erwies sich als Illusion?<br />
Generaloberst Malzew: Man sagt gewöhnlich, die Haupterrungenschaft <strong>der</strong> Beendigung<br />
des Kalten Krieges sei, dass die Schwelle <strong>der</strong> gegenseitig garantierten<br />
Vernichtung niedriger geworden sei. Dem kann man zustimmen. Denn auch nach<br />
Meinung zahlreicher Militärwissenschaftler hatte die Evolution des Krieges als<br />
Mittel <strong>der</strong> Politik im vergangenen Jahrh<strong>und</strong>ert seine oberste Grenze erreicht.<br />
Bedeutet dies aber, dass die Entwicklung des Krieges als gesellschaftspolitische Erscheinung<br />
überhaupt ihre letztmögliche Grenzlinie erreicht hat?<br />
Lei<strong>der</strong> ist das nicht <strong>der</strong> Fall. Es ist eine Art Grenze des traditionellen, klassischen<br />
Verständnisses <strong>der</strong> Kategorie „Krieg“ aufgezeigt worden.<br />
Allein in den neunziger Jahren des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts sind in Kriegen, an denen 90<br />
Staaten beteiligt waren (das sind mehr als am Zweiten Weltkrieg teilgenommen<br />
hatten), etwa neun Millionen Menschen umgekommen.<br />
Seit dem Ende des früheren Systems von Jalta <strong>und</strong> Potsdam kann <strong>der</strong> Frieden<br />
nicht mehr in die alten Formen <strong>der</strong> ökonomischen, politischen <strong>und</strong> militärischen<br />
bipolaren Balancen eingeordnet werden.