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Liebe<br />

aus <strong>Wikipedia</strong>, der freien Enzyklopädie<br />

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Dieser Artikel behandelt Liebe als zwischenmenschliche Beziehung; für den Komponisten und Organisten<br />

mit diesem Namen siehe Christian Liebe.<br />

Liebe (von mhd. liebe „Gutes, Angenehmes, Wertes“) ist im engeren Sinne die Bezeichnung für die<br />

stärkste Zuneigung, die ein Mensch für einen anderen Menschen zu empfinden fähig ist. Analog wird<br />

dieser Begriff auch auf das Verhältnis zu Tieren oder Sachen angewendet. Im weiteren Sinne bezeichnet<br />

Liebe eine ethische Grundhaltung („Nächstenliebe“), oder die Liebe zu sich selbst („Selbstliebe“).<br />

Im ersteren Verständnis ist Liebe ein Gefühl oder mehr noch eine innere Haltung positiver, inniger und<br />

tiefer Verbundenheit zu einer Person, die den reinen Zweck oder Nutzwert einer zwischenmenschlichen<br />

Beziehung übersteigt und sich in der Regel durch eine tätige Zuwendung zum anderen ausdrückt.<br />

Hierbei wird nicht unterschieden, ob es sich um eine tiefe Zuneigung innerhalb eines Familienverbundes<br />

(„Elternliebe“) handelt, um eine enge Geistesverwandtschaft („Freundesliebe“) oder ein körperliches<br />

Begehren („geschlechtliche Liebe“). Auch wenn letzteres eng mit Sexualität verbunden ist, bedingt<br />

sich auch in letzterem Falle beides nicht zwingend (z. B. sog. „platonische Liebe“).<br />

Der Pelikan, der sich seine Brust aufreißt, um seine Jungen mit seinem Blut zu füttern, ist ein altes<br />

Sinnbild der aufopfernden Liebe.<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

[Verbergen]<br />

• 1 Begriffliches<br />

• 2 Liebe als intersubjektive Anerkennung<br />

• 3 Klassifizierungen


3.1 Liebesempfindung<br />

3.2 Liebesgefühle<br />

3.3 Liebe als Grundhaltung<br />

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• 4 Art des Liebesobjekts<br />

• 5 Ausdrucksformen<br />

• 6 Wissenschaftliches<br />

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6.1 Biologie und Physiologie<br />

6.1.1 Neurobiologie der Verliebtheit<br />

6.1.2 Evolutionsbiologie der Liebe<br />

6.2 Psychologie und Psychiatrie<br />

6.3 Soziologie<br />

6.3.1 Allgemeines<br />

6.3.2 Systemtheoretische Ansätze<br />

• 7 Sonstige Aspekte<br />

• 8 Siehe auch<br />

• 9 Literatur<br />

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• 10 Weblinks<br />

9.1 Allgemeines<br />

9.2 Philosophie<br />

9.3 Psychologie<br />

9.4 Soziologie<br />

9.5 Belletristik<br />

Begriffliches<br />

Ausgehend von dieser ersten Bedeutung wurde der Begriff in der Umgangssprache und in der Tradition<br />

schon immer auch im übertragenen Sinne verwendet und steht dann allgemein für die stärkste Form der<br />

Hinwendung zu anderen Lebewesen, Dingen, Tätigkeiten oder Ideen. Diese allgemeine Interpretation<br />

versteht Liebe also zugleich als Metapher für den Ausdruck tiefer Wertschätzung.<br />

Kulturell und historisch ist „Liebe“ ein schillernder Begriff, der nicht nur in der deutschen Sprache in<br />

vielfältigen Kontexten und in den unterschiedlichsten Bedeutungsschattierungen verwendet wird. Das<br />

Phänomen wurde in den verschiedenen Epochen, Kulturen und Gesellschaften unterschiedlich aufgefasst<br />

und erlebt. Jede Zeit und jeder soziale Verband setzt je eigene Verhaltensregeln für den Umgang<br />

mit der Liebe. Daher können die Bedeutungsebenen zwischen der sinnlichen Empfindung, dem Gefühl<br />

und der ethischen Grundhaltung „Liebe“ wechseln.<br />

Ebenso vielschichtig wie die Bedeutungen der Liebe sind die Bedeutungen der Antonyme. Im Hinblick<br />

auf die emotionale Anziehung zwischen Personen ist es der Hass. Im Sinne der Abwesenheit von Liebe<br />

kann aber auch die Gleichgültigkeit als Antagonismus angesehen werden. Im christlichen Verständnis<br />

gilt auch die Angst – als der Mangel oder die Abwesenheit von Liebe und Geborgenheit – als Gegensatz<br />

der Liebe. Fehlentwicklungen der Liebesfähigkeit sind im Sinne des „reinen“ Liebesbegriffes das<br />

Besitzdenken (Eifersucht) oder verschiedene Formen der freiwilligen Abhängigkeit bzw. Aufgabe der<br />

Autonomie bis hin zur Hörigkeit.<br />

Liebe als intersubjektive Anerkennung


Liebe wird häufig als eine auf Freiheit gegründete Beziehung zwischen zwei Personen gesehen, die ihren<br />

Wert nicht im Besitz des adressierten Objekts findet, sondern sich im dialogischen Raum zwischen<br />

den Liebenden entfaltet. Die Liebenden erkennen einander in ihrer Existenz wechselseitig an und fördern<br />

sich „zueinander strebend“ gegenseitig.<br />

Liebe wird teilweise als quasi anarchisches, asoziales und entgrenzendes Gegenmodell zu den Beschränkungen,<br />

Anforderungen, Funktionalisierungen und Ökonomisierungen der menschlichen Alltags-<br />

und Arbeitswelt aufgefasst. Auch wenn Liebe kein bewusster oder rationaler Entschluss der Liebenden<br />

ist, muss sie deswegen nicht als irrational betrachtet werden.<br />

Im Sinne des Diskurses der Anerkennung (z. B. John Rawls, Axel Honneth) enthält Liebe nämlich die<br />

von Hegel betonte „Idee der wechselseitigen Anerkennung“, was ihr ein moralisches Fundament verleiht.<br />

Liebe ist daher für Honneth neben dem Recht und der Solidarität eines der drei „Muster intersubjektiver<br />

Anerkennung“. Die moralische Grundierung unterscheidet Liebe daher auch vom reinen Trieb.<br />

Klassifizierungen<br />

Die abendländische Auffassung von Liebe wird von der Dreiteilung Platons geprägt, die in der antiken<br />

Philosophie später ausgebaut wurde. Sie basiert auf den folgenden Konzepten:<br />

• Eros – bezeichnet die sinnlich-erotische Liebe, das Begehren des geliebten Objekts, der<br />

Wunsch nach Geliebt-Werden, die Leidenschaft<br />

• Philia – bezeichnet die Freundesliebe, Liebe auf Gegenseitigkeit, die gegenseitige Anerkennung<br />

und das gegenseitige Verstehen<br />

• Agape – bezeichnet die selbstlose und fördernde Liebe, auch die Nächsten- und „Feindesliebe“,<br />

die das Wohl des Anderen im Blick hat<br />

Die genauen Bedeutungen und Schwerpunkte der Begriffe haben sich im Laufe der Zeit verändert, so<br />

dass – im Gegensatz zum ursprünglich Gemeinten – unter „Platonischer Liebe“ heute ein rein seelischgeistiges<br />

Prinzip ohne körperliche Beteiligung und Besitzwunsch verstanden wird, dem das leiblicherotische<br />

Modell von geschlechtlicher Liebe schroff gegenübergestellt wird.<br />

Im Laufe der Zeiten wurden diese Grundformen der Liebe immer wieder differenziert. So bezeichnet<br />

man manchmal die Interessenliebe als „stoika“, die spielerisch-sexuelle Liebe als „ludus“, die besitzergreifende<br />

Liebe als „mania“ und die auf Vernunftgründen basierende Liebe als „pragma“. Ein besonderes<br />

Liebesverhältnis stellt in theistischen Religionen auch jenes zwischen der erbarmenden Liebe<br />

Gottes zu den Menschen und der verehrenden Liebe der Menschen zu Gott dar.<br />

In Anlehnung an diese Dreiteilung kann man die Ausprägungen des Phänomens der Liebe in Empfindung,<br />

Gefühl und Haltung unterscheiden:<br />

Liebesempfindung


Angelo Bronzino, Allegorie der Liebe (1540/45), Detail<br />

Unter Liebesempfindungen versteht man die primär sinnlichen Liebesgefühle, insbesondere die Verliebtheit<br />

und die sexuelle Anziehung. Sie stehen in der Regel in Verbindung mit den beiden anderen<br />

Formen der Liebe, können aber auch durch die Wahrnehmung eines fremden Körpers, d.h. durch visuelle,<br />

olfaktorische oder taktile Reize, ausgelöst werden oder ganz einfach durch den empfundenen<br />

Mangel an einem geliebten Gegenüber. Die Liebesempfindung steht in enger Verbindung mit der Sexualität,<br />

d.h. sexuellen Wünschen, Bedürfnissen und Handlungen (z. B. dem Geschlechtsverkehr, auch<br />

bezeichnet als „Liebe machen“).<br />

Liebesgefühle<br />

Unter Liebesgefühlen allgemein versteht man ein komplexes, vielfältiges Spektrum unterschiedlicher<br />

Empfindungen und Haltungen gegenüber verschiedenen Arten von möglichen Liebesobjekten, in denen<br />

die sinnlich-erotische Komponente nur sekundär von Bedeutung ist. Sie führen zu einer Hinwendung<br />

und Zuwendung zum Anderen, dem Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit geschenkt werden.<br />

Sympathie, Freundschaft, Sorge und emotionale Liebe sind Erscheinungen, in denen Liebesgefühle<br />

eine große Rolle spielen. Ebenso können die kontemplative Liebe (z. B. zur Natur), die aktive sorgende<br />

Liebe um den Nächsten (caritas), die religiöse bzw. mystische Liebe und das Mitleid hierzu gerechnet<br />

werden.<br />

Liebe als Grundhaltung<br />

Liebe als ethische „Geistes-“ oder Grundhaltung, als Tugend, ist das Paradebeispiel für rational begründete<br />

Moralität; eine Fremdliebe, die eine Interessenbalance zwischen Egoismus und Altruismus herstellt.<br />

Nächstenliebe wird dabei üblicherweise nicht als altruistische Selbstaufgabe aufgefasst. Bei Immanuel<br />

Kant wird die Liebe als Grundhaltung mit den Begriffen Achtung und Würde verknüpft. Daraus<br />

ergibt sich eine allgemein-menschliche "Pflicht zur teilnehmenden Empfindung" mit dem Anderen.<br />

In den meisten Religionen ist die Liebe der zentrale Begriff, ein wichtiges Gebot im Christentum lautet<br />

„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ (Mk 12,31 EU; Mt 22,39 EU; Röm 13,8-10 EU). Analoges gilt<br />

für das Judentum und den Islam. Im Buddhismus stehen Mitgefühl (d.h. allumfassendes Mitleid und<br />

Mitfreude) und Weisheit im Bezug auf alle fühlenden Wesen (z. B. auch gegenüber Tieren) im Mittelpunkt.


Art des Liebesobjekts<br />

• Selbstliebe: Selbstliebe wird in der Regel als die Voraussetzung zur Fähigkeit zum Lieben und<br />

zur Nächstenliebe angesehen, wobei nach Auffassung von Erich Fromm Selbstsucht Selbsthass<br />

bedeute. Selbstsucht äußere sich in der Liebe durch besitzgieriges Interesse. Fromm behauptet,<br />

dass zu starke Selbstlosigkeit keine Tugend sei, sondern ein Symptom, durch das unbeabsichtigter<br />

Schaden entstehen könne. Pathologische Selbstliebe wird als Narzissmus bezeichnet.<br />

• Partnerliebe: Die geschlechtliche Liebe kann in gegengeschlechtliche (Heterosexualität) und<br />

gleichgeschlechtliche Liebe (Homosexualität) unterschieden werden, und findet oft in Liebesbeziehungen<br />

Ausdruck, für die in heutigen europäischen Kulturen das Ideal der Partnerschaft, vermischt<br />

mit dem ehemals höfischen Ideal der romantischen Liebe, betont wird. Eine besondere<br />

Rolle nimmt in vielen Gesellschaften die eheliche Liebe ein, die oftmals Exklusivität für sich in<br />

Anspruch nimmt (siehe Monogamie). Nicht auf exklusiven Zweierbeziehungen beruhende Liebesmodelle<br />

(Polygamie) spielen in außereuropäischen Kulturen und in den letzten Jahrzehnten<br />

auch im Westen („Polyamory“) eine größere Rolle.<br />

• Familiäre Liebe: Neben der partnerschaftlichen Liebe sind insbesondere die Liebe zwischen<br />

(engen) Verwandten (Vaterliebe, Mutterliebe, Kindesliebe) und die Freundesliebe in menschlichen<br />

Gemeinschaften von größter Bedeutung.<br />

• Nächstenliebe: Die Nächstenliebe gilt im Sinne von Religion und Ethik primär den Bedürftigen,<br />

während die Philanthropie sie zur allgemeinen Menschenliebe ausdehnt (vgl. Menschlichkeit).<br />

Die Feindesliebe ist eine im Neuen Testament auf Feinde bezogene Nächstenliebe, die oft<br />

als christliche Besonderheit gilt, aber in abgeschwächter Form auch in anderen Religionen vorkommt.<br />

Noch weiter geht das Konzept der „Fernstenliebe“.<br />

• Objekt- und Ideenliebe: Insbesondere in jüngerer Zeit ins Zentrum gesellschaftlicher Begriffe<br />

gerückt sind auch „Tierliebe“ oder die „Liebe zur Natur“. In der weitesten sprachlichen Auslegung<br />

„liebt“ man seine Hobbys oder Leidenschaften und kann diese dann auch als Liebhaberei<br />

oder Vorlieben bezeichnen. Auch Ideale können demnach geliebt werden, etwa durch den Begriff<br />

„Freiheitsliebe“ dargestellt, aber auch Zugehörigkeiten wie Vaterlandsliebe (Patriotismus).<br />

Diese Vorlieben können bis hin zu Fanatismus gehen, der Begriff Fan wird aber heutzutage<br />

auch für nichtfanatische Formen der Bewunderung, Verehrung bzw. Anhängerschaft verwendet.<br />

• Gottesliebe: Eine besondere Rolle nimmt die Gottesliebe ein, in ihrer allgemeinen Form die<br />

Liebe zu einem Gott oder mehreren Göttern bzw. einer spirituellen Entität.<br />

• „Objektlose Liebe“: Liebe als Grundhaltung benötigt für christliche Mystiker wie Meister<br />

Eckhart kein Objekt. Liebe wird hier als bedingungsloses öffnen verstanden. Der Philosoph und<br />

Metaphysiker Jean Emile Charon bezeichnet diese „universale“ Liebe gar als „Finalität der<br />

Evolution“ und „Selbsttranszendenz des Universums“.<br />

Ausdrucksformen<br />

Liebe, insbesondere Verliebtheit („Verliebtsein“) kann sich nonverbal, etwa durch Blicke, Mimik, Unruhe<br />

oder Körperhaltung ausdrücken. Beruht die Liebe auf Gegenseitigkeit, drückt der Mensch sie


durch Zärtlichkeiten, insbesondere Küssen und Berührungen aus. Die körperliche Vereinigung (Sex)<br />

kann dabei als intimste Ausdrucksform der Liebe dienen.<br />

Verbale Ausdruckformen sind in erster Linie Bezeichnungen der oder des Geliebten, meistens in Form<br />

von Komplimenten und Koseworten bzw. Kosenamen wie „Liebling“ oder „Schatz“.<br />

Besondere, konventionelle Formen sind die „Liebeserklärung“ oder der „Liebesbrief“, die auch in der<br />

Literatur eine besondere Würdigung erfahren haben. Auch Rituale wie die Verlobung oder Symbole<br />

wie der Freundschaftsring gehören hierzu.<br />

Das Ideal einer „Liebe als Verehrung“ unter Ausschluss einer konkreten körperlichen Beziehung gehört<br />

eher in die (Literatur-)Geschichte und fand dort eine besondere Form in der so genannten „hohen minne“,<br />

ein Begriff, den Walther von der Vogelweide als Gegenbegriff zur „nideren minne“, also der körperlich<br />

erfüllten Minne, verwendet. In dieser poetischen Form der Liebe bleibt die „frouwe“ unerreichbar.<br />

Wissenschaftliches<br />

Biologie und Physiologie<br />

Der Begriff „Liebe“ ist in der Biologie nicht definiert und damit keine wissenschaftliche Kategorie.<br />

Allgemein ist es schwierig, emotionale Prozesse mit naturwissenschaftlicher Methodik zu bearbeiten,<br />

zumal die zugrunde liegende Biochemie noch nicht ausreichend bekannt ist. Gesichert sind beim Menschen<br />

lediglich folgende Erkenntnisse:<br />

Neurobiologie der Verliebtheit<br />

Neueren Untersuchungen des Gehirnstroms und Studien zufolge bewirkt Verliebtheit in Bereichen des<br />

menschlichen Gehirns, die auch für Triebe zuständig sind, die höchste Aktivität, was darauf schließen<br />

lässt, dass das Gefühl, das gemeinhin als „Liebe“ (i.S.v. Verliebtheit) bezeichnet wird, in seinem biochemischen<br />

Korrelat einen starken Zusammenhang mit dem biologischen Trieb aufweist.<br />

Die mitunter sehr lange anhaltenden Wirkungen der Verliebtheit (Limerenz) deuten aber auch auf neuroendokrine<br />

Prozesse hin, die dem Phänomen zugrunde liegen. Das würde sich auch in das Entstehungsfeld<br />

einfügen, das in der Sexualität zu suchen ist, die ihrerseits maßgeblich der diencephalen neuroendokrinen<br />

Steuerung unterliegt. Dabei spielen nicht zuletzt die endogenen Opiate des Hypophysenzwischenlappens<br />

eine Rolle.<br />

Verliebt sich ein Mensch, so sorgen verschiedene Botenstoffe für Euphorie (Dopamin), Aufregung<br />

(Adrenalin), rauschartige Glücksgefühle und tiefes Wohlbefinden (Endorphin und Cortisol) (umgekehrt<br />

können Momente, in denen man nicht mit der geliebten Person zusammen ist, als schmerzhaft empfunden<br />

werden) und erhöhte sexuelle Lust (Testosteron sinkt bei Männern, steigt bei Frauen). Auch Sexualduftstoffe<br />

(Pheromone) werden vermehrt abgegeben. Hingegen sinkt der Serotoninspiegel stark ab,<br />

wodurch der Zustand der Verliebtheit in diesem Punkt eine Ähnlichkeit mit vielen psychischen Krankheiten<br />

aufweist. Das trägt dazu bei, dass Verliebte sich zeitweise in einem Zustand der „Unzurechnungsfähigkeit“<br />

befinden können, sich dabei zu irrationalen Handlungen hinreißen lassen und Hemmschwellen<br />

abbauen. Nach einiger Zeit (wenige Monate) gewöhnt sich der Körper an diese Dosen, und


ganz allmählich (laut WHO maximal nach 24–36 Monaten) beendet das Gehirn diesen sensorischen<br />

„Rauschzustand“.<br />

Nach vier Jahren Verliebtheit sind laut internationalen Statistiken die Scheidungen bei Menschen am<br />

häufigsten. Nach dieser Phase spielen die Hormone Oxytocin und das männliche Gegenstück Vasopressin,<br />

die Vertrautheit und Bindungen verstärken, und Endorphine eine Rolle. Nach etwa zwei bis<br />

vier Jahren muss die Verliebtheit in eine andere Form der Liebe übergehen, in der die Beziehung der<br />

Partner eher vom freundschaftlichen Ausleben gemeinsamer Interessen geprägt ist; denn die berauschenden<br />

Hormone können ab einem bestimmten Punkt ihre Wirkung nicht mehr entfalten. Als Folge<br />

stellt der Körper ihre Produktion ganz ein. „Entzugserscheinungen“ können die Folge sein; nun treten<br />

auch viele vormals nicht störende Eigenschaften beim Partner offen zutage. Aus rein hormoneller Sicht<br />

wäre eine Trennung nun oft ebenso vorteilhaft wie ein weiteres Zusammenbleiben, um die Kinder aufzuziehen.<br />

Evolutionsbiologie der Liebe<br />

Das vertiefte Gefühl der Liebe ist aus evolutionsbiologischer Sicht möglicherweise im Zusammenhang<br />

mit der Sexualität entstanden, wobei die Liebe es ermöglichte, die erfolgte Partner-Selektion und damit<br />

die Paarbeziehung über längere Zeiträume zu stabilisieren. Es sind zwar bei vielen Tierarten monogame<br />

Paarbeziehungen bekannt (z. B. auch bei den Graugänsen von Konrad Lorenz), aber ob diese Tiere<br />

dabei so etwas wie „Liebe“ empfinden, ist wohl eine aus erkenntnistheoretischen Gründen unbeantwortbare<br />

Frage.<br />

Im Rahmen des Konzepts der biologischen Determiniertheit entsteht Liebe zwingend aus bestimmten<br />

körperlichen Reaktionen. Viele Menschen empfinden diese naturwissenschaftliche Einengung der Liebe<br />

auf körperliche Funktionszusammenhänge als unzureichende Beschreibung eines inneren Phänomens<br />

bzw. subjektiven Erlebens.<br />

Psychologie und Psychiatrie<br />

Darstellung aus dem Narrenschiff: Cupido schießt blind, der Tod grüßt.<br />

Die Psychologie beschäftigt sich mit den zahlreichen Spielarten der Liebe und des Liebesentzuges.


Nach Auffassung der Evolutionspsychologen werden Frauen und Männer bei der Partnerwahl von Vorlieben<br />

regiert, die sich über Millionen von Jahren von unseren Vorfahren auf uns weitervererbt haben.<br />

Diese „Steinzeit-Psyche“ soll Frauen auf starke oder statushohe Beschützer-Typen reagieren lassen;<br />

Männer dagegen auf junge, hübsche Frauen. Schönheit gelte bei beiden Geschlechtern offenbar als Indiz<br />

für „gesunde Gene“, wie auch Humanethologen bestätigen. In diesem Zusammenhang wurde auch<br />

vielfach untersucht, was „Schönheit“ in diesem Zusammenhang bedeutet, welche körperlichen Merkmale<br />

für beide Geschlechter als attraktiv gelten („Durchschnittlichkeit“ als Ideal).<br />

Die Psychiatrie befasst sich unter dem medizinischen Aspekt mit dem Phänomen. So wird zum Beispiel<br />

die Psychopathologie des „Liebeswahns“ im Zusammenhang mit paranoischen Vorstellungen diagnostiziert<br />

(vgl. Wahnsinn).<br />

Soziologie<br />

Allgemeines<br />

Es liegen in der Soziologie mindestens vier substantielle, thematisch einander eher ergänzende Ansätze<br />

zur Liebe vor. Sie betonen mehr oder weniger die „liebalen“ Aspekte Kommunikation (Interaktion) und<br />

Semantik. Demnach wird Liebe definiert als Emotion (z. B. Jürgen Gerhards), Kulturmuster (z. B. Niklas<br />

Luhmann), Intimsystem (Becker/Reinhard-Becker/Fuchs) und nicht-kognitive Form kommunikativer<br />

Praxis (Günter Burkart, Cornelia Koppetsch).<br />

„Liebe“ wird u.a. als ein gesellschaftlich wirkendes Symbol für Interaktionen betrachtet (vgl. Symbolischer<br />

Interaktionismus) und auf seine soziale Funktion hin untersucht. Die Soziologie untersucht zahlreiche<br />

Einzelformen der Liebe, etwa die „romantische“ Liebe, die „Liebe“ im Bürgertum, die „Mutterliebe“,<br />

die „Vaterlandsliebe“ (oft als Ideologie), die Bezüge zwischen Liebe, Gewalt und Macht<br />

u. a. m. Unter den gegenwärtigen Soziologen behandelt z. B. Bálint Balla Liebe in seiner Soziologie<br />

der Knappheit eingehend, Horst Herrmann untersucht die (geschlechtsspezifischen) Zusammenhänge<br />

von Liebe und Gewalt sowie die gesellschaftlich wirkenden Modelle heutiger Liebesbeziehungen.<br />

Auch hat die Soziologie angrenzende soziale Bräuche wie die Koketterie (Georg Simmel) oder den<br />

Flirt untersucht.<br />

Systemtheoretische Ansätze<br />

Die Systemtheorie nahm eine einschneidende Begriffsverengung vor, indem sie Liebe neu als eine „gesellschaftliche<br />

Semantik“ bzw. als Code des Miteinander-Umgehens definierte. So formulierte Niklas<br />

Luhmann in Liebe als Passion (1982) romantische Liebe als ein Phänomen der Moderne, welches seine<br />

Grundlegung vor allem im Bürgertum des 18. Jahrhunderts erfährt.<br />

Liebe fungiert – nach Luhmann – in der heutigen funktional ausdifferenzierten Gesellschaft in erster<br />

Linie als „symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium“, das unwahrscheinliche Kommunikation<br />

wahrscheinlich machen soll. Die Gesellschaft differenziert sich immer stärker in einzelne Teilbereiche.<br />

Jedes einzelne Individuum ist nicht mehr nur in einem Bereich, z. B. der Familie verwurzelt, sondern<br />

in vielen Teilbereichen, etwa Freizeit oder Beruf. Auch ist es immer auch nur zu einem Teil verortet<br />

und bewegt sich ständig zwischen verschiedenen Bereichen hin und her. Auf Grund dieser kommunikativen<br />

„Polykontexturalität“ erschwere sich die identitätsbildende Interaktion.


Guido Reni, Caritas (1604/07). Die Allegorie der fürsorgenden Liebe kann u.a. die mütterlich-familiäre<br />

Liebe meinen<br />

Dem Einzelnen fällt es vor diesem Hintergrund zunehmend schwerer, sich selbst zu bestimmen. Hinzu<br />

kommt, dass diese Individualität und Identität im kommunikativen Austausch mit anderen bestätigt<br />

werden muss. Diese „höchstpersönliche“ Kommunikation nimmt in einer derart ausdifferenzierten Gesellschaft<br />

aber ständig ab, denn zum einen wird durch die Vielzahl an Rollen in den beschriebenen<br />

Teilbereichen (z. B. als Tochter, Sekretärin, Freizeitsegler, etc.) dort auch nur unpersönliche Kommunikation<br />

erfahren, und zum anderen begreift sich der Mensch als Individuum, also etwas Besonderes,<br />

Einzigartiges, anders als die Anderen. Angesichts dieser Entwicklung ist es nicht nur schwierig, miteinander<br />

in Kontakt zu treten, es wird auch schwierig, einander überhaupt noch zu verstehen bzw. die Motivation<br />

zu finden, sich auf einen doch so Besonderen, Anderen einzulassen. Genau dieses Problem zu<br />

bewältigen ist – in dieser Theorie – Aufgabe der Liebe. Fuchs definiert Liebe daher als "wechselseitige<br />

Komplettannahme im Modus der Höchstrelevanz". Liebe als Kommunikationsmedium motiviert dazu,<br />

sich dem Anderen unter Ausblendung von Idiosynkrasien in seiner "Ganzheit" zu nähern und nicht unter<br />

der verengenden Perspektive des jeweiligen Sozialsystems (z. B. als Freizeitsegler). Durch diese<br />

Komplettannahme entsteht eine wechselseitige Bestätigung des „Selbst-Seins“ und des jeweiligen<br />

„Weltbezugs“ .<br />

Liebe, bzw. genauer das Intimsystem, das im Medium Liebe operiert, ist eine Vorform des Sozialsystems<br />

„Familie“, dem grundlegende gesellschaftliche Funktionen zukommen (nämlich Reproduktion<br />

und Sozialisation). Des Mediums Liebe bedarf es, da unwahrscheinliche Ereignisse (zwei Menschen<br />

begegnen sich unter Millionen anderen und begründen und stabilisieren ein Zusammenleben) erwartbar<br />

gemacht werden müssen. Liebe ist also wie Geld oder Macht ein so genanntes Steuerungsmedium, das<br />

die Chance auf das Eintreffen unwahrscheinlicher Sinnzumutungen steigert. Überraschend ist dabei jedoch,<br />

dass Intimsysteme auf dem paradoxen, komplexen und sehr täuschungsempfindlichen Medium<br />

Liebe basieren.<br />

Sonstige Aspekte<br />

Wesentlich ist im sozialen Kontext die Unterscheidung zwischen der einseitigen und der gegenseitigen<br />

Liebe. Erstere hat ihren Spezialfall in der im Volksmund so genannten unglücklichen Liebe (vgl. Liebeskummer).


Viele Bezeichnungen für Fachgebiete sind, ebenso wie eine Reihe anderer Begriffe, auf dem Präfix<br />

phil- aufgebaut. Hierzu zählen insbesondere die „Philosophie“ (ursprünglich: „Liebe zur Weisheit“)<br />

und die „Philologie“ (ursprünglich: „Liebe zu Sprachen“). Die „Philatelie“ sei stellvertretend für andere<br />

Sammelleidenschaften genannt, der Name „Philipp“ („Philhippos“, verschiedene Schreibweisen) bedeutet<br />

„Pferdeliebhaber“.<br />

Tizian, Himmlische und irdische Liebe (1515)<br />

Einen christlichen Standpunkt innerhalb der Existenzphilosophie vertritt Gabriel Marcel in "Sein und<br />

Haben": Der Mensch existiert ursprünglich nicht in der Abgrenzung, sondern der Teilhabe am Mitmenschen<br />

und am göttl. Sein, in dieser Seinsteilhabe verwirklicht sich die Liebe, die sich vorbehaltlos<br />

öffnet, wenn sich der Mensch in einer innerlichen, dem Sein hingebenden Andacht, diesem gewahr<br />

wird.<br />

Polytheistische Religionen kennen zumeist Göttinnen, denen die Liebe zugeordnet wird und die sie befördern<br />

(vgl. Aphrodite, Hera). In monotheistischen Religionen ist die Allliebe Gottes eine seiner Eigenschaften;<br />

da er aber auch Zorn oder Eifersucht zu seinen Eigenschaften zählt, hat die Theologie hier<br />

ein komplexes Arbeitsfeld. Selbst in der negativen Theologie, wie auch in der Mystik wird als einzige<br />

Aussage über das Unsagbare in der Regel dennoch die Feststellung Gott ist die Liebe anerkannt; vgl.<br />

dazu auch die Natürliche Theologie.<br />

Siehe auch<br />

• Bergpredigt<br />

• Das egoistische Gen<br />

• Empathie, Freie Liebe<br />

• Körperliche Intimität<br />

• Metta<br />

• Stockholm-Syndrom<br />

• Theologische Tugend<br />

Literatur<br />

Allgemeines<br />

• Erich Fromm: Die Kunst des Liebens. 59. Aufl. Ullstein, München 2001, ISBN 3-612-26745-0<br />

• C.S. Lewis: Was man Liebe nennt: Zuneigung, Freundschaft, Eros, Agape. 7. Aufl. Brunnen,<br />

Basel 2004, ISBN 3-7655-3266-5


• José Ortega y Gasset: Über die Liebe. Meditationen. Dtv, München 1993 u.ö., ISBN 3-423-<br />

19025-6<br />

• Josef Pieper: Über die Liebe. 7. Aufl. Kösel, München 1992, ISBN 3-466-40131-3<br />

• Max Scheler: Wesen und Formen der Sympathie. Bouvier, Bonn 1999, ISBN 3-416-02910-0<br />

• Marsilio Ficino: Über die Liebe oder Platons Gastmahl. 3. Aufl. Meiner, Hamburg 1994 u.ö.,<br />

ISBN 3-7873-1189-0<br />

• Stendhal: Über die Liebe. 6. Aufl. Insel, Frankfurt am Main 1989 u.ö., ISBN 3-458-31824-0<br />

Philosophie<br />

• Roland Barthes, Fragmente einer Sprache der Liebe Suhrkamp, Frankfurt 2005, ISBN 3-518-<br />

38086-9 * [1]<br />

• Kai Buchholz (Hg.): Liebe. Ein philosophisches Lesebuch, München 2007, ISBN 3-442-07756-<br />

7<br />

• Axel Honneth, Liebe und Moral. Zum moralischen Gehalt affektiver Bindungen, in: Honneth,<br />

Das Andere der Gerechtigkeit. Aufsätze zur praktischen Philosophie, Frankfurt am Main 2000,<br />

S. 216ff., ISBN 3-518-29091-6<br />

• Platon, Das Gastmahl , Reclam, Ditzingen 1986, ISBN 3-150-00927-8<br />

Psychologie<br />

• Peter Lauster: Die Liebe. Psychologie eines Phänomens. 35. Aufl. Rowohlt, Reinbek 2004,<br />

ISBN 3-499-17677-7<br />

• Robert A. Johnson: Traumvorstellung der Liebe. Der Irrtum des Abendlandes. 3. Aufl. Walter,<br />

Olten u.a. 1988, ISBN 3-530-40391-1<br />

• Karl Grammer: Signale der Liebe. Dtv, München 1995, ISBN 3-423-30498-7<br />

Soziologie<br />

• Georges Bataille: Die Erotik. Matthes & Seitz, München 1994, ISBN 3-88221-253-5<br />

• Werner Faulstich (Hrsg.): Liebe 2000. Konzepte von Liebe in der populären Kultur heute. Wissenschaftler-Verlag,<br />

Bardowick 2002, ISBN 3-89153-034-X<br />

• Peter Fuchs: Liebe, Sex und solche Sachen. Zur Konstruktion moderner Intimsysteme. UVK,<br />

Konstanz 1999, ISBN 3-87940-663-4<br />

• Anthony Giddens: The transformation of intimacy. Sexuality, love, and eroticism in modern societies.<br />

Nachdruck. Polity Press, Cambridge 2001, ISBN 0-7456-1012-9 , ISBN 0-7456-1239-3<br />

• Karl Lenz: Soziologie der Zweierbeziehung. Eine Einführung. 2. Aufl. Westdeutscher Verlag,<br />

Wiesbaden 2003, ISBN 3-531-33348-8<br />

• Niklas Luhmann: Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität. 7. Aufl. Suhrkamp, Frankfurt<br />

am Main 2003, ISBN 3-518-28724-9<br />

• Christian Schuldt: Der Code des Herzens. Liebe und Sex in den Zeiten maximaler Möglichkeiten.<br />

Eichborn, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-8218-5592-4<br />

Belletristik<br />

Hier ist kein Ende: Nulla unda tam profunda quam amoris furibunda. (Mittelalterliches Latein: "So gewaltig<br />

keine Flut wie der Liebe Wut.")


Weblinks<br />

Wiktionary: Liebe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen<br />

Wiktionary: Ich liebe dich – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen<br />

Commons: Liebe – Bilder, Videos und Audiodateien<br />

• Bennett Helm: Eintrag in der Stanford Encyclopedia of Philosophy (Englisch, inkl. Literaturangaben)<br />

• Alexander Moseley: „Philosophy of Love“ in der Internet Encyclopedia of Philosophy (Englisch,<br />

inkl. Literaturangaben)<br />

• „Liebe“ im Deutschen Wörterbuch von Grimm<br />

• „Wie geht Liebe?“ – Psychologische Differenzierung zwischen Liebe und Partnerschaft von<br />

Thomas Artmann (<strong>PDF</strong>-Datei, 367 kB)<br />

• Materialien zu Partnerschaftsproblemen, Definitionen, Theorien unter anderem zu Entstehung<br />

von „Liebe“<br />

• Enzyklika DEUS CARITAS EST von Papst Benedikt XVI. über die christliche Liebe<br />

Dieser Artikel wurde in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen.<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Liebe (gesehen 12.10.2007)

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