Lokalbands stellen sich vor FB ~ 05 bei der Mafia - Draußen
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aus Leo? Was mit uns und Antonias Flug<br />
am 23. Dezember von Istanbul aus? Die<br />
Botschaft, die wir sofort aufsuchten,<br />
wies mich auf Weihnachten hin und auf<br />
die Möglichkeit, es einfach ohne Papiere<br />
zu versuchen. Der offizielle Weg sei<br />
natürlich <strong>sich</strong>erer, auch wenn <strong>der</strong> vier<br />
bis fünf Monate dauern könnte und um<br />
die 600 Euro kosten würde. „Ja, den<br />
Hund, den bekommen sie wohl nicht<br />
mehr mit nach Hause…“, eröffnete mir<br />
<strong>der</strong> Beamte schulterzuckend. Nach<br />
Hause! Wir weinten bittere Tränen und<br />
ich beschloss, dass ich meinen Hund<br />
niemals hier lassen würde. Sein Zuhause?<br />
Ich war sein Zuhause, wurde mir<br />
schlagartig klar. Ich, Antonia, Nina,<br />
Basti und all unsere an<strong>der</strong>en Freunde.<br />
Ich konnte ihn nicht zurücklassen. Den<br />
ersten Mut und Antrieb zum Aufbäumen<br />
gab uns Kaja. „Wir hängen da zusammen<br />
drin, Leute. Ich wollte mit euch<br />
reisen, wir haben ein Problem, also<br />
lösen wir es gemeinsam!“, meinte sie.<br />
Wir kamen im „norwegischen Haus“<br />
unter, das wir schon von einigen Partys<br />
kannten und dessen Bewohnern <strong>der</strong><br />
Kollege mit dem Bus und dem Hund ein<br />
Begriff war. Sie ließen uns <strong>bei</strong> <strong>sich</strong><br />
wohnen und zogen ihren und nun auch<br />
unseren Freund Hassan zu Rate, <strong>der</strong> mit<br />
uns die nächsten neun Stunden in diversen<br />
Polizei- und Militärbüros zubrachte.<br />
Um drei Uhr nachts drehte ich<br />
die letzte Runde mit Leo und am nächsten<br />
Morgen sollte es um sieben Uhr<br />
weiter gehen. Wir brauchten einen an<strong>der</strong>en<br />
Dolmetscher, denn unser Arabisch<br />
reichte längst nicht aus, um eine<br />
Angelegenheit von solcher Brisanz zu<br />
klären. Hassan musste ar<strong>bei</strong>ten und so<br />
fragten wir Ayman, Antonias Privatlehrer<br />
während unseres Aufenthalts, ob er<br />
mit uns die anstehende Tortur auf <strong>sich</strong><br />
nehmen würde. Er willigte verschlafen<br />
ein, be<strong>vor</strong> er auflegte. Drei Minuten<br />
später klingelte erneut das Telefon und<br />
Ayman erzählte uns, dass er gerade angerufen<br />
wurde, weil ihm jemand einen<br />
Rucksack anbieten wollte, in dem seine<br />
Karte gelegen habe. Es sei ein Deutsch-<br />
Arabisches Wörterbuch darin gewesen<br />
und er sei grün. Das war es: Mein Rucksack!<br />
_Noch in <strong>der</strong> Nacht machten wir uns<br />
auf den Weg und wie <strong>bei</strong> einer schlecht<br />
inszenierten Lösegeldübergabe holten<br />
wir uns meinen Rucksack zurück. Das<br />
Fatale war lei<strong>der</strong> nur, dass wir zwar<br />
den Rucksack in Empfang nahmen, die<br />
Papiere jedoch fehlten. Ein harter<br />
Rückschlag! Es sollte uns noch weitere<br />
48 Stunden, gute 24 davon auf Polizeiwachen,<br />
und eine Reise zur jordanischen<br />
Grenze kosten, ehe wir eine Bescheinigung<br />
in den Händen hielten, die<br />
uns erlaubte, das Land zu verlassen. In<br />
Deutschland hatte meine Familie <strong>der</strong>weil<br />
fieberhaft daran gear<strong>bei</strong>tet, neue<br />
Papiere für Leo zu beschaffen und sie<br />
mir eingescannt per E-mail zukommen<br />
zu lassen. Längst nicht mehr auf unser<br />
Glück vertrauend, zitterten wir in Richtung<br />
Grenze. Wenn das gut gehen sollte,<br />
dann würden wir uns in Istanbul<br />
schöne Tage machen und uns einfach<br />
unserer Freiheit freuen. Es ist merkwürdig,<br />
aber das Gefühl, das ich damals so<br />
deutlich verspürte, präsentiert <strong>sich</strong> mir<br />
noch heute glasklar. Was mir Angst<br />
machte, war das Gefühl des Gefangenseins<br />
in <strong>der</strong> Fremde. Fremde bedeutete<br />
Angst und Misstrauen, es entsprach Gefangensein<br />
und Hilflosigkeit, während<br />
Heimat Vertrautheit und Vertrauen,<br />
Freiheit und Stärke versprach. Das einzige,<br />
was mir Vertrauen und Vertrautheit<br />
gleichermaßen gab, waren Antonia,<br />
Leo und unsere Freundin Kaja. Was<br />
uns die nervösen Stunden an <strong>der</strong> Grenze<br />
hinter uns bringen half, war <strong>der</strong><br />
Wunsch nach mehr Vertrautheit. Der<br />
Wunsch nach Heimat! Wir kamen fast<br />
zu leicht aus Syrien raus und fuhren in<br />
die Türkei. Das sollte endlich unser<br />
Happy End werden, das wir in Istanbul<br />
feiern würden. Doch wie<strong>der</strong> einmal<br />
kam es an<strong>der</strong>s, als wir es uns ausgemalt<br />
hatten. Der Wagen ging in die<br />
Knie und er zog uns mit. Tage in<br />
Werkstätten, die wir erneut nicht ohne<br />
freundschaftliche Hilfe, in diesem Fall<br />
unseres Kommilitonen Burak, durchgestanden<br />
hätten. Trotz allem flog Antonia<br />
am 23. Dezember gen Heimat, ohne<br />
dass wir unser <strong>vor</strong>gezogenes Weihnachtsfest<br />
hätten feiern können, worauf<br />
wir uns wirklich gefreut hatten. Ich<br />
vermisste sie bereits, als sie hinter den<br />
Gates verschwunden war, aber ihr zuliebe<br />
bestand ich darauf, dass sie fliegt.<br />
Sie brauchte ihre Familie und ihre<br />
Familie sie. Sie hatte so viel Stärke<br />
bewiesen und ist in all den schwierigen<br />
Situationen <strong>bei</strong> mir geblieben, die oft<br />
aus meinem eigenen Leichtsinn heraus<br />
entstanden. Ich war ziellos gewesen<br />
und wollte entdecken. „Je größer die<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung, desto besser!“, ließ<br />
mich meine Naivität ausrufen. Vielleicht<br />
ist irgendwo ja so etwas wie Heimat.<br />
Da<strong>bei</strong> war mein Zuhause <strong>bei</strong> mir. Antonia,<br />
Nina und Leo, unsere Freunde, Familie,<br />
hilfsbereite Bekanntschaften, sie<br />
alle waren unser Sicherheitsnetz, das<br />
uns Zutrauen schenkte.<br />
_Nur durch sie alle habe ich es auch<br />
noch die letzten Kilometer durch Europa<br />
geschafft. Der Wagen schien kurz <strong>vor</strong><br />
den Alpen endgültig aufzugeben, die<br />
Temperatur sank bis zu 10 Grad unter<br />
den Gefrierpunkt, ich hatte we<strong>der</strong> Geld<br />
noch Handy noch etwas zu essen. Die<br />
Fähre wurde abgesagt und ich bekam<br />
eine an<strong>der</strong>e zugewiesen, auf <strong>der</strong> man<br />
dann 20 Euro für eine Hundebox verlangte,<br />
die ich nicht hatte. In Bari angekommen,<br />
hatte ich nur noch eine<br />
Dose Ananas, die bis zum nächsten Tag<br />
langen musste, an dem Geld auf meinem<br />
Konto gutgeschrieben wurde und<br />
ich ein nachträgliches Weihnachtsfest<br />
mit einer Pizza feiern konnte. Den Heiligen<br />
Abend habe ich dann mit Fieber<br />
und einem Bier im Bulli <strong>bei</strong> Minusgraden<br />
verbracht. Mein Freund Willi, <strong>der</strong> in<br />
Rom zu mir stieß, um mit mir Sylvester<br />
zu verbringen, war ein weiteres Stück<br />
Zuhause und auch <strong>der</strong> Wagen bäumte<br />
<strong>sich</strong> für die Alpen ein letztes Mal auf.<br />
Nur um <strong>der</strong> Geschichte einen runden<br />
Schliff zu verleihen, sei erzählt, dass<br />
wir genau bis auf die Einfahrt zum<br />
Hause meiner Eltern in <strong>der</strong> Nähe von<br />
Münster kamen, als <strong>der</strong> „Phoenix“<br />
endgültig den Dienst quittierte.<br />
_Das war unsere Geschichte, zumindest<br />
ein Teil von ihr, und auch wenn das<br />
Fernweh schon wie<strong>der</strong> zwickt, so ist<br />
zumindest schon einmal das Heimweh<br />
kuriert. Denn so kitschig, wie es scheinen<br />
mag, so ist es vielleicht doch nur<br />
möglich, über die Fremde sein Zuhause<br />
zu bestimmen… #<br />
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