Lokalbands stellen sich vor FB ~ 05 bei der Mafia - Draußen

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20.11.2013 Aufrufe

Bericht | Text und Fotos: Marcel-Philipp Werdier Fernweh nach dem Nahen Osten (Teil 2) Zuhause ist es am schönsten! Im letzten Heft berichtete Marcel Werdier über seinen Bulli-Trip Richtung Damaskus. Mit dabei waren seine Freundin Antonia, die gemeinsame Freundin Nina und sein Mischlingshund Leo. Trotz unvorhergesehener Überraschungen - in Prag wurden sie Opfer eines Diebstahls und in Rumänien machte ihnen eine Lebensmittelvergiftung zu schaffen - erreichten sie schließlich ihr Ziel, die syrische Hauptstadt. _Damaskus, eine Stadt mit über 3.000- jähriger Geschichte, die mittlerweile Hauptstadt eines einigermaßen stabilen Staates mit Grenzen zum Irak und Israel ist. Der Großteil der Bevölkerung ist sunnitischer Glaubensprägung, die Regierung Alawitisch, doch auch Christen gibt es hier schon seit jeher. Dort bemühten wir uns zunächst darum, eine Wohnung zu finden. Für einen akzeptablen Preis kamen wir bei Abu Fahid unter, einem 50-jährigen Syrer, der zusammen mit Hans, einem deutschen Diplomatensohn, sowie den Studenten Rabia, Sophie und Eva in einem sagenhaft schönen Haus wohnte. Im offenen Innenhof wuchs ein riesiger Limonenbaum, dessen Blätter wir für den schwarzen Tee nutzten, den uns unser Hausherr jeden Abend servierte. Es war eine schöne Gemeinschaft und trotz der Herausforderungen, die der Ramadan, der muslimische Fastenmonat, an uns und die Muslime stellte, war es ein harmonisches Zusammenleben. Wir studierten und Abu Fahid kümmerte sich darum, dass zum Sonnenuntergang ein herrliches Mahl bereit stand, dass er sozusagen blind gekocht hatte, da er ja von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang nicht trinken und essen durfte. _Während wir gemeinsam aßen, verwöhnte Abu trotz meines vehementen Einspruchs Leo mit Brot unter dem Tisch. Ein wenig verwunderlich war diese Zwangloskeit, da ein Hund im Islam als unreines Tier gilt und nur außerhalb des Hauses als Wachtier gehalten wird. Aber auch außerhalb unser vier Wände, vor allem in der Gegend um Bab Thuma und Bab Salam, zwei Vierteln in der Altstadt, wurde Leo vornehmlich gut aufgenommen. In allen Bereichen schien es uns bald so, als ob die Auslegung des Glaubens hier, an einem Ort, wo Religion das Leben in allen Bereichen dominiert, wesentlich großzügiger praktiziert würde. Manche lächelten, manche schauten nur interessiert. Es gab solche, die ihn und auch uns ablehnten, aber vor allem wurde Leo für die, die sich für ihn interessierten, schnell zum Prestigeobjekt. Die Kinder bemühten sich, sich an Ansehen zu übertreffen, in dem sie sich gegenseitig bewiesen, wer der bessere Freund des vierbeinigen Sonderlings war. Sie drückten und kuschelten ihn und wäre Leo nicht so ein geduldiges Tier, hätte es sicherlich ein Unglück gegeben. Die Liebe, die wir manchmal ausdrücken wollen, wird nicht immer von allen als solche auch erkannt. Einen Hund muss man nun einmal artgerecht behandeln, doch woher sollten die Syrer das wissen? In ganz Damaskus bin ich in fünf Monaten vielleicht 15 Hunden über den Weg gelaufen und die gehörten meist syrischen Christen. Doch es gab sogar einen Tierarzt und manchmal auch Hundefutter, das noch im Bereich seines Verfallsdatums lag. So schafften wir es, einen einigermaßen geordneten Alltag aufzubauen, auch wenn wir spürten, dass es an Leos Nerven zerrte, die Hauptattraktion in unserem Vierergespann zu sein. _Doch auch wir wurden von unserem Leben im Rampenlicht schwer herausgefordert, erst recht nach unserem Umzug in unmittelbare Nachbarschaft zur großen Omajadenmoschee, Hauptpilgerort der Stadt und verbunden mit dem Hammidya-suq, einer riesigen Marktstraße. Antonia konnte die Folgen der Lebensmittelvergiftung nicht abschütteln und ich war mir anscheinend nicht darüber im klaren gewesen, wie es sein würde, ständig im Mittelpunkt zu stehen mit der immensen Verantwortung auf meinen Schultern, als 'Botschafter' in der Fremde zu gelten, die zwar gekommen waren, um von einer fremden Kultur zu lernen, aber ebenso ihre eigene Art zu leben repräsentierten. _Im Rückblick war die Zeit in Damaskus wirklich schön und, was Leo anging, entgegen aller Befürchtungen ein wirklicher Erfolg. Doch in den letzten Wochen fieberten wir dem Aufbruch entgegen. Wir verließen die Hauptstadt schon im Dezember, zwei Monate vor dem eigentlichen Termin, da uns unsere Freunde fehlten und das Gefühl als „Normale“ unter vielen zu leben. Unser Kraftvorrat schien gerade, wo es nun auf Weihnachten zuging, erschöpft. Dass wir noch Reserven brauchen sollten, hatten wir nicht bedacht, doch was blieb uns übrig, als wir all unsere Vorräte aufgebraucht hatten und dann merkten, dass die eigentlich Aufgabe noch vor uns lag. Mitten in der Weihnachtszeit war unser letzter Tag angebrochen, wir übergaben die Schlüssel zu unserer Wohnung und machten uns mit den letzten Taschen auf zum Bus, um Kaja, eine Freundin aus Norwegen, die uns bis Istanbul begleiten wollte, einzusammeln. Doch als wir am Bus ankamen, sah ich schon von weitem, dass die Beifahrertür offen stand. Verdammt, Leichtsinnigkeit, zum zweiten Mal! Wir hatten sie wohl nicht richtig abgeschlossen, denn von Einbruch gab es keine Spur und es fehlte nichts. Fast nichts! Nur meinen Rucksack hatte der Dieb mitgenommen, doch darin waren nicht nur die Grenzdokumente für das Auto, ohne die wir das Land nicht verlassen durften, sondern auch Leos Ausweis und Gesundheitszeugnis. Vor meinem inneren Auge lief ein Szenario wie im Film ab. Gefängnistüren schlossen sich mit einem widerhallenden „Klong“ und mir war sofort klar, dass wir das Land heute nicht verlassen würden. Doch was sollten wir tun? Was würde 20

aus Leo? Was mit uns und Antonias Flug am 23. Dezember von Istanbul aus? Die Botschaft, die wir sofort aufsuchten, wies mich auf Weihnachten hin und auf die Möglichkeit, es einfach ohne Papiere zu versuchen. Der offizielle Weg sei natürlich sicherer, auch wenn der vier bis fünf Monate dauern könnte und um die 600 Euro kosten würde. „Ja, den Hund, den bekommen sie wohl nicht mehr mit nach Hause…“, eröffnete mir der Beamte schulterzuckend. Nach Hause! Wir weinten bittere Tränen und ich beschloss, dass ich meinen Hund niemals hier lassen würde. Sein Zuhause? Ich war sein Zuhause, wurde mir schlagartig klar. Ich, Antonia, Nina, Basti und all unsere anderen Freunde. Ich konnte ihn nicht zurücklassen. Den ersten Mut und Antrieb zum Aufbäumen gab uns Kaja. „Wir hängen da zusammen drin, Leute. Ich wollte mit euch reisen, wir haben ein Problem, also lösen wir es gemeinsam!“, meinte sie. Wir kamen im „norwegischen Haus“ unter, das wir schon von einigen Partys kannten und dessen Bewohnern der Kollege mit dem Bus und dem Hund ein Begriff war. Sie ließen uns bei sich wohnen und zogen ihren und nun auch unseren Freund Hassan zu Rate, der mit uns die nächsten neun Stunden in diversen Polizei- und Militärbüros zubrachte. Um drei Uhr nachts drehte ich die letzte Runde mit Leo und am nächsten Morgen sollte es um sieben Uhr weiter gehen. Wir brauchten einen anderen Dolmetscher, denn unser Arabisch reichte längst nicht aus, um eine Angelegenheit von solcher Brisanz zu klären. Hassan musste arbeiten und so fragten wir Ayman, Antonias Privatlehrer während unseres Aufenthalts, ob er mit uns die anstehende Tortur auf sich nehmen würde. Er willigte verschlafen ein, bevor er auflegte. Drei Minuten später klingelte erneut das Telefon und Ayman erzählte uns, dass er gerade angerufen wurde, weil ihm jemand einen Rucksack anbieten wollte, in dem seine Karte gelegen habe. Es sei ein Deutsch- Arabisches Wörterbuch darin gewesen und er sei grün. Das war es: Mein Rucksack! _Noch in der Nacht machten wir uns auf den Weg und wie bei einer schlecht inszenierten Lösegeldübergabe holten wir uns meinen Rucksack zurück. Das Fatale war leider nur, dass wir zwar den Rucksack in Empfang nahmen, die Papiere jedoch fehlten. Ein harter Rückschlag! Es sollte uns noch weitere 48 Stunden, gute 24 davon auf Polizeiwachen, und eine Reise zur jordanischen Grenze kosten, ehe wir eine Bescheinigung in den Händen hielten, die uns erlaubte, das Land zu verlassen. In Deutschland hatte meine Familie derweil fieberhaft daran gearbeitet, neue Papiere für Leo zu beschaffen und sie mir eingescannt per E-mail zukommen zu lassen. Längst nicht mehr auf unser Glück vertrauend, zitterten wir in Richtung Grenze. Wenn das gut gehen sollte, dann würden wir uns in Istanbul schöne Tage machen und uns einfach unserer Freiheit freuen. Es ist merkwürdig, aber das Gefühl, das ich damals so deutlich verspürte, präsentiert sich mir noch heute glasklar. Was mir Angst machte, war das Gefühl des Gefangenseins in der Fremde. Fremde bedeutete Angst und Misstrauen, es entsprach Gefangensein und Hilflosigkeit, während Heimat Vertrautheit und Vertrauen, Freiheit und Stärke versprach. Das einzige, was mir Vertrauen und Vertrautheit gleichermaßen gab, waren Antonia, Leo und unsere Freundin Kaja. Was uns die nervösen Stunden an der Grenze hinter uns bringen half, war der Wunsch nach mehr Vertrautheit. Der Wunsch nach Heimat! Wir kamen fast zu leicht aus Syrien raus und fuhren in die Türkei. Das sollte endlich unser Happy End werden, das wir in Istanbul feiern würden. Doch wieder einmal kam es anders, als wir es uns ausgemalt hatten. Der Wagen ging in die Knie und er zog uns mit. Tage in Werkstätten, die wir erneut nicht ohne freundschaftliche Hilfe, in diesem Fall unseres Kommilitonen Burak, durchgestanden hätten. Trotz allem flog Antonia am 23. Dezember gen Heimat, ohne dass wir unser vorgezogenes Weihnachtsfest hätten feiern können, worauf wir uns wirklich gefreut hatten. Ich vermisste sie bereits, als sie hinter den Gates verschwunden war, aber ihr zuliebe bestand ich darauf, dass sie fliegt. Sie brauchte ihre Familie und ihre Familie sie. Sie hatte so viel Stärke bewiesen und ist in all den schwierigen Situationen bei mir geblieben, die oft aus meinem eigenen Leichtsinn heraus entstanden. Ich war ziellos gewesen und wollte entdecken. „Je größer die Herausforderung, desto besser!“, ließ mich meine Naivität ausrufen. Vielleicht ist irgendwo ja so etwas wie Heimat. Dabei war mein Zuhause bei mir. Antonia, Nina und Leo, unsere Freunde, Familie, hilfsbereite Bekanntschaften, sie alle waren unser Sicherheitsnetz, das uns Zutrauen schenkte. _Nur durch sie alle habe ich es auch noch die letzten Kilometer durch Europa geschafft. Der Wagen schien kurz vor den Alpen endgültig aufzugeben, die Temperatur sank bis zu 10 Grad unter den Gefrierpunkt, ich hatte weder Geld noch Handy noch etwas zu essen. Die Fähre wurde abgesagt und ich bekam eine andere zugewiesen, auf der man dann 20 Euro für eine Hundebox verlangte, die ich nicht hatte. In Bari angekommen, hatte ich nur noch eine Dose Ananas, die bis zum nächsten Tag langen musste, an dem Geld auf meinem Konto gutgeschrieben wurde und ich ein nachträgliches Weihnachtsfest mit einer Pizza feiern konnte. Den Heiligen Abend habe ich dann mit Fieber und einem Bier im Bulli bei Minusgraden verbracht. Mein Freund Willi, der in Rom zu mir stieß, um mit mir Sylvester zu verbringen, war ein weiteres Stück Zuhause und auch der Wagen bäumte sich für die Alpen ein letztes Mal auf. Nur um der Geschichte einen runden Schliff zu verleihen, sei erzählt, dass wir genau bis auf die Einfahrt zum Hause meiner Eltern in der Nähe von Münster kamen, als der „Phoenix“ endgültig den Dienst quittierte. _Das war unsere Geschichte, zumindest ein Teil von ihr, und auch wenn das Fernweh schon wieder zwickt, so ist zumindest schon einmal das Heimweh kuriert. Denn so kitschig, wie es scheinen mag, so ist es vielleicht doch nur möglich, über die Fremde sein Zuhause zu bestimmen… # 21

Bericht | Text und Fotos: Marcel-Philipp Werdier<br />

Fernweh nach dem Nahen Osten (Teil 2)<br />

Zuhause ist es am schönsten!<br />

Im letzten Heft berichtete Marcel Werdier<br />

über seinen Bulli-Trip Richtung<br />

Damaskus. Mit da<strong>bei</strong> waren seine<br />

Freundin Antonia, die gemeinsame<br />

Freundin Nina und sein Mischlingshund<br />

Leo. Trotz un<strong>vor</strong>hergesehener<br />

Überraschungen - in Prag wurden sie<br />

Opfer eines Diebstahls und in Rumänien<br />

machte ihnen eine Lebensmittelvergiftung<br />

zu schaffen - erreichten sie<br />

schließlich ihr Ziel, die syrische Hauptstadt.<br />

_Damaskus, eine Stadt mit über 3.000-<br />

jähriger Geschichte, die mittlerweile<br />

Hauptstadt eines einigermaßen stabilen<br />

Staates mit Grenzen zum Irak und<br />

Israel ist. Der Großteil <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

ist sunnitischer Glaubensprägung, die<br />

Regierung Alawitisch, doch auch Christen<br />

gibt es hier schon seit jeher. Dort<br />

bemühten wir uns zunächst darum,<br />

eine Wohnung zu finden. Für einen akzeptablen<br />

Preis kamen wir <strong>bei</strong> Abu Fahid<br />

unter, einem 50-jährigen Syrer, <strong>der</strong><br />

zusammen mit Hans, einem deutschen<br />

Diplomatensohn, sowie den Studenten<br />

Rabia, Sophie und Eva in einem sagenhaft<br />

schönen Haus wohnte. Im offenen<br />

Innenhof wuchs ein riesiger Limonenbaum,<br />

dessen Blätter wir für den<br />

schwarzen Tee nutzten, den uns unser<br />

Hausherr jeden Abend servierte. Es war<br />

eine schöne Gemeinschaft und trotz <strong>der</strong><br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen, die <strong>der</strong> Ramadan,<br />

<strong>der</strong> muslimische Fastenmonat, an uns<br />

und die Muslime stellte, war es ein<br />

harmonisches Zusammenleben. Wir<br />

studierten und Abu Fahid kümmerte<br />

<strong>sich</strong> darum, dass zum Sonnenuntergang<br />

ein herrliches Mahl bereit stand,<br />

dass er sozusagen blind gekocht hatte,<br />

da er ja von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang<br />

nicht trinken und essen<br />

durfte.<br />

_Während wir gemeinsam aßen, verwöhnte<br />

Abu trotz meines vehementen<br />

Einspruchs Leo mit Brot unter dem<br />

Tisch. Ein wenig verwun<strong>der</strong>lich war<br />

diese Zwangloskeit, da ein Hund im Islam<br />

als unreines Tier gilt und nur<br />

außerhalb des Hauses als Wachtier gehalten<br />

wird. Aber auch außerhalb unser<br />

vier Wände, <strong>vor</strong> allem in <strong>der</strong> Gegend<br />

um Bab Thuma und Bab Salam, zwei<br />

Vierteln in <strong>der</strong> Altstadt, wurde Leo <strong>vor</strong>nehmlich<br />

gut aufgenommen. In allen<br />

Bereichen schien es uns bald so, als ob<br />

die Auslegung des Glaubens hier, an<br />

einem Ort, wo Religion das Leben in allen<br />

Bereichen dominiert, wesentlich<br />

großzügiger praktiziert würde. Manche<br />

lächelten, manche schauten nur interessiert.<br />

Es gab solche, die ihn und auch<br />

uns ablehnten, aber <strong>vor</strong> allem wurde<br />

Leo für die, die <strong>sich</strong> für ihn interessierten,<br />

schnell zum Prestigeobjekt. Die<br />

Kin<strong>der</strong> bemühten <strong>sich</strong>, <strong>sich</strong> an Ansehen<br />

zu übertreffen, in dem sie <strong>sich</strong> gegenseitig<br />

bewiesen, wer <strong>der</strong> bessere Freund<br />

des vier<strong>bei</strong>nigen Son<strong>der</strong>lings war. Sie<br />

drückten und kuschelten ihn und wäre<br />

Leo nicht so ein geduldiges Tier, hätte<br />

es <strong>sich</strong>erlich ein Unglück gegeben. Die<br />

Liebe, die wir manchmal ausdrücken<br />

wollen, wird nicht immer von allen als<br />

solche auch erkannt. Einen Hund muss<br />

man nun einmal artgerecht behandeln,<br />

doch woher sollten die Syrer das wissen?<br />

In ganz Damaskus bin ich in fünf<br />

Monaten vielleicht 15 Hunden über den<br />

Weg gelaufen und die gehörten meist<br />

syrischen Christen. Doch es gab sogar<br />

einen Tierarzt und manchmal auch<br />

Hundefutter, das noch im Bereich seines<br />

Verfallsdatums lag. So schafften wir<br />

es, einen einigermaßen geordneten<br />

Alltag aufzubauen, auch wenn wir<br />

spürten, dass es an Leos Nerven zerrte,<br />

die Hauptattraktion in unserem Vierergespann<br />

zu sein.<br />

_Doch auch wir wurden von unserem<br />

Leben im Rampenlicht schwer herausgefor<strong>der</strong>t,<br />

erst recht nach unserem Umzug<br />

in unmittelbare Nachbarschaft zur<br />

großen Omajadenmoschee, Hauptpilgerort<br />

<strong>der</strong> Stadt und verbunden mit<br />

dem Hammidya-suq, einer riesigen<br />

Marktstraße. Antonia konnte die Folgen<br />

<strong>der</strong> Lebensmittelvergiftung nicht abschütteln<br />

und ich war mir anscheinend<br />

nicht darüber im klaren gewesen, wie<br />

es sein würde, ständig im Mittelpunkt<br />

zu stehen mit <strong>der</strong> immensen Verantwortung<br />

auf meinen Schultern, als<br />

'Botschafter' in <strong>der</strong> Fremde zu gelten,<br />

die zwar gekommen waren, um von<br />

einer fremden Kultur zu lernen, aber<br />

ebenso ihre eigene Art zu leben repräsentierten.<br />

_Im Rückblick war die Zeit in Damaskus<br />

wirklich schön und, was Leo anging,<br />

entgegen aller Befürchtungen ein wirklicher<br />

Erfolg. Doch in den letzten Wochen<br />

fieberten wir dem Aufbruch entgegen.<br />

Wir verließen die Hauptstadt<br />

schon im Dezember, zwei Monate <strong>vor</strong><br />

dem eigentlichen Termin, da uns unsere<br />

Freunde fehlten und das Gefühl als<br />

„Normale“ unter vielen zu leben. Unser<br />

Kraft<strong>vor</strong>rat schien gerade, wo es nun<br />

auf Weihnachten zuging, erschöpft.<br />

Dass wir noch Reserven brauchen sollten,<br />

hatten wir nicht bedacht, doch<br />

was blieb uns übrig, als wir all unsere<br />

Vorräte aufgebraucht hatten und dann<br />

merkten, dass die eigentlich Aufgabe<br />

noch <strong>vor</strong> uns lag. Mitten in <strong>der</strong> Weihnachtszeit<br />

war unser letzter Tag angebrochen,<br />

wir übergaben die Schlüssel<br />

zu unserer Wohnung und machten uns<br />

mit den letzten Taschen auf zum Bus,<br />

um Kaja, eine Freundin aus Norwegen,<br />

die uns bis Istanbul begleiten wollte,<br />

einzusammeln. Doch als wir am Bus<br />

ankamen, sah ich schon von weitem,<br />

dass die Beifahrertür offen stand. Verdammt,<br />

Leichtsinnigkeit, zum zweiten<br />

Mal! Wir hatten sie wohl nicht richtig<br />

abgeschlossen, denn von Einbruch gab<br />

es keine Spur und es fehlte nichts. Fast<br />

nichts! Nur meinen Rucksack hatte <strong>der</strong><br />

Dieb mitgenommen, doch darin waren<br />

nicht nur die Grenzdokumente für das<br />

Auto, ohne die wir das Land nicht verlassen<br />

durften, son<strong>der</strong>n auch Leos Ausweis<br />

und Gesundheitszeugnis. Vor meinem<br />

inneren Auge lief ein Szenario wie<br />

im Film ab. Gefängnistüren schlossen<br />

<strong>sich</strong> mit einem wi<strong>der</strong>hallenden „Klong“<br />

und mir war sofort klar, dass wir das<br />

Land heute nicht verlassen würden.<br />

Doch was sollten wir tun? Was würde<br />

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