Lokalbands stellen sich vor FB ~ 05 bei der Mafia - Draußen

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20.11.2013 Aufrufe

10 Bericht | Text: Florian Löbel | Foto: Sigi Nasner Leben unter Drill Prügel an der Tagesordnung Es heutzutage traurige Wirklichkeit, dass Menschen durch massiven Druck von außen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Schlägt ein solcher Mensch dann frustriert um sich, weil man ihm nicht zuhört und er keine andere Möglichkeit mehr sieht, sich irgendwie Geltung zu verschaffen, dann wird meist schnell mit dem Finger auf ihn gezeigt. Über die Hintergründe eines solchen Schicksals, nämlich seines eigenen, berichtet unser Verkäufer Florian. _Ich wurde am 27.03.91 in Wismar geboren. Und da meine Mom zwar alleinerziehend, aber gefühlte 24 Stunden am Tag arbeiten war, wurde ich von meiner Uroma aufgezogen. Mama mit ihren 23 Jahren konnte nicht mit Geld um sich schmeißen, wir teilten uns mit meiner Uroma, einem Onkel und einer Perserkatze eine 60 m²-Wohnung. Doch nur bis ich sprechen und geradeaus laufen konnte, dann, mit inzwischen fünf Jahren, zogen Mama und ich nach Rostock, wo ich meine Grundschuljahre absolvieren sollte. Ich war leider ein etwas fauler Schüler, der aber immer gute Noten mit nach Hause brachte und meine Mama schenkte mir ihre ganze Liebe und Aufmerksamkeit. Bis zum Sommer ´97! Dann kam ein männliches Wesen in unser Leben und krempelte es komplett um. Nach nicht mal einem Jahr zog der neue Mann meiner Mutter bei uns ein und es herrschte militärischer Drill, Disziplin und Ordnung. _1999 fing der Kampf zwischen ihm und mir an. Als ich eines Abends eine halbe Stunde zu spät nach Hause kam, brüllte er mich an. Meine Strafe kam dann am nächsten Tag. Ich sollte 100 mal einen drei Zeilen langen Satz in ein Buch schreiben. Aus Trotz kam ich die Woche darauf wieder zu spät. Diesmal „durfte“ ich 500 mal den betreffenden Satz schreiben. Ich war damals acht Jahre alt und brauchte zwei bis drei Wochen dafür. Und da ich ein Dickkopf bin, kam ich, als ich wieder raus durfte, wieder zu spät und ich musste 1000 mal den Satz schreiben. Das Härteste daran war allerdings, dass Sommerferien waren und meine Mutter nichts dagegen gesagt hat. _Nach diesen insgesamt 1600 Sätzen kehrte erstmal Ruhe ein und wir zogen im Jahr 2000 nach Schapdetten. Da die Mentalität der Menschen im Westen und Osten ganz unterschiedlich ist, hatte ich als eigentlich sehr offener Junge extreme Probleme mit der Integration. In der Schule bekam ich die ersten Vieren und Fünfen und zu Hause begannen die ersten körperlichen Übergriffe meines Stiefvater auf mich. Waren es am Anfang „nur“ ein paar Backpfeifen, wurden daraus schon bald Faustschläge und gezielte Kopfnüsse auf's Nasenbein. Schließlich griff er zu einem mit Metallnieten bestückten Gürtel. Ich habe mich in dieser Zeit nie gewehrt, stattdessen habe ich meine Aggressionen in der Schule rausgelassen: Ich habe den Unterricht durch ewiges Herumalbern, In-die-Klasse-Rufen und das Aufhängen von Kondomen massiv gestört und hatte dadurch etwa drei bis vier Klassenkonferenzen pro Schuljahr. Meine Mutter hat von den Misshandlungen durch meinen Stiefvater eigentlich nie etwas mitgekriegt, da sie meistens arbeiten war. Dafür legte ihr mein Stiefvater mit stolzem Lächeln die Tadel meiner Lehrer vor. _An einen Tag kann ich mich noch besonders gut erinnern. Es war um halb sechs an einem Sonntagmorgen, als er mich weckte und mir sagte, dass ich 45 Minuten Zeit hätte, um zu duschen und zu frühstücken. Danach sollte ich mein absolutes Problemfach lernen, Mathematik. Allerdings etwas anders als Schüler es gewohnt sind, mir wurde nichts erklärt. Ich musste mir die jeweiligen Formeln anschauen und dann die Aufgaben im Mathebuch lösen. Verstand ich die Formeln nicht, hatte ich falsche Lösungen oder Rechenwege, nahm er meinen Kopf und schlug ihn gegen die Kante des Schreibtisches. Diese Tortur zog sich von früh morgens bis elf oder zwölf Uhr nachts hin. Da ist es vielleicht auch nachvollziehbar, dass ich als damaliger Achtklässler mit dunklen Augenringen und Beulen am ganzen Kopf kein Interesse mehr für Schule zeigte. _Mit 15 lief ich dann nach Jahren der Misshandlungen und Erniedrigungen einfach weg. Noch in derselben Nacht wurde ich aufgegriffen und zwei Polizisten brachten mich in ein Heim. Mein Tagesablauf dort war doch recht monoton: Aufstehen, frühstücken, kiffen, zur Schule gehen, kiffen, Mittag essen, kiffen, fernsehen und noch mehr kiffen bis zum Abend. Nach dem Abendessen schlichen einige andere Heimbewohner und ich uns raus und wir liefen in die nächste Stadt, um dort zu saufen und noch mehr Drogen zu konsumieren. Wir haben aus Langweile Leute geschlagen, Autos geknackt, Roller geklaut und einfach „auf alles und jeden geschissen“. Nach etwa einem Jahr kam ich dann in eine Außenwohngruppe dieses Heims. Dort habe ich dann in neun Monaten angefangen, selbst mit Drogen zu dealen, und stürzte noch mehr ab. Da mich Gras nur müde machte und ich aber eigentlich voller Aggressionen steckte, fing ich an synthetische Drogen zu nehmen. Ich brach meine Ausbildung zum Sozialhelfer ab und gammelte nur noch rum. Doch als dann meine Zeit im betreuten Wohnen abgelaufen war, saß ich auf der Straße, ich war obdachlos. Und nun kommt die „draußen!“ ins Spiel: Bei den Mitarbeitern und Verkäufern der ~ fand ich offene Ohren. Sie haben mir bei den Gängen zum Amt, bei der Suche nach Schlafplätzen und auch bei meinen psychischen Problemen immer geholfen. Und das ein halbes Jahr lang, jeden Tag. _Und heute? Heute bin ich clean, schreibe meine eigenen Emo-Rap-Songs und nehme sie auf, außerdem spiele ich in der ~-Fußballmannschaft mit. Ich habe eine Freundin, mit der ich mich noch dieses Jahr verloben will. Erst kürzlich habe ich einen Mietvertrag unterschrieben und fange im August mit meiner Lehre als Sozialhelfer wieder an. Tausend Dank aus tiefstem Herzen. Ihr seid etwas ganz Besonderes! #

Bericht | Text: Jörg Pöpping | Foto Sigi Nasner Ein guter Weg Mit dem Herzen dabei Einen festen Arbeitsplatz zu besitzen und damit eine Großfamilie ernähren zu können, ist in dieser schwierigen Zeit, die von Wirtschafskrisen und Massenentlassungen geprägt ist, ein Privileg. Wie man es dennoch schafft, über einen 1,50 Euro Job hinaus sich einen neuen Arbeitsplatz quasi zu erarbeiten, diese Geschichte erzählt unser Mitarbeiter Jörg Pöpping. _Hätte mir jemand vor knapp 1½ Jahren gesagt, dass ich einmal ein fester Bestandteil des Münsteraner Straßenmagazins ~ sein würde, na ja, sagen wir mal, ich hätte müde gelächelt. Meine Einstellung zum Thema Obdachlosigkeit hat sich jedoch durch die Arbeit hier grundlegend verändert. Damals, im Mai 2008 begann ich meinen 1,50 Euro-Job bei ~ interessiert, aber ohne grosse Erwartungen, war ich doch froh, der monotonen Eintönigkeit der Arbeitslosigkeit ein wenig entfliehen zu können. Zu jener Zeit wohnten meine Lebensgefährtin und ich mit unseren sechs Kindern völlig unzureichend in einer 3- Zimmer-Wohnung. Die Hoffnung auf eine größere Wohnung schien damals schier aussichtslos und endete meistens abrupt, sobald die Kinderzahl potenziellen Vermietern genannt wurde. Der ~- Redaktion gefiel das überhaupt nicht und so sollte ich völlig überraschend als erste „Amtshandlung“ einen Bericht zu meiner Wohnproblematik schreiben. Das ich alles niederschreiben und so einem Leserkreis zugänglich machen sollte, verblüffte mich, denn ich hatte damit gerechnet, Kaffeetassen zu spülen, Botengänge zu tätigen oder irgendeine andere Helfertätigkeit auszuüben. Doch weit gefehlt, ich sollte schreiben, also schrieb ich. Nachdem mein Bericht in der ~ veröffentlicht worden war, ging plötzlich alles ganz schnell: Der WDR und Pro 7 boten an, über unsere Wohnraumproblematik zu berichten, sogar die Bürgermeisterin Frau Reißmann erkundigte sich und bot ihre Hilfe an. Türen und Tore standen plötzlich sperrangelweit auf! Hatte ich vorher alles falsch gemacht und nun alles richtig? Meine Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache schien im Nachhinein der einzig richtige Weg gewesen zu sein. Innerhalb kürzester Zeit hatten wir endlich den Wohnraum, der uns vorher trotz unzähliger Eigenversuche und Fehlschläge verwehrt wurde. Unsere Kinder hatten nun den Platz, den man als Kind braucht, um sich persönlich entfalten zu können, um Kind zu sein. Mir war schnell klar, dass ich der ~ etwas zurückgeben wollte, mich einzusetzen für eine gute Sache, sollte für mich nicht nur Mittel zum Zweck sein. _Der Umzug der ~-Redaktion von der Overbergstraße zum Berlinerplatz war meine erste Bewährungsprobe. Hier sollte sich zeigen, dass meine Computerkenntnisse, die ich mir in meinen bisherigen Leben angeeignet hatte, auf fruchtbaren Boden fielen. Ich richtete Computer und Telefonanlagen neu ein, verlegte Kabel, vernetzte, holte alles aus den veralteten Rechnern raus, um einen sicheren Redaktionsbetrieb zu gewährleisten. Dass die Zeitung zu jener Zeit um ihre finanzielle Existenz rang, veranlasste mich, über meinen 1 Euro Job hinaus ehrenamtlich die wichtige Sache der ~ zu unterstützen. Also akquirierte ich Spenden, publizierte Berichte, versuchte mich so gut, wie ich konnte, einzubringen, war mir keiner Arbeit zu schade und setzte auch eigene Projekte durch. Ich hob die Suppenaktion aus der Taufe, bei der wir drei Tage kurz vor Weihnachten mitten in der Stadt unter dem Motto „Diese Suppe löffeln wir gemeinsam aus!“ den Münsteranerinnen und Münsteranern kostenlos selbst gemachte Hühnersuppe kredenzten. Dass wir das Doppelte der geplanten Menge an Suppe ausschenkten und uns zum Nachkochen Nächte lang in einer Großküche einquartieren mussten, zeigt uns den Riesenerfolg dieser Aktion. Übrigens soll das keine Eintagsfliege bleiben, auch in diesem Jahr werden wir zu Weihnachten wieder kostenlos Suppe ausschenken, frei nach dem Motto „Es gibt nichts Gutes außer man tut es“ wird diesmal vielleicht eine selbst gemachte Bio-Erbsensuppe auf dem Speiseplan stehen. Dass es das Straßenmagazin ~ überhaupt noch gibt, ist sicher den Münsteranerinnen und Münsteranern zu verdanken, die durch den Kauf der Zeitung, die Spenden und die allgemeine Solidarität den Erhalt ermöglichten, aber auch der gesamten Redaktion, die fast ein halbes Jahr ohne festes Gehalt, aber mit dem Herzen dabei die Zeitung trotzdem auf die Beine stellte. So haben wir es alle doch noch geschafft und durften uns zum Schluss ein wenig selber feiern. Mit unserem Fest zum 15-jährigen Bestehen am 1.Mai haben wir viele neue Freunde gefunden, aber auch neue Ziele gesteckt. Unser neues Projekt „~ schafft Arbeitsplätze“ (siehe Heft 7/09) zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Ich selbst habe davon als einer der ersten profitiert und endlich wieder einen festen Arbeitsplatz. Meinen Fokus werde ich dabei in der nahen Zukunft auf die strukturelle Erweiterung der Verkaufsplätze im Umland von Münster, aber auch auf die Berichterstattung der vielseitigen Problematik von Hartz IV setzen. Nur Reden reicht nicht, Hilfe zur Selbsthilfe leisten, parteilos für Minderheiten einstehen, wir tun es und jeder kann einen Teil dazu beitragen! Münster wäre ohne das Straßenmagazin ~ ansonsten um einiges ärmer. # 11

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Bericht | Text: Florian Löbel | Foto: Sigi Nasner<br />

Leben unter Drill<br />

Prügel an <strong>der</strong> Tagesordnung<br />

Es heutzutage traurige Wirklichkeit, dass<br />

Menschen durch massiven Druck von<br />

außen an den Rand <strong>der</strong> Gesellschaft gedrängt<br />

werden. Schlägt ein solcher<br />

Mensch dann frustriert um <strong>sich</strong>, weil<br />

man ihm nicht zuhört und er keine an<strong>der</strong>e<br />

Möglichkeit mehr sieht, <strong>sich</strong> irgendwie<br />

Geltung zu verschaffen, dann<br />

wird meist schnell mit dem Finger auf<br />

ihn gezeigt. Über die Hintergründe<br />

eines solchen Schicksals, nämlich seines<br />

eigenen, berichtet unser Verkäufer Florian.<br />

_Ich wurde am 27.03.91 in Wismar geboren.<br />

Und da meine Mom zwar alleinerziehend,<br />

aber gefühlte 24 Stunden am<br />

Tag ar<strong>bei</strong>ten war, wurde ich von meiner<br />

Uroma aufgezogen. Mama mit ihren 23<br />

Jahren konnte nicht mit Geld um <strong>sich</strong><br />

schmeißen, wir teilten uns mit meiner<br />

Uroma, einem Onkel und einer Perserkatze<br />

eine 60 m²-Wohnung. Doch nur<br />

bis ich sprechen und geradeaus laufen<br />

konnte, dann, mit inzwischen fünf Jahren,<br />

zogen Mama und ich nach Rostock,<br />

wo ich meine Grundschuljahre absolvieren<br />

sollte. Ich war lei<strong>der</strong> ein etwas fauler<br />

Schüler, <strong>der</strong> aber immer gute Noten<br />

mit nach Hause brachte und meine Mama<br />

schenkte mir ihre ganze Liebe und<br />

Aufmerksamkeit. Bis zum Sommer ´97!<br />

Dann kam ein männliches Wesen in unser<br />

Leben und krempelte es komplett<br />

um. Nach nicht mal einem Jahr zog <strong>der</strong><br />

neue Mann meiner Mutter <strong>bei</strong> uns ein<br />

und es herrschte militärischer Drill, Disziplin<br />

und Ordnung.<br />

_1999 fing <strong>der</strong> Kampf zwischen ihm und<br />

mir an. Als ich eines Abends eine halbe<br />

Stunde zu spät nach Hause kam, brüllte<br />

er mich an. Meine Strafe kam dann am<br />

nächsten Tag. Ich sollte 100 mal einen<br />

drei Zeilen langen Satz in ein Buch schreiben.<br />

Aus Trotz kam ich die Woche darauf<br />

wie<strong>der</strong> zu spät. Diesmal „durfte“ ich<br />

500 mal den betreffenden Satz schreiben.<br />

Ich war damals acht Jahre alt und<br />

brauchte zwei bis drei Wochen dafür.<br />

Und da ich ein Dickkopf bin, kam ich,<br />

als ich wie<strong>der</strong> raus durfte, wie<strong>der</strong> zu<br />

spät und ich musste 1000 mal den Satz<br />

schreiben. Das Härteste daran war allerdings,<br />

dass Sommerferien waren und<br />

meine Mutter nichts dagegen gesagt hat.<br />

_Nach diesen insgesamt 1600 Sätzen<br />

kehrte erstmal Ruhe ein und wir zogen<br />

im Jahr 2000 nach Schapdetten. Da die<br />

Mentalität <strong>der</strong> Menschen im Westen und<br />

Osten ganz unterschiedlich ist, hatte ich<br />

als eigentlich sehr offener Junge extreme<br />

Probleme mit <strong>der</strong> Integration. In <strong>der</strong><br />

Schule bekam ich die ersten Vieren und<br />

Fünfen und zu Hause begannen die ersten<br />

körperlichen Übergriffe meines<br />

Stiefvater auf mich. Waren es am Anfang<br />

„nur“ ein paar Backpfeifen, wurden daraus<br />

schon bald Faustschläge und gezielte<br />

Kopfnüsse auf's Nasen<strong>bei</strong>n. Schließlich<br />

griff er zu einem mit Metallnieten bestückten<br />

Gürtel. Ich habe mich in dieser<br />

Zeit nie gewehrt, stattdessen habe ich<br />

meine Aggressionen in <strong>der</strong> Schule rausgelassen:<br />

Ich habe den Unterricht durch<br />

ewiges Herumalbern, In-die-Klasse-Rufen<br />

und das Aufhängen von Kondomen<br />

massiv gestört und hatte dadurch etwa<br />

drei bis vier Klassenkonferenzen pro<br />

Schuljahr. Meine Mutter hat von den<br />

Misshandlungen durch meinen Stiefvater<br />

eigentlich nie etwas mitgekriegt, da<br />

sie meistens ar<strong>bei</strong>ten war. Dafür legte<br />

ihr mein Stiefvater mit stolzem Lächeln<br />

die Tadel meiner Lehrer <strong>vor</strong>.<br />

_An einen Tag kann ich mich noch beson<strong>der</strong>s<br />

gut erinnern. Es war um halb sechs<br />

an einem Sonntagmorgen, als er mich<br />

weckte und mir sagte, dass ich 45 Minuten<br />

Zeit hätte, um zu duschen und zu<br />

frühstücken. Danach sollte ich mein absolutes<br />

Problemfach lernen, Mathematik.<br />

Allerdings etwas an<strong>der</strong>s als Schüler<br />

es gewohnt sind, mir wurde nichts erklärt.<br />

Ich musste mir die jeweiligen Formeln<br />

anschauen und dann die Aufgaben<br />

im Mathebuch lösen. Verstand ich die<br />

Formeln nicht, hatte ich falsche Lösungen<br />

o<strong>der</strong> Rechenwege, nahm er meinen<br />

Kopf und schlug ihn gegen die Kante des<br />

Schreibtisches. Diese Tortur zog <strong>sich</strong> von<br />

früh morgens bis elf o<strong>der</strong> zwölf Uhr<br />

nachts hin. Da ist es vielleicht auch<br />

nachvollziehbar, dass ich als damaliger<br />

Achtklässler mit dunklen Augenringen<br />

und Beulen am ganzen Kopf kein Interesse<br />

mehr für Schule zeigte.<br />

_Mit 15 lief ich dann nach Jahren <strong>der</strong><br />

Misshandlungen und Erniedrigungen<br />

einfach weg. Noch in <strong>der</strong>selben Nacht<br />

wurde ich aufgegriffen und zwei Polizisten<br />

brachten mich in ein Heim. Mein<br />

Tagesablauf dort war doch recht monoton:<br />

Aufstehen, frühstücken, kiffen, zur<br />

Schule gehen, kiffen, Mittag essen, kiffen,<br />

fernsehen und noch mehr kiffen bis<br />

zum Abend. Nach dem Abendessen<br />

schlichen einige an<strong>der</strong>e Heimbewohner<br />

und ich uns raus und wir liefen in die<br />

nächste Stadt, um dort zu saufen und<br />

noch mehr Drogen zu konsumieren. Wir<br />

haben aus Langweile Leute geschlagen,<br />

Autos geknackt, Roller geklaut und einfach<br />

„auf alles und jeden geschissen“.<br />

Nach etwa einem Jahr kam ich dann in<br />

eine Außenwohngruppe dieses Heims.<br />

Dort habe ich dann in neun Monaten<br />

angefangen, selbst mit Drogen zu dealen,<br />

und stürzte noch mehr ab. Da mich<br />

Gras nur müde machte und ich aber<br />

eigentlich voller Aggressionen steckte,<br />

fing ich an synthetische Drogen zu nehmen.<br />

Ich brach meine Ausbildung zum<br />

Sozialhelfer ab und gammelte nur noch<br />

rum. Doch als dann meine Zeit im betreuten<br />

Wohnen abgelaufen war, saß<br />

ich auf <strong>der</strong> Straße, ich war obdachlos.<br />

Und nun kommt die „draußen!“ ins<br />

Spiel: Bei den Mitar<strong>bei</strong>tern und Verkäufern<br />

<strong>der</strong> ~ fand ich offene Ohren.<br />

Sie haben mir <strong>bei</strong> den Gängen zum Amt,<br />

<strong>bei</strong> <strong>der</strong> Suche nach Schlafplätzen und<br />

auch <strong>bei</strong> meinen psychischen Problemen<br />

immer geholfen. Und das ein halbes<br />

Jahr lang, jeden Tag.<br />

_Und heute? Heute bin ich clean, schreibe<br />

meine eigenen Emo-Rap-Songs und<br />

nehme sie auf, außerdem spiele ich in<br />

<strong>der</strong> ~-Fußballmannschaft mit. Ich<br />

habe eine Freundin, mit <strong>der</strong> ich mich<br />

noch dieses Jahr verloben will. Erst<br />

kürzlich habe ich einen Mietvertrag unterschrieben<br />

und fange im August mit<br />

meiner Lehre als Sozialhelfer wie<strong>der</strong> an.<br />

Tausend Dank aus tiefstem Herzen. Ihr<br />

seid etwas ganz Beson<strong>der</strong>es! #

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