AP073(2005) J. Klopfer: Europäische Friedensordnung - DSS

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6 Stützpunkten und Soldaten - z.B. im Irak - immer wieder zu beweisen versucht. Die EU versteht sich, wie nicht zuletzt ihr Verfassungsentwurf ausweist, als eine weltweit agierende Macht. Dabei handelt sie einmal in Übereinstimmung und einmal in Nichtübereinstimmung mit den USA. J. Solana hat das so definiert: „Wir sind die größte Handelsmacht der Welt und der größte Geldgeber bei der Entwicklungshilfe. Also sind wir längst eine globale Macht. Bloß waren wir bisher noch kein militärischer Akteur. Der aber müssen wir werden, wenn wir unsere Werte verteidigen wollen. Damit machen wir uns im übrigen nicht automatisch zum Konkurrenten der USA.“ 3 Geostrategische Konkurrenz auf dem eurasischen Schachbrett Nach Z. Brzezinski geht es in der Geopolitik „nicht mehr um regionale, sondern um globale Dimensionen, wobei eine Dominanz auf dem gesamten eurasischen Kontinent noch heute die Voraussetzung für globale Vormachtstellung ist.“ Deshalb hängt für Z. Brzezinski „der Fortbestand der globalen Vormachtstellung Amerikas unmittelbar davon ab, wie lange und wie effektiv es sich in Eurasien behaupten kann.“ Zur Zeit ist für ihn noch „der gesamte Kontinent von amerikanischen Vasallen und tributpflichtigen Staaten übersät, von denen einige allzu gern noch fester an Washington gebunden wären.“ 4 Was tributpflichtiges Vasallentum bedeutet, verdeutlichte H. Kohl, als er 1998 in einem Interview erklärte, Deutschland mußte „an die zwanzig Milliarden Mark aufbringen, weil keine deutschen Soldaten am Golfkrieg teilnahmen.“ 5 Für Z. Brzezinski gehört es zu den Imperativen imperialistischer Geostrategie, „Absprachen zwischen den Vasallen zu verhindern und ihre Abhängigkeit in Fragen der Sicherheit zu bewahren.“ 6 Das bringt es ziemlich genau auf den Begriff, wie die USA - vor allem durch ihre militärische Überlegenheit - der EU über die Dominanz der NATO gewissermaßen den geostrategischen Handlungsrahmen vorgeben. „Die europäischen Großkonzerne sind in Ermangelung einer ähnlichen militärischen Fähigkeit gezwungen, im amerikanischen Windschatten zu segeln. Die ‚Verteidigung‘ ihrer weltweiten Interessen kann daher nur im Tandem mit den US-Amerikanern geschehen und schon gar nicht gegen sie.“ 7 3 Die Zeit vom 12.06.2003, S. 8. 4 Z. Brzezinski, Die einzige Weltmacht. Weinheim, Berlin 1997, S. 64 u. 41. 5 Die Zeit vom 27.08.1998, S. 3. 6 Z. Brzezinski, a.a.O., S. 65 f. 7 R. Rupp, Bush for President, in: junge Welt vom 28.10.2004, S. 10.

Aber die Konkurrenz der Ziele und der politisch-militärischen Praktiken zwischen den USA und der EU verschwindet damit nicht. Im Gegenteil, sie ist gerade im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg der USA gegen den Irak deutlicher als je zuvor in Erscheinung getreten. Was die Expansion ihres Machtbereiches betrifft, gibt es grundsätzlich Konsens zwischen den USA und der EU. Bereits vor zehn Jahren votierte Z. Brzezinski für „eine Ausdehnung der Nato in das geopolitische Niemandsland zwischen Oder und russischer Grenze“ als einen „Prozeß, der aufs engste mit der Erweiterung der Europäischen Union verzahnt ist“ und in dem „eine stabile und sichere Ukraine“ die Funktion habe, „imperialen Versuchungen Rußlands“ entgegenzuwirken. 8 Drei Jahre später beschrieb er die Bedeutung der Ukraine in der Expansionsstrategie von USA und EU mit kaum noch zu überbietender Offenheit so: „Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Umwandlung Rußlands beiträgt. Ohne die Ukraine ist Rußland kein eurasisches Reich mehr. Es kann trotzdem nach einem imperialen Status streben, würde aber dann ein vorwiegend asiatisches Reich werden ... Wenn Moskau allerdings die Herrschaft über die Ukraine mit ihren 52 Millionen Menschen, bedeutenden Bodenschätzen und dem Zugang zum Schwarzen Meer wiedergewinnen sollte, erlangt Rußland automatisch die Mittel, ein mächtiges Europa und Asien umspannendes Reich zu werden.“ 9 Wir erleben gerade gegenwärtig, wie USA und EU diese Strategie zur Einbeziehung der Ukraine in ihren Machtbereich verstärkt umzusetzen versuchen. Gegenwärtig dominieren in der EU die Auseinandersetzungen über Wege zur Ausdehnung ihres Machtbereiches durch Integration der Türkei. Das geschieht sowohl in Konkurrenz zu den USA als auch in grundsätzlicher - letztlich auf die NATO zentrierter - geostrategischer Übereinstimmung mit den USA. Zugleich gehen die Expansionsbestrebungen der EU in Richtung Naher und Mittlerer Osten natürlich noch über die Türkei hinaus. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang folgende vor wenigen Tagen in einer konservativen deutschen Zeitung publizierte Position: „Eine mögliche Strategie könnte die Eröffnung einer gleichzeitigen Beitrittsperspektive zur EU für Israel und Palästina sein.“ Denn eine solche Strategie „würde Westeuropa erstmals in die 7 8 Z. Brzezinski, Die Reifeprüfung, in: Die Zeit vom 08.07.1994, S. 8. 9 Derselbe, Die einzige Weltmacht, a.a.O., S. 74 f.

Aber die Konkurrenz der Ziele und der politisch-militärischen Praktiken zwischen<br />

den USA und der EU verschwindet damit nicht. Im Gegenteil, sie ist<br />

gerade im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg der USA gegen den Irak<br />

deutlicher als je zuvor in Erscheinung getreten.<br />

Was die Expansion ihres Machtbereiches betrifft, gibt es grundsätzlich Konsens<br />

zwischen den USA und der EU. Bereits vor zehn Jahren votierte<br />

Z. Brzezinski für „eine Ausdehnung der Nato in das geopolitische Niemandsland<br />

zwischen Oder und russischer Grenze“ als einen „Prozeß, der aufs engste<br />

mit der Erweiterung der <strong>Europäische</strong>n Union verzahnt ist“ und in dem<br />

„eine stabile und sichere Ukraine“ die Funktion habe, „imperialen Versuchungen<br />

Rußlands“ entgegenzuwirken. 8<br />

Drei Jahre später beschrieb er die Bedeutung der Ukraine in der Expansionsstrategie<br />

von USA und EU mit kaum noch zu überbietender Offenheit so:<br />

„Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett,<br />

ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz<br />

als unabhängiger Staat zur Umwandlung Rußlands beiträgt. Ohne die Ukraine<br />

ist Rußland kein eurasisches Reich mehr. Es kann trotzdem nach einem imperialen<br />

Status streben, würde aber dann ein vorwiegend asiatisches Reich werden<br />

... Wenn Moskau allerdings die Herrschaft über die Ukraine mit ihren<br />

52 Millionen Menschen, bedeutenden Bodenschätzen und dem Zugang zum<br />

Schwarzen Meer wiedergewinnen sollte, erlangt Rußland automatisch die Mittel,<br />

ein mächtiges Europa und Asien umspannendes Reich zu werden.“ 9 Wir<br />

erleben gerade gegenwärtig, wie USA und EU diese Strategie zur Einbeziehung<br />

der Ukraine in ihren Machtbereich verstärkt umzusetzen versuchen.<br />

Gegenwärtig dominieren in der EU die Auseinandersetzungen über Wege zur<br />

Ausdehnung ihres Machtbereiches durch Integration der Türkei. Das geschieht<br />

sowohl in Konkurrenz zu den USA als auch in grundsätzlicher - letztlich<br />

auf die NATO zentrierter - geostrategischer Übereinstimmung mit den<br />

USA. Zugleich gehen die Expansionsbestrebungen der EU in Richtung Naher<br />

und Mittlerer Osten natürlich noch über die Türkei hinaus. Aufschlußreich ist<br />

in diesem Zusammenhang folgende vor wenigen Tagen in einer konservativen<br />

deutschen Zeitung publizierte Position: „Eine mögliche Strategie könnte<br />

die Eröffnung einer gleichzeitigen Beitrittsperspektive zur EU für Israel und<br />

Palästina sein.“ Denn eine solche Strategie „würde Westeuropa erstmals in die<br />

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8 Z. Brzezinski, Die Reifeprüfung, in: Die Zeit vom 08.07.1994, S. 8.<br />

9 Derselbe, Die einzige Weltmacht, a.a.O., S. 74 f.

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