AP073(2005) J. Klopfer: Europäische Friedensordnung - DSS

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54 Weiterentwicklung des Erreichten zumindest dem „strategischen Partner“ USA das Land zu sehr stärken? 6 Trotz der genannten - verantwortungslosen oder einfach nur inkompetenten, jedenfalls aber destruktiven (!) - Anfeindungen bleibt die Hoffnung, daß durch besonnenes und konstruktives politisches Handeln der Regierungen, durch das unbeeindruckte Agieren der Wirtschaft und durch mehr Gehör für kundige und daher urteilsfähige Stimmen der Schaden im Verhältnis zu Rußland und hinsichtlich originärer deutscher/europäischer Interessen in Grenzen gehalten werden kann. Sympathisanten des russischen Selbstbehauptungskampfes und Befürworter weiter entwickelter Partnerschaftsbeziehungen mit Rußland sehen sich - ungewohnt - in guter Nachbarschaft mit der in dieser Frage bisher unbeirrten deutschen Regierung. Bundeskanzler Schröder stellte dazu im Juli diesen Jahres fest: „Nie zuvor in unserer Geschichte waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland so eng und entwickelt wie heute. ... Deutschland und Russland stehen am Beginn einer strategischen Partnerschaft für ein prosperierendes Europa und eine stabile Weltordnung. ... An die Stelle jahrzehntelangen antagonistischen Denkens und Handelns ist das Bewusstsein gemeinsamer Interessen und gemeinsamer Werte getreten. Mehr als 90 Prozent der Russen bringen Deutschland heute positive Gefühle entgegen. Deutschland, Europa und Russland verfolgen gleiche oder ähnliche zentrale strategische Zielsetzungen: die Schaffung einer dauerhaften Friedensordnung für ganz Europa, die Stabilisierung unserer gemeinsamen Nachbarschaft im Nahen und Mittleren Osten, die Bekämpfung des Terrorismus und der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, schließlich die Entwicklung eines „effektiven Multilateralismus“. Zugleich haben wir die Chance, zu unserem gemeinsamen Nutzen die enormen Möglichkeiten des eurasischen Wirtschaftsraumes zu entwickeln.“ 17 Man wünscht den europäischen Regierungen und den EU-Institutionen Berater aus dem Kreis der unvoreingenommenen, kompetenten Kenner Rußlands, die allerdings in den deutschen Medien eher selten und weniger vernehmlich wahrzunehmen sind: Alexander Rahr, Programmdirektor der Körber-Arbeitsstelle Rußland/GUS und Koordinator des EU/Rußland-Forums (in Zusammenarbeit mit der EU- Kommission): „Auf der weltpolitischen Bühne muß man mit Rußland rechnen - als Macht. Nachdem die Sowjetunion vor über vierzehn Jahren zusammenbrach, befindet sich das Land unter Putin in 17 G. Schröder, Deutschland und Russland: ..., a.a.O.

einer sehr bemerkenswerten Stabilisierungs- und Konsolidierungsphase. ... Putin ... ist ein Hoffnungsträger, der Rußland aus den Wirren nicht nur der neunziger, sondern auch der achtziger Jahre konstruktiv und effektiv herausführt. ... Es gibt keine Alternative zu ihm. Dies nicht etwa, weil er politische Gegner unterdrückt, wie es fälschlicherweise im Brief der hundert Intellektuellen und Politiker an EU und Nato Ende September dargestellt worden ist. ... Er ist ein Präsident der Hoffnung.“ (S. 42) „Viele im Westen sehen ihn als autoritären Herrscher, weil er aus unserer Sicht die Demokratie einschränkt. Unserem westlichen Denk- und Demokratiemodell entspricht das nicht. Doch aus Sicht vieler Russen ist Putin sogar noch zu schwach. ... Er hat in den ersten vier Jahren sehr viel für ein liberales, wirtschaftliches Reformpaket getan. Das liberalste der russischen Geschichte. ... Und was im Westen als „Gängelei“ oder gar „Vernichtung“ der Gouverneure kritisiert wird, ist aus Sicht anderer ein eher notwendiger Schritt, um in Russland einen einheitlichen Rechtsraum zu schaffen. ... Rußland war kein gefestigter Staat. Daraus folgte die Hauptaufgabe für einen Mann wie Putin: nach dem Machtantritt erst einmal die Russische Föderation stärken, dem Staatsverband ein einheitliches Rechts- und Wirtschaftssystem geben. Demokratisierung mußte hintenanstehen. ... Im großen und ganzen denke ich jedoch, Rußland ist ein Staat, in dem Menschen leben, die ein demokratisches Modell gleichermaßen favorisieren. Aber eben nicht als Priorität begreifen wie im Westen." 18 Dr. Gabriele Krone-Schmalz, Rußlandkorrespondentin der ARD (1987-1991), während eines Studiogesprächs im TV-Sender PHOENIX am 15.09.2004 zur Rede Präsident Putins über die Reform der Machtorgane in Rußland (Mitschnitt liegt vor): (u. a.) „Auf der einen Seite erwarten wir, der Westen, daß Putin dieses Riesenland reformiert, ... damit es in den Westen mit paßt. Auf der anderen Seite schreien wir jedesmal Zeter und Mordio, wenn er seine Macht ausbaut, um dieses zu transportieren. ... Rußland ist demokratiestandardmäßig natürlich nicht mit Deutschland vergleichbar. Wie sollte es auch? Wichtig ist Stabilität, wichtig ist, daß es den Menschen dort gut geht, und ich sage Ihnen eins: das ist dann nicht die Diskussion unter den Russen, welchen Standard von Demokratie man hat, sondern daß Menschenrechte gewahrt werden, so gut es geht, daß Rechtsstaatlichkeit gesehen wird und daß man langsam, aber sicher stabiler und ordnungsmäßiger lebt. ...“ Und, zu Putins jüngsten Reformvorstößen: „Im Grunde ist es so was ähnliches wie der Patriot Act auf Russisch, und wenn unser Verhältnis grundsätzlich etwas vertrauensvoller wäre, dann würden wir das vielleicht auch nicht ganz so drastisch beurteilen, wie wir das tun. .. Es gibt sicher eine ganze Menge zu kritisieren. .. Das ist nicht der Punkt, daß man das alles kritiklos hinnimmt. ... Worum es mir geht - daß man nicht immer im Blick auf Rußland abgleitet in moralische Entrüstung .. und in pauschale Verurteilung. Und Fakt ist, daß Putin in erster Linie ein Riesenkorruptionsproblem hat und in zweiter Linie ein Terrorproblem.“ "Auf der einen Seite erwarten wir von Putin, zu Recht, daß er sein Land reformiert. Auf der anderen Seite kommentieren wir alles, was seinem Machtzuwachs dient,... als schlecht. Wie, bitte, soll er das anstellen?“ Egon Bahr sieht Rußland nicht auf einem demokratischen Weg nach westlichem Vorbild. Er erklärte (vor dem Deutsch-Russischen Forum in Berlin), der offene Brief sei die „Fortsetzung jener westlichen Illusion“, wonach die Demokratie in Rußland begonnen habe. Bahr stellte sich hinter Putin und unterstrich den Anspruch der Russen auf einen eigenen Weg. Der SPD-Außenpolitiker Erler begründete seine Unterstützungsverweigerung für den Offenen Brief damit, daß „es sich um eine aggressive Attacke handelt“. Das Schreiben enthalte 55 18 A. Rahr, Phänomen Putin. Ein Produkt der russischen Eliten (Interview), in: MUT, Forum für Kultur, Politik und Geschichte, Asendorf 2004, Nr. 448.

einer sehr bemerkenswerten Stabilisierungs- und Konsolidierungsphase. ... Putin ... ist ein<br />

Hoffnungsträger, der Rußland aus den Wirren nicht nur der neunziger, sondern auch der<br />

achtziger Jahre konstruktiv und effektiv herausführt. ... Es gibt keine Alternative zu ihm. Dies<br />

nicht etwa, weil er politische Gegner unterdrückt, wie es fälschlicherweise im Brief der hundert<br />

Intellektuellen und Politiker an EU und Nato Ende September dargestellt worden ist. ...<br />

Er ist ein Präsident der Hoffnung.“ (S. 42)<br />

„Viele im Westen sehen ihn als autoritären Herrscher, weil er aus unserer Sicht die Demokratie<br />

einschränkt. Unserem westlichen Denk- und Demokratiemodell entspricht das nicht.<br />

Doch aus Sicht vieler Russen ist Putin sogar noch zu schwach. ... Er hat in den ersten vier<br />

Jahren sehr viel für ein liberales, wirtschaftliches Reformpaket getan. Das liberalste der russischen<br />

Geschichte. ... Und was im Westen als „Gängelei“ oder gar „Vernichtung“ der Gouverneure<br />

kritisiert wird, ist aus Sicht anderer ein eher notwendiger Schritt, um in Russland<br />

einen einheitlichen Rechtsraum zu schaffen. ...<br />

Rußland war kein gefestigter Staat. Daraus folgte die Hauptaufgabe für einen Mann wie Putin:<br />

nach dem Machtantritt erst einmal die Russische Föderation stärken, dem Staatsverband<br />

ein einheitliches Rechts- und Wirtschaftssystem geben. Demokratisierung mußte hintenanstehen.<br />

... Im großen und ganzen denke ich jedoch, Rußland ist ein Staat, in dem Menschen<br />

leben, die ein demokratisches Modell gleichermaßen favorisieren. Aber eben nicht als<br />

Priorität begreifen wie im Westen." 18<br />

Dr. Gabriele Krone-Schmalz, Rußlandkorrespondentin der ARD (1987-1991), während eines<br />

Studiogesprächs im TV-Sender PHOENIX am 15.09.2004 zur Rede Präsident Putins<br />

über die Reform der Machtorgane in Rußland (Mitschnitt liegt vor): (u. a.)<br />

„Auf der einen Seite erwarten wir, der Westen, daß Putin dieses Riesenland reformiert, ...<br />

damit es in den Westen mit paßt. Auf der anderen Seite schreien wir jedesmal Zeter und<br />

Mordio, wenn er seine Macht ausbaut, um dieses zu transportieren. ... Rußland ist demokratiestandardmäßig<br />

natürlich nicht mit Deutschland vergleichbar. Wie sollte es auch? Wichtig<br />

ist Stabilität, wichtig ist, daß es den Menschen dort gut geht, und ich sage Ihnen eins: das ist<br />

dann nicht die Diskussion unter den Russen, welchen Standard von Demokratie man hat,<br />

sondern daß Menschenrechte gewahrt werden, so gut es geht, daß Rechtsstaatlichkeit gesehen<br />

wird und daß man langsam, aber sicher stabiler und ordnungsmäßiger lebt. ...“<br />

Und, zu Putins jüngsten Reformvorstößen: „Im Grunde ist es so was ähnliches wie der Patriot<br />

Act auf Russisch, und wenn unser Verhältnis grundsätzlich etwas vertrauensvoller wäre,<br />

dann würden wir das vielleicht auch nicht ganz so drastisch beurteilen, wie wir das tun. .. Es<br />

gibt sicher eine ganze Menge zu kritisieren. .. Das ist nicht der Punkt, daß man das alles kritiklos<br />

hinnimmt. ... Worum es mir geht - daß man nicht immer im Blick auf Rußland abgleitet<br />

in moralische Entrüstung .. und in pauschale Verurteilung. Und Fakt ist, daß Putin in erster<br />

Linie ein Riesenkorruptionsproblem hat und in zweiter Linie ein Terrorproblem.“<br />

"Auf der einen Seite erwarten wir von Putin, zu Recht, daß er sein Land reformiert. Auf der<br />

anderen Seite kommentieren wir alles, was seinem Machtzuwachs dient,... als schlecht. Wie,<br />

bitte, soll er das anstellen?“<br />

Egon Bahr sieht Rußland nicht auf einem demokratischen Weg nach westlichem Vorbild. Er<br />

erklärte (vor dem Deutsch-Russischen Forum in Berlin), der offene Brief sei die „Fortsetzung<br />

jener westlichen Illusion“, wonach die Demokratie in Rußland begonnen habe. Bahr stellte<br />

sich hinter Putin und unterstrich den Anspruch der Russen auf einen eigenen Weg.<br />

Der SPD-Außenpolitiker Erler begründete seine Unterstützungsverweigerung für den Offenen<br />

Brief damit, daß „es sich um eine aggressive Attacke handelt“. Das Schreiben enthalte<br />

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18 A. Rahr, Phänomen Putin. Ein Produkt der russischen Eliten (Interview), in: MUT, Forum für<br />

Kultur, Politik und Geschichte, Asendorf 2004, Nr. 448.

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