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AP073(2005) J. Klopfer: Europäische Friedensordnung - DSS

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bekundet. J. Habermas und der kürzlich verstorbene französische Philosoph<br />

J. Derrida haben in diesem Zusammenhang von einer Wiedergeburt Europas<br />

gesprochen. Mit diesem Signal für die Schaffung einer europäischen Öffentlichkeit<br />

sei das Bild eines „friedlichen, kooperativen, dialogfähigen Europas“<br />

entworfen worden. Dieses Signal zum Aufbau eines friedlichen Europa müßten<br />

die Regierenden aufgreifen und in eine „Politik der Zähmung des Kapitalismus“<br />

überführen. 13<br />

Damit ist eine erste notwendige Bedingung für einen Politikwechsel in Europa<br />

genannt. Aber ist der Kapitalismus überhaupt zu zähmen? Es entspricht<br />

seinem Wesen, auf ein ständiges Mehr, auf wachsende Warenangebote und<br />

Märkte ausgerichtet zu sein. Die einst freiheitliche, republikanische Gesellschaft,<br />

repräsentiert durch den Begriff der Polis, ist in ein großes Warenhaus<br />

verwandelt und der politische Bürger zu einem Konsumenten entmündigt<br />

worden, dessen Wertschätzung sich nach Einkommen und Kaufbereitschaft<br />

richtet. Immer stärker drängt das Kapital darauf, alle Dinge dieser Welt in eine<br />

Ware zu verwandeln und selbst die menschlichen Beziehungen nach den<br />

Vorgaben des Marktes zu regeln. Was also könnte den Kapitalismus da noch<br />

zähmen? Doch nur die Wahrnehmung seines Selbstwiderspruches, daß die<br />

grenzenlose Profitgier das eigene Fundament zerstört; nur die Einsicht, daß es<br />

natürliche Grenzen des Wachstums und damit auch der Profite gibt.<br />

Die verwundbarste Stelle der Wachstumsgesellschaft ist immer noch die Versorgung<br />

mit billiger Energie. Doch sind die fossilen Brennstoffe nicht unerschöpflich.<br />

Eine Gruppe von Fachleuten um den irischen Erdölgeologen<br />

C. Campbell hat kürzlich vor dem bald erreichten Höhepunkt der weltweiten<br />

Erdölproduktion gewarnt. Dieser Förderhöhepunkt (Peak Oil) wird bei wachsender<br />

Nachfrage, besonders aus China, etwa 2008 erreicht. Kann die Erdölförderung<br />

nicht weiter erhöht werden, ist eine Explosion der Öl- und Energiepreise<br />

und eine Depression der Weltwirtschaft zu erwarten. 14<br />

Letztlich geht es bei der Zähmung des Kapitalismus vor allem um die Besitzstandswahrung<br />

der sozialen Güter, die in langjährigen Arbeitskämpfen und<br />

unter der Bedingung der Systemkonkurrenz zwischen Ost und West errungen<br />

wurden. Den Kapitalismus zu zähmen kann gegenwärtig nur heißen, die<br />

neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik zu stoppen. Hier geht es um nicht<br />

weniger als um die Erhaltung der Lebensgrundlagen der Menschen, also um<br />

13 J. Derrida, J. Habermas, Unsere Erneuerung. Nach dem Krieg: Die Wiedergeburt Europas,<br />

in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31.05.1903. Wieder abgedruckt in: Friedensforum (Österreich),<br />

Heft 05/06/2003, S. 4-6.<br />

14 Siehe R. Poth, Öl: Fatales Finale?, in: Südwind. Magazin für internationale Politik, Kultur und<br />

Entwicklung, Wien, 25/2004, Heft 07/08, S. 17 f.

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