AP073(2005) J. Klopfer: Europäische Friedensordnung - DSS
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nicht mißbrauchen kann, wird dessen Gewalt von der exekutiven und richterlichen<br />
Gewalt getrennt.<br />
Tatsächlich ist in der <strong>Europäische</strong>n Union das Prinzip der Gewaltenteilung<br />
nicht streng gewahrt. Das EU-Parlament, das einzige direkt gewählte Organ,<br />
hat keine legislative Gewalt, sondern nur Mitwirkungsrechte und Beratungsfunktion<br />
(Art. 19,1). Dagegen besitzt die <strong>Europäische</strong> Kommission, die ernannt<br />
und nicht gewählt wird (Art. III-250), das Monopol auf Gesetzesinitiative<br />
(Art. 25,2). Sie ist neben dem Ministerrat zugleich Exekutivorgan der U-<br />
nion (Art. 25,1). Selbst die richterliche Gewalt ist eingeschränkt; denn dem<br />
<strong>Europäische</strong>n Gerichtshof wird eine Zuständigkeit für die Außen- und Sicherheitspolitik<br />
abgesprochen. 11<br />
In der Praxis wird eine Demokratie schließlich daran gemessen, wie weit die<br />
Menschenrechte eingehalten werden und ob es in sozialer Hinsicht gerecht<br />
zugeht. Nach Platon besteht Gerechtigkeit ganz einfach darin, das jeder das<br />
Seinige hat und tut 12 - also jedem nach seinen Fähigkeiten und nach seinen<br />
Bedürfnissen. Die soziale Gerechtigkeit korrespondiert also gleichermaßen<br />
mit dem, was der Einzelne leistet und zum Leben braucht.<br />
In der <strong>Europäische</strong>n Union dominiert dagegen einseitig die neoliberale Ideologie<br />
einer Leistungsgerechtigkeit, nach der der Leistungsfähige belohnt wird<br />
und der Schwache auf der Strecke bleibt. Überhaupt sind die wirtschafts-, finanz-<br />
und sozialpolitischen Umsetzungen in den einzelnen Politikbereichen<br />
der <strong>Europäische</strong>n Union in neoliberaler Handschrift geschrieben. Die wirtschaftlichen<br />
Zielvorgaben mit der Freiheit für den Personen-, Waren-,<br />
Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sollen den <strong>Europäische</strong>n Binnenmarkt<br />
verwirklichen, also die umfassende Privatisierung der öffentlichen Güter ohne<br />
Einflußnahme der Gemeinwesen vorantreiben.<br />
Notwendige Bedingungen für ein friedensfähiges Europa<br />
In absehbarer Zeit - so sind die voranstehenden Überlegungen zusammenzufassen<br />
- wird sich eine europäische <strong>Friedensordnung</strong>, die der Idee des positiven<br />
Friedens verpflichtet ist, nicht verwirklichen lassen. Dennoch, fragt man<br />
nach den Gesinnungen und Willensäußerungen der Bürger, so haben die großen<br />
Friedenskundgebungen in den verschiedenen Ländern vom 15. Februar<br />
2003 gegen den Irak - Krieg der USA einen unbedingten Friedenswillen<br />
35<br />
11 Siehe Kommission Friedenspolitik von pax Christi (Hrsg.), Eine neue Supermacht? Der<br />
EU-Verfassungsentwurf stellt die Weichen für globale Kriegsführung, Sozialabbau u.<br />
Entdemokratisierung, in: Impulse, Heft Juni/2004.<br />
12 Siehe Platon, Der Staat, 433 A-434 C.