AP073(2005) J. Klopfer: Europäische Friedensordnung - DSS

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26 Die eine liegt mehr auf der Linie des Big Deal. Sie setzt vorrangig auf den Nutzen, den die Sicherung der kapitalistischen Weltordnung durch ein amerikanisches Imperium für die eigenen Interessen haben kann, will aber mit eigenen militärischen Fähigkeiten ein Mitspracherecht und die Teilhabe an der Beute sichern. Die andere setzt mehr darauf, daß die Europäische Union ein größeres Eigengewicht in der Konkurrenz um weltpolitischen Einfluß erlangt und auf dieser Basis ihre geopolitischen Interessen auch in Entgegensetzung zu den amerikanischen verfolgen kann. Dafür will sie eigene militärische Fähigkeiten, aber diese unterscheiden sich in Stärke und Funktion qualitativ von denen der USA. Die 13 Battle Groups, die sich die EU schaffen will, sind natürlich nichts im Vergleich mit der ungeheuren Militärmacht der Vereinigten Staaten. Freilich will auch die Europäische Union mit diesen Kampfgruppen Großmachtambitionen verfolgen, entweder in Arbeitsteilung oder im Widerstreit mit den USA bei der Aufteilung von Rohstoffquellen und Märkten, also bei der Durchsetzung von Interessen des europäischen Kapitals. In einem Artikel der ZEIT gab Ch. Bertram, Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, schon frühzeitig zu erkennen, mit welchem Ziel die EU zu einer Militärmacht werden will. „Die EU ist zum unerläßlichen Machtverstärker nationaler Außenpolitik geworden“, ließ er unter der Überschrift Macht ohne Grenzen wissen, und nach ihrer Erweiterung werde die EU „dann wie eine Großmacht Außenpolitik betreiben müssen.“ Seine präzise Bestimmung dafür lautet: „Die Außenpolitik dieser Großmacht wird darüber hinaus den Ehrgeiz und die Fähigkeit verlangen, nicht nur Regional-, sondern Weltpolitik zu betreiben. Dies wird die EU zugleich in ein Rivalitätsverhältnis zu anderen großen Mächten bringen. Dann spätestens wird sich offenbaren, daß da durch Ausweitung und Konzentration ein neuer, maßgeblicher Machtfaktor der internationalen Politik entstanden ist. Es wäre die ‚Großmacht Europa’.“ 19 Ich denke, das ist deutlich und gibt Aufklärung über die strategischen Absichten. Die in der EU versammelten europäischen Mächte, samt und sonders viel zu klein, um allein eine weltpolitische Rolle spielen zu können, wollen durch Bündelung ihrer Kräfte zu einem Machtfaktor der internationalen Politik aufsteigen, womit sie unweigerlich in Rivalität zu anderen großen Mächten treten. Dieser Anspruch wird in dem Beschluß über die Europäische Sicherheitsstrategie ausdrücklich erhoben. Es heißt dort: „Als Zusammenschluß von 25 Staaten mit über 450 Millionen Einwohnern, die ein Viertel des Bruttosozialprodukts (BSP) weltweit erwirtschaften, ist die Europäische Union, der 19 Ch. Bertram, Macht ohne Grenzen, in: Die Zeit vom 08.06.2000, S. 24.

zudem ein umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung steht, zwangsläufig ein globaler Akteur.“ 20 Die Europäische Union muß allerdings schon wegen ihrer schwachen militärischen Potenzen auf die Stärke von Ökonomie und Politik setzen, um auf der Weltbühne handlungsfähig zu sein. In seiner unübertroffenen Art, die Dinge auf den Punkt zu bringen, formuliert Egon Bahr: „Krieg ist der Feind Europas. Amerika kann auf Kriegsgewinn setzen, Europa muß die Rolle des Militärischen verringern wollen.“ 21 Das ist durchaus eine objektiv gegebene Voraussetzung und ein Ansatzpunkt für eine Politik, die der nichtmilitärischen Konfliktlösung den Vorrang gibt. Dafür bestehen hier in Europa immer noch die besseren Bedingungen. Es gibt europäische „Traditionen, die dadurch begründet sind, daß sich tief ins kollektive Bewußtsein der europäischen Völker die Erfahrung von Krieg eingegraben hat. Mit Krieg als Mittel der Politik geht man inzwischen Gott sei dank sehr, sehr zurückhaltend um, ja man begreift Krieg wirklich als Ultima Ratio“, macht Gerhard Schröder geltend - als Differenz zu den USA, die Krieg im eigenen Land so nie kennen gelernt haben und deshalb „einen anderen Zugang zum und einen anderen Begriff vom Krieg“ 22 haben. Es wäre eine politische Dummheit, diese wichtige Differenz in der Haltung zum Krieg zu ignorieren, anstatt sie zu nutzen, um das irreversible Abgleiten in eine kriegerische Weltordnungspolitik zu vermeiden. Das Wichtigste für den Frieden ist, daß die Versuche, die Strategie eines amerikanischen Imperiums mit Kriegen gegen Widerständige durchzusetzen, nicht erfolgreich sind. Dazu kann die Europäische Union einiges beitragen, wenn sie ihre Stärke nicht im Militärischen sucht, sondern in ihrer Wirtschaftskraft und in ihren positiven Erfahrungen, die sie mit friedlichen Konfliktlösungen gemacht hat. Das betrifft vor allem das mit zivilen Kampfformen erreichte Ende des militarisierten Systemkonfliktes und den aus der nahezu gewaltlosen Transformation gezogenen Nutzen. In Essays in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und in der Liberation haben die Philosophen J. Habermas und J. Derrida gemeinsam mit anderen Persönlichkeiten angesichts des Irak-Krieges eine intellektuelle Initiative unternommen, um die europäische Rolle in der Welt neu zu definieren. Dabei 27 20 Ein sicheres Europa in einer besseren Welt, a.a.O. 21 E. Bahr, Der deutsche Weg. Selbstverständlich und normal, München 2003, S. 131. 22 G. Schröder, Die Krise, die Europa eint. Bundeskanzler Gerhard Schröder über die moralischen Grundlagen der Politik und die Weltordnung nach dem Irak-Krieg, in: Die Zeit vom 27.03.2003, S. 14.

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Die eine liegt mehr auf der Linie des Big Deal. Sie setzt vorrangig auf den<br />

Nutzen, den die Sicherung der kapitalistischen Weltordnung durch ein amerikanisches<br />

Imperium für die eigenen Interessen haben kann, will aber mit eigenen<br />

militärischen Fähigkeiten ein Mitspracherecht und die Teilhabe an der<br />

Beute sichern. Die andere setzt mehr darauf, daß die <strong>Europäische</strong> Union ein<br />

größeres Eigengewicht in der Konkurrenz um weltpolitischen Einfluß erlangt<br />

und auf dieser Basis ihre geopolitischen Interessen auch in Entgegensetzung<br />

zu den amerikanischen verfolgen kann. Dafür will sie eigene militärische Fähigkeiten,<br />

aber diese unterscheiden sich in Stärke und Funktion qualitativ von<br />

denen der USA. Die 13 Battle Groups, die sich die EU schaffen will, sind natürlich<br />

nichts im Vergleich mit der ungeheuren Militärmacht der Vereinigten<br />

Staaten. Freilich will auch die <strong>Europäische</strong> Union mit diesen Kampfgruppen<br />

Großmachtambitionen verfolgen, entweder in Arbeitsteilung oder im Widerstreit<br />

mit den USA bei der Aufteilung von Rohstoffquellen und Märkten, also<br />

bei der Durchsetzung von Interessen des europäischen Kapitals.<br />

In einem Artikel der ZEIT gab Ch. Bertram, Direktor der Stiftung Wissenschaft<br />

und Politik, schon frühzeitig zu erkennen, mit welchem Ziel die EU zu<br />

einer Militärmacht werden will. „Die EU ist zum unerläßlichen Machtverstärker<br />

nationaler Außenpolitik geworden“, ließ er unter der Überschrift Macht<br />

ohne Grenzen wissen, und nach ihrer Erweiterung werde die EU „dann wie eine<br />

Großmacht Außenpolitik betreiben müssen.“ Seine präzise Bestimmung dafür<br />

lautet: „Die Außenpolitik dieser Großmacht wird darüber hinaus den<br />

Ehrgeiz und die Fähigkeit verlangen, nicht nur Regional-, sondern Weltpolitik<br />

zu betreiben. Dies wird die EU zugleich in ein Rivalitätsverhältnis zu anderen<br />

großen Mächten bringen. Dann spätestens wird sich offenbaren, daß da durch<br />

Ausweitung und Konzentration ein neuer, maßgeblicher Machtfaktor der internationalen<br />

Politik entstanden ist. Es wäre die ‚Großmacht Europa’.“ 19<br />

Ich denke, das ist deutlich und gibt Aufklärung über die strategischen Absichten.<br />

Die in der EU versammelten europäischen Mächte, samt und sonders<br />

viel zu klein, um allein eine weltpolitische Rolle spielen zu können, wollen<br />

durch Bündelung ihrer Kräfte zu einem Machtfaktor der internationalen Politik<br />

aufsteigen, womit sie unweigerlich in Rivalität zu anderen großen Mächten<br />

treten. Dieser Anspruch wird in dem Beschluß über die <strong>Europäische</strong> Sicherheitsstrategie<br />

ausdrücklich erhoben. Es heißt dort: „Als Zusammenschluß von<br />

25 Staaten mit über 450 Millionen Einwohnern, die ein Viertel des Bruttosozialprodukts<br />

(BSP) weltweit erwirtschaften, ist die <strong>Europäische</strong> Union, der<br />

19 Ch. Bertram, Macht ohne Grenzen, in: Die Zeit vom 08.06.2000, S. 24.

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