AP073(2005) J. Klopfer: Europäische Friedensordnung - DSS

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10 Zum geostrategischen Grundkonsens zwischen USA und EU Bei allen Unterschieden in der Stellung zur UN und zum Völkerrecht sowie hinsichtlich der bevorzugten Mittel und Methoden zur Erreichung ihrer au ßenpolitischen Ziele besteht zwischen den USA und der EU ein fundamentaler geostrategischer Grundkonsens. Er betrifft die Neuordnung der Welt im Interesse der mächtigsten global agierenden kapitalistischen Monopole durch Beseitigung der letzten Errungenschaften antiimperialistischen und antikolonialen Befreiungskampfes im 20. Jahrhundert. Eine konservative Zeitung definierte das am Tage, als die USA ihren jüngsten Krieg gegen den Irak begannen, mit den Worten: „Der Irak soll als Feind verschwinden, indem die Amerikaner ihn mit imperialen Mitteln neu gründen. Die Verwerfungen der postkolonialen Zeit werden durch einen neuen demokratischen Kolonialismus zugeschüttet.“ 20 Dabei geht es vor allem darum, die Bodenschätze wieder zu privatisieren, die im Ergebnis des antikolonialen Befreiungskampfes Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts verstaatlicht worden waren, worauf bis heute z.B. auch die wirtschaftliche Stärke der OPEC-Staaten beruht. J. Woolsey, 1993/1994 Chef der CIA, brachte dieses strategische Ziel unmittelbar vor Beginn des jüngsten Krieges gegen den Irak mit den Worten auf den Begriff, es gehe „nicht nur um Amerikas Abhängigkeit vom Öl, sondern um die der ganzen Welt. ... Wir müssen dem Nahen Osten die Ölwaffe wegnehmen .... Wir fangen jetzt mit dem Irak an ...“ 21 Ganz in diesem Sinne rechtfertigte R. Herzinger solche Kriege als „Instrumente der Selbstbehauptung“ der „westlichen Demokratien“ und erklärte: „Dies läuft auf einen demokratischen Neokolonialismus hinaus.“ 22 Die von diesem Neokolonialismus nach dem Ende des Kalten Krieges betroffenen Völker sehen sich Mächten gegenüber, die über Monopole verfügen, denen sie bisher nichts annähernd Adäquates entgegenzusetzen hatten. S. Amin benennt fünf Monopole, „die die polarisierende Globalisierung des heutigen Imperialismus prägen: 1. das Monopol der neuen Technologien; 2. das der Kontrolle über die globalen Finanzströme; 3. die Kontrolle des Zugangs zu den Bodenschätzen des Planeten; 4. die Kontrolle der Kommunikationsmittel und Medien; 5. das Monopol der Massenvernichtungswaffen.“ 23 20 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20.03.2003, S. 37. 21 Der Spiegel, Nr. 04/2003, S. 109. 22 R. Herzinger, Wo Demokraten schießen, in: Die Zeit vom 12.06.2003, S. 8. 23 S. Amin, Kapitalismus, Imperialismus, Globalisierung, in: Marxistische Blätter, Heft 04/1998, S. 48.

Was Massenvernichtungswaffen betrifft, wirft S. Amin den USA und ihren Verbündeten vor, der Weltöffentlichkeit einen „heuchlerischen Diskurs“ aufzuzwingen, „der hinnehmen lassen soll, daß der Westen die Mittel behält, die anderen Völker mit dem Genozid zu bedrohen, ohne selbst in Gefahr zu geraten.“ 24 Er sieht die Völker der Dritten Welt von den G 7- bzw. G 8-Staaten als einer imperialen Triade bedroht: „Sie besteht aus den Ländern Europas, aus den USA und Japan.“ 25 Ähnlich sieht es die indische Schriftstellerin A. Roy, die kürzlich anläßlich der Entgegennahme des Sydney-Friedenspreises erklärte: „Während der Kampf um die Kontrolle der Weltressourcen sich intensiviert, erfährt der ökonomische Kolonialismus durch militärische Aggression ein Comeback. ... Die ‚zivilisierte, moderne‘ Welt - gewissenhaft auf einem Erbe von Genozid, Sklaverei und Kolonialismus errichtet - kontrolliert jetzt das meiste Öl der Welt. Und die meisten Waffen der Welt, das meiste Geld der Welt. Und die meisten Medien der Welt ...“ 26 In welchem Maße der geostrategische imperialistische Grundkonsens mit den USA bestimmend für die Außen- und Militärpolitik der EU ist, verdeutlichte J. Solana, als er in einem Spiegel-Interview auf die Frage, wird eine stärkere, geschlossen auftretende Europäische Union nicht in jedem Fall von den USA als Rivale empfunden?, erklärte: „Im Gegenteil: Eine stärkere Europäische Union wird ein besserer Partner für die Vereinigten Staaten sein,“ denn - so die Begründung - „bei den wirklich wichtigen Problemen haben wir die gleichen Ziele. Wir haben allenfalls Handelsprobleme zum Beispiel mit Boeing und Airbus. Aber das betrifft nicht den strategischen Bereich.“ 27 Dabei bildet die Anerkennung der Hegemonie der USA durch die EU einen festen Bestandteil der gemeinsamen Geostrategie. Das schließt die Duldung eines immer größer werdenden Außenhandelsdefizits der USA ebenso ein wie die Erfüllung US-amerikanischer Forderungen nach militärischer Aufrüstung. So hielt K. O. Hondrich der Auffassung, die USA leben wirtschaftlich bereits auf Kosten der anderen, entgegen: „Das kann man anders deuten: Die Welt gibt Amerika in Waren zurück, was sie an militärischen Diensten von ihm bekommt.“ 28 11 24 Derselbe, Das Reich des Chaos, Hamburg 1992, S. 108. 25 Derselbe, Der kapitalistische Genozid, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 07/2004, S. 823. 26 A. Roy, Die neue korporative Befreiungstheologie, in: junge Welt vom 11.11.2004, S. 11. 27 Der Spiegel, Nr. 44/2004, S. 135. 28 K. O. Hondrich, Die ordnende Gewalt, in: Der Spiegel, Nr. 25/2003, S. 58.

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Zum geostrategischen Grundkonsens zwischen USA und EU<br />

Bei allen Unterschieden in der Stellung zur UN und zum Völkerrecht sowie<br />

hinsichtlich der bevorzugten Mittel und Methoden zur Erreichung ihrer<br />

au ßenpolitischen Ziele besteht zwischen den USA und der EU ein fundamentaler<br />

geostrategischer Grundkonsens. Er betrifft die Neuordnung der Welt im Interesse<br />

der mächtigsten global agierenden kapitalistischen Monopole durch<br />

Beseitigung der letzten Errungenschaften antiimperialistischen und antikolonialen<br />

Befreiungskampfes im 20. Jahrhundert. Eine konservative Zeitung definierte<br />

das am Tage, als die USA ihren jüngsten Krieg gegen den Irak begannen,<br />

mit den Worten: „Der Irak soll als Feind verschwinden, indem die Amerikaner<br />

ihn mit imperialen Mitteln neu gründen. Die Verwerfungen der postkolonialen<br />

Zeit werden durch einen neuen demokratischen Kolonialismus zugeschüttet.“<br />

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Dabei geht es vor allem darum, die Bodenschätze wieder zu privatisieren, die<br />

im Ergebnis des antikolonialen Befreiungskampfes Anfang der 70er Jahre des<br />

vorigen Jahrhunderts verstaatlicht worden waren, worauf bis heute z.B. auch<br />

die wirtschaftliche Stärke der OPEC-Staaten beruht. J. Woolsey, 1993/1994<br />

Chef der CIA, brachte dieses strategische Ziel unmittelbar vor Beginn des<br />

jüngsten Krieges gegen den Irak mit den Worten auf den Begriff, es gehe<br />

„nicht nur um Amerikas Abhängigkeit vom Öl, sondern um die der ganzen<br />

Welt. ... Wir müssen dem Nahen Osten die Ölwaffe wegnehmen .... Wir fangen<br />

jetzt mit dem Irak an ...“ 21 Ganz in diesem Sinne rechtfertigte R. Herzinger<br />

solche Kriege als „Instrumente der Selbstbehauptung“ der „westlichen<br />

Demokratien“ und erklärte: „Dies läuft auf einen demokratischen Neokolonialismus<br />

hinaus.“ 22<br />

Die von diesem Neokolonialismus nach dem Ende des Kalten Krieges betroffenen<br />

Völker sehen sich Mächten gegenüber, die über Monopole verfügen,<br />

denen sie bisher nichts annähernd Adäquates entgegenzusetzen hatten.<br />

S. Amin benennt fünf Monopole, „die die polarisierende Globalisierung des<br />

heutigen Imperialismus prägen: 1. das Monopol der neuen Technologien;<br />

2. das der Kontrolle über die globalen Finanzströme; 3. die Kontrolle des Zugangs<br />

zu den Bodenschätzen des Planeten; 4. die Kontrolle der Kommunikationsmittel<br />

und Medien; 5. das Monopol der Massenvernichtungswaffen.“ 23<br />

20 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20.03.2003, S. 37.<br />

21 Der Spiegel, Nr. 04/2003, S. 109.<br />

22 R. Herzinger, Wo Demokraten schießen, in: Die Zeit vom 12.06.2003, S. 8.<br />

23 S. Amin, Kapitalismus, Imperialismus, Globalisierung, in: Marxistische Blätter,<br />

Heft 04/1998, S. 48.

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