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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 2: <strong>Die</strong> deutsche Freihandelspartei und <strong>der</strong> deutsche Liberalismus 71<br />

Der standige Vorsitzende Karl Braun riihmt den KongreB zu recht dafur, daB<br />

er praktische Ergebnisse erzielte, wie sie keine an<strong>der</strong>e Vereinigung in Europa<br />

vorweisen konnte. 22<br />

Nach 1871 waren die meisten liberalen Refonnen fester Bestandteil <strong>der</strong> Gesetzesstruktur<br />

des Reiches, und an<strong>der</strong>e Refonnen, zum Beispiel die Miinzeinheit auf<br />

<strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Goldwahrung (im ubrigen ein weiterer Vorschlag des Kongresses)<br />

wurden in den fruhen siebziger Jahren von <strong>der</strong> kaiserlichen Regierung verwirklicht.<br />

Vor aHem im Bereich des intemationalen Handels wurden die vom KongreB<br />

verfochtenen Ideen zunehmend zur Grundlage staatlicher Betatigung. Der<br />

Freihandel schien alles iiberrollt zu haben. 1876 verkiindete Ludwig Bamberger:<br />

"Niemand wagt mehr uns heute das alte Lied von dem Schutzzoll vorzutragen. Es<br />

ist ja auch nicht mehr moglich, es gibt keine Schule mehr, keine Lehrer, keine<br />

Doktrin, in Deutschland wenigstens, die den Schutzzoll vertritt." (Bueck, 1902, S.<br />

136) Kaum drei Jahre spater jedoch an<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Mann, <strong>der</strong> diese Politik betrieben<br />

hatte, <strong>der</strong> Freihandler-Held Bismarck, seine Meinung, und die Welt des Freihandels<br />

sollte iiber Nacht eine an<strong>der</strong>e werden.<br />

IV. Der Pakt mit Bismarck<br />

1863, inmitten des preuBischen Verfassungskonfliktes, fugte Prince-Smith seinem<br />

Essay "Der Markt" einige im Geiste <strong>der</strong> Industrialistes geschriebene Satze<br />

zur wahren Bedeutung politischen Fortschritts hinzu. Er fiihrt in diesem Zusammenhang<br />

die Notwendigkeit des Staates, wie es damals gang und gabe war, auf<br />

die Tatsache zuriick, daB "neben <strong>der</strong> Notigung, Befriedigung durch Arbeit zu<br />

schaffen, [...] [<strong>der</strong> Mensch auch] die Neigung [hat], sie in <strong>der</strong> Gewalt zu suchen."23<br />

Wahrend <strong>der</strong> Staat somit notwendig sei, urn gewisse Individuen davon<br />

abzuhalten, ihre Bedurfnisbefriedigung durch Gewaltanwendung zu betreiben,<br />

erfo1ge <strong>der</strong> staatlich gewahrte Schutz seinerseits jedoch "oft auf eine willkiirliche,<br />

22 Hentschel (1975, S. 167f). Vgl. Julius Fauchers Kommentar zum KongreB in Faucher<br />

(1870a, S. 165f): "<strong>Die</strong> machtig durchgebrochene wirtschaftliche Reform, des Ganzen wie <strong>der</strong><br />

Teile, ist fast ausschlieBlich sein Werk.'" <strong>Die</strong> Errungenschaften <strong>der</strong> Freihandler in dieser Periode<br />

wurden selbst von ihren Gegnern anerkannt~ siehe etwa Gehrig (1914, S. 119, Anm. 1<br />

und S. 120).<br />

23 <strong>Die</strong>ser Gemeinplatz <strong>der</strong> franzosisch-deutschen liberalen Gesellschaftswissenschaft des 19.<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts wurde zurn Ausgangspunkt fur Franz Oppenheirners Untersuchung des Staates,<br />

die 1909 erstmals veroffentlicht wurde: "Es gibt zwei grundsatzlich entgegengesetzte Mittel,<br />

mit denen <strong>der</strong> iiberall [durch den] gleichen Trieb <strong>der</strong> Lebensfursorge in Bewegung gesetzte<br />

Mensch die notigen Befriedigungsmittel erlangen kann: Arbeit und Raub [...] die eigene<br />

Arbeit und de[r] aquivalenten Tausch gegen fremde Arbeit [heiBt] das ,okonomische Mittel',<br />

und die unentgoltene Aneignung frem<strong>der</strong> Arbeit das ,politische Mittel' <strong>der</strong> Bediirnisbefriedigung<br />

[...]'" Oppenheimer stellt dann seine klassische Definition des Staates vor: "Der Staat ist<br />

die Organisation des politischen Mittels.'" Oppenheimer (1990, S. 20f).

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