20.11.2013 Aufrufe

Die Partei der Freiheit

Die Partei der Freiheit

Die Partei der Freiheit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

42 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />

100.000 sozialdemokratischen Funktionaren in den Verwaltungen verschiedener<br />

Wohlfahrtsamter des Reiches beigetragen haben (Steinmetz, 1991, S. 33).<br />

<strong>Die</strong> Kehrseite <strong>der</strong> Staatsbegeisterung war die Verunglimpfung individueller<br />

Bestatigung, vor allem auf okonomischem Gebiet. In jenen Jahren vollzog sich<br />

<strong>der</strong> Zusammenbruch <strong>der</strong> liberalen Idee <strong>der</strong> individuellen <strong>Freiheit</strong> als dem Weg,<br />

<strong>der</strong> zu gesellschaftlichen Verbesselungen fuhI1. Selbst jene, die sich, wie<br />

Friedrich Naumann, fur Liberale hielten, verabschiedeten sich von <strong>der</strong> liberalen<br />

Grundkonzeption des Vorrangs <strong>der</strong> burgerlichen Gesellschaft und bejubelten den<br />

Staat als den vorherbestimmten Organisator und Lenker <strong>der</strong> Gesellschaft.<br />

Mit Ausbruch des Krieges konnte die pausenlose anti-kapitalistische, anti-utilitaristische<br />

und anti-"egoistische" Propaganda uber zwei o<strong>der</strong> mehr Generation<br />

hin ihre Ernte einbringen. Der Kriegssozialismus wurde die Politik aller wichtigen<br />

kriegfiihrenden Nationen, doch keine ergab sich ihm wie Deutschland. In<br />

Deutschland harte das allgemeine Absinken in die kollektivistische Hysterie eine<br />

beson<strong>der</strong>e anti-kapitalistische Note. Theologen, die den Krieg in ihren Schriften<br />

rtihmten, weil "wir [...] uber den Mammondienst des Kramersinns den Idealismus<br />

geistigen Strebens erheben," (CJreschat, 1986, S. 50) waren nicht untypisch.<br />

Es solI nicht verschwiegen werden, daB die deutschen Intellektuellen, die im<br />

Ersten Weltkrieg zu freiwilligen Propagandisten ihI-es Staates wurden, so unrtihmIich<br />

ihre Bemuhungen auch waren, einigen ihI-er Gegenspieler im Ausland<br />

nicht das Wasser reichen konnten. Nichts in <strong>der</strong> deutschen Kriegspropaganda<br />

kommt etwa dem AuflUf zum VolkelIDord gleich, den die Erkialung Rudyard<br />

Kiplings yom Mai 1916 durchblicken laBt "Wir mussen einsehen, daB - wann<br />

auch immer ein deutscher Mann o<strong>der</strong> eine deutsche Frau einen geeigneten Boden<br />

findet, auf dem sie gedeihen - er o<strong>der</strong> sie Tod und Verlust fur die zivilisierten<br />

Menschen bedeuten, genau wie Keime einer Krankheit [...] HaB o<strong>der</strong> Zorn o<strong>der</strong><br />

Aufregung haben mit diesem Sachverhalt genauso wenig zu tun wie das Auswaschen<br />

eines Spulbeckens."48<br />

<strong>Die</strong> deutsche Propaganda ist bedeutsam, weil sie offensichtlich die Frucht<br />

desjenigen Wertesystems war, das seit langer Zeit von so vielen Seiten gepredigt<br />

wurde. <strong>Die</strong>ses fand seine Verherrlichung und zugleich seine reductio ad<br />

absurdum in einem Werk desjenigen Gelehrten, del' damals wahrscheinlich <strong>der</strong><br />

bekannteste Wirtschaftshistoriker <strong>der</strong> Welt war, namlich in Handler und He/den<br />

von Werner Sombart (1915). <strong>Die</strong>sem Buch, das seinerzeit insbeson<strong>der</strong>e unter<br />

Intellektuellen enormes Aufsehen erregte, liegt die These zugrunde, daB die<br />

Weltgeschichte ein ewiger Streit zwischen Handiergeist und Heldengeist sei.<br />

Handler und HeIden seien heute in zwei Volkern verkorpert, Englan<strong>der</strong>n auf <strong>der</strong><br />

einen Seite und Deutschen auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en. <strong>Die</strong> Handler seien Egoisten und von<br />

Gewinnsucht getrieben, wamend die HeIden - selbst. wenn sie Kaufleute <strong>der</strong><br />

Hanse sind - dem Diktat <strong>der</strong> Pflicht folgen. Soweit es nicht einen Lobgesang auf<br />

48 Wilson (1977, S. 299f.). Kipling fugte hinzu: "was uns anbelangt, so ist <strong>der</strong> Deutsche ein<br />

Typhus o<strong>der</strong> eine Plage. '"

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!