Die Partei der Freiheit
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38 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
Staates in immer weitere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens mehr und mehr<br />
gewohnt." (Gall, 1980, S. 478)<br />
VII. Der Staatssozialismus uDd die SOD<strong>der</strong>interesseD<br />
<strong>Die</strong> liberale Gesellschaftskonzeption beruht darauf, daB sich die Gesellschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
jenem System allgemeiner Regeln verpflichtet fuhlen, die dieses<br />
Modell definieren. Vor allem gilt, daB das Individuum seine Interessen im<br />
Rahmen freiwilliger Tauschhandlungen verfolgt, nicht aber durch MiBbrauch <strong>der</strong><br />
Staatsgewalt. <strong>Die</strong>se Konzeption wurde im Zuge des Entstehens <strong>der</strong> Massendemokratie<br />
durch das Aufkommen <strong>der</strong> Interessenpolitik zerstort. Dadurch sank die<br />
Bedeutung des Liberalismus fur die modeme Politik.<br />
In DeutscWand setzt dieser ProzeB mit fast wissenschaftlicher Genauigkeit mit<br />
<strong>der</strong> Wende zum Protektionismus in den spaten 1870er Jahren ein (siehe z.B.<br />
Lambi (1963, passim). Nach <strong>der</strong> Freihandelsperiode des Norddeutschen Bundes<br />
und den ersten Jahren des Bismarck-Reiches setzte, vor allem mit <strong>der</strong> Depression<br />
des Jahres 1873, eine Reaktion ein. Son<strong>der</strong>interessen, wie die <strong>der</strong> Eisen-, Textilund<br />
chemischen Industrie, sowie die ostelbischen Agrarier, organisierten sich<br />
glanzend. 1873 entstand <strong>der</strong> Verein Deutscher Eisen- und Stahl-Industrieller, wenige<br />
Jahre spater <strong>der</strong> umfassen<strong>der</strong>e Zentralverband Deutscher Industrieller. Von<br />
beguterten Aristokraten gefuhrt, bildeten die Agrarier die Vereinigung <strong>der</strong> Steuerund<br />
Wirtschaftsreformer; spater wurde <strong>der</strong> Bund <strong>der</strong> Landwirte Reprasentant <strong>der</strong><br />
Agrarier und zu einer gewichtigen Macht im Staate. Ziel all dieser Gruppen war<br />
eine Neufestsetzung <strong>der</strong> Zolle, welche den Vereinsmitgliedem zugute kommen<br />
sollte.<br />
<strong>Die</strong> Strategie <strong>der</strong> Produzentenvereinigungen stimmte mit Bismarcks staatssozialistischen<br />
Planen weitgehend uberein. Danach sollten Gruppielungen, die<br />
Wi11schaftsinteressen vertraten, an die Stelle <strong>der</strong> politischen Pa11eien, die abstrakten<br />
Prinzipien huldigten treten. 45 Bismarcks Plane standen in direktem Gegensatz<br />
zu den grundlegenden liberalen Dberzeugungen. <strong>Die</strong> liberale Position im<br />
Jahre 1858 harte in Bohmerts ursprunglichem "Aufruf zu einem Kongress deutscher<br />
Volkswi11e" schon recht fruh eine musterhafte FolIDulielung gefunden:<br />
"Wir wollen nicht einen einzelnen Stand und seine speziellen Interessen vertI·eten.<br />
Nur wer sich dessen bewuBt ist, daB seine Interessen zugleich denen <strong>der</strong> Gesamtheit<br />
des Volkes entsprechen, solI uns mit seinen berechtigten Wunschen<br />
willkommen sein." (Grambow, 1903, S. 12)<br />
45 Wie Theodor Barth spater kommentierte: "Wenn unser gesamtes politisches Leben sich gegenwartig<br />
urn Interessenkarnpfe dreht, so hat die Bisrnareksehe Sehulung sieherlieh nieht wenig<br />
zu dieser Entwieklung beigetragen.'" Barth (1904, S.IO).