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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 1: Deutscher Liberalismus - ein Oberblick 37<br />

Liberty die Hicherliche Behauptung wagt "ein einzelner Jesuit ist im hochsten<br />

MaBe <strong>der</strong> Emiedrigung <strong>der</strong> Sklave seines Ordens," (Mill, 1977, S. 308) erkHirt<br />

Virchow seinerseits: "Je<strong>der</strong> Fortschritt, den eine Kirche im Aufbau ihrer Dogmen<br />

macht, ftihrt zu einer weitergehenden Bandigung des freien Geistes." (Vasold,<br />

1988, S. 279) <strong>Die</strong>jenigen, die dazu neigen, den Liberalismus im Sinne Mills und<br />

Virchows zu verstehen, sollten vielleicht tiber die Worte Rainer Kochs nachdenken:<br />

"Wer heute in dem Sinn einer "offenen Gesellschaft" das Wort redet, daB er meint,<br />

die Atomisierung <strong>der</strong> Individuen, die SouveraniHitserkHirung <strong>der</strong> Monaden, sei <strong>der</strong><br />

Weg in <strong>Freiheit</strong> und Selbstbestimmung, <strong>der</strong> wird, auch wenn er dies nicht will, ja,<br />

wenn es gegen seine erklarte Absicht geht, zum heimlichen Verbiindeten, zum<br />

Wassertrager des burokratischen Interventionismus." (Koch, 1987, S. 54)<br />

Ludwig Bamberger, ein an<strong>der</strong>er prominenter Liberaler, unterstiitzte den Kulturkampf<br />

unter an<strong>der</strong>em deshalb, weil er die Bildung einer Front anti-kapitalistischer<br />

Elemente, darunter die Sozialisten und das Zenttum, spu11e, die die neugewonnenen<br />

wirtschaftlichen <strong>Freiheit</strong>en bedrohten. Abel' auch Bamberger glaubte,<br />

daB er die Sache <strong>der</strong> Gedankenfreiheit und die Aufhebung <strong>der</strong> Bevormundung<br />

for<strong>der</strong>e. Unter Hinweis auf eine guerre it outranee gegen die katholischen Krfifte<br />

bekampften er und an<strong>der</strong>e Liberale zusammen mit del' Reichsregielung und <strong>der</strong><br />

preuBischen Regielung die "nie versagende Maschine," welche kein Glied mhre,<br />

"ohne daB es von oben (d.h. von Rom) befohlen" werde. Gegen solch einen<br />

Feind war es notwendig, "mit moglichster Kaltbhitigkeit sich auszumsten," und<br />

ftir Ausnahmegesetze zu stimmen, die den Grundsatz <strong>der</strong> Rechtsstaatlichkeit zur<br />

Karikatur machten (Weber, 1987, S. 160ff., insbeson<strong>der</strong>e S. 171).<br />

Mit dem Tode Pius IX. im Jahre 1878 zeichnete sich ein KompromiB zwischen<br />

Bismarck und dem Vatikan abo Auch jetzt noch, da ein Katholikengesetz nach<br />

dem an<strong>der</strong>en aufgehoben o<strong>der</strong> gean<strong>der</strong>t wurde, geschah dies gegen die Stimmen<br />

einer Mehrheit del' national- und vieleI' del' linksliberalen Abgeordneten. Virchow<br />

kampfte ein Ruckzugsgefecht, urn so viel wie moglich vom alten Unterdrtikkungssystem<br />

zu retten, doch sein EinfluB lieB nacho Richter selbst war, wie die<br />

offizielle katholische Geschichte des Kulturkampfes zugesteht, "nie ein professioneller<br />

Kulturkampfer." (Kissling, 1916, S. 286, 297, 316) Noch 1882 hatte<br />

Virchow die Stirn, zu erkHiren: "Wir wollen we<strong>der</strong> die <strong>Freiheit</strong> noch die Unfreiheit<br />

<strong>der</strong> Kirche, am liebsten wollen wir gar keine Kirche." (Kissling, 1916, S.<br />

286)<br />

Lothar Gall hat wachen Auges die langfristige Bedeutung des Kulturkampfes<br />

so beschrieben:<br />

"Der eigentliche Sieger war eine iibergreifende und iiberpersonliche Tendenz [...]<br />

zu immer tieferen Eingriffen des Staates in alle individuellen und gesellschaftlichen<br />

Verhaltnisse [...] <strong>Die</strong> starken Reserven, die gegen den mo<strong>der</strong>nen Interventionsstaat<br />

im liberalen Zeitgeist bestanden, wurden durch ihn [... ] abgebaut [...] <strong>der</strong> absolutistische<br />

Staat [war] im Vergleich zu dem, was nun heraufzog, in vieler Hinsicht ein<br />

formlicher Nachtwachterstaat [... ] <strong>der</strong> Kulturkampf hat eben hier als erster entscheidende<br />

Wi<strong>der</strong>stande abgebaut. Durch ihn hat man sich an den Eingriff des

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