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Die Partei der Freiheit

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Kapitell: Deutscher Liberalismus - ein Oberblick 35<br />

<strong>Die</strong> deutschen Liberalen konnten in weiten Teilen mit den Beftirchtungen<br />

eines Jacob Burckhardt nichts anfangen, ftir den die groBe Gefahr darin lag, daB<br />

<strong>der</strong> Staat zunehmend die burgerliche Gesellschaft einschlieBlich <strong>der</strong> Religion in<br />

sich aufsaugen wiirde: "Das Wichtigste abel' ist, daB sich die Grenzen zwischen<br />

den Aufgaben von Staat und Gesellschaft ganzlich zu verriicken drohen. [...] Man<br />

will eben die groBten Hauptsachen nicht mehr del' Gesellschaft tiberlassen."<br />

(Burckhardt, 1978, S. 135; siehe auch Bornkamm, 1950, S. 69f.).<br />

Das war im· ubrigen eine Gefahr, die seit langem schon in Frankreich erkannt<br />

worden war. Seit Constant und Mme de Stael agierten die franzosischen Liberalen<br />

vor einem Hintergrund, an dessen vor<strong>der</strong>ster Stelle die Lehren <strong>der</strong> Revolution<br />

und <strong>der</strong> napoleonischen Epoche standen. Daher begriffen sie, daB die Modeme<br />

die standige Bedrohung durch staatliche Allgewalt in sich trug. Ob nun die Verfassungsfragen<br />

im Detail geklart waren o<strong>der</strong> nicht - die Herrschaft del' Kirche<br />

tiber den Staat war jedenfalls keine aktuelle Streitfrage mehr. Was man vielmehr<br />

zu ftirchten hatte, war die Herrschaft des Staates tiber die Kirche und die btirgerliche<br />

Gesellschaft. Deswegen muBten religioses Leben und religiose Institutionen<br />

als Gegengewicht zur "Allmacht des modemen Staates" begriiBt werden. Man<br />

ftihlt sich an Jacobis Emporung erinnert, die er in den letzten Tagen des alten<br />

Regimes gegen die Aufklarer richtete, welche "in unserm Jahrhun<strong>der</strong>t" den<br />

"Aberglauben" ftir geHihrlicher ansehen, als die anwachsende Macht des weltlichen<br />

Despotismus.<br />

David Blackbourn hat einiges von dem festgehalten, was deutsche Katholiken<br />

zum gesellschaftlichen Reichtum beigesteue11 haben: "unabhangige Priesterseminare,<br />

geschlossene Orden, katholische Schulen und ein ausgedehntes N etz karitativer<br />

Stiftungen." (Blackbourn, 1988, S. 17) Anstatt in diesen vielfachen Beschrankungen<br />

<strong>der</strong> Staatsausdehnung - o<strong>der</strong> etwa in Bischof Kettelers Einwendungen<br />

gegen den Sedanstag - die Keime des Wi<strong>der</strong>stands gegen die Vennessenheit<br />

des modemen Staates zu erkennen, griffen die Liberalen die Wurzeln dieses<br />

machtigen potentiellen Verbtindeten an, und dies mit einer oft erstaunlichen<br />

Heftigkeit.<br />

Der Urheber des Begriffs "Kulturkampf' war auch einer seiner Hauptideologen.<br />

Rudolf Virchow war ein weltbekannter Wissenschaftler und tiber Jahrzehnte<br />

und alle Splitterungen del' linksliberalen <strong>Partei</strong> hinweg del' treue Verbtindete<br />

Eugen Richters im Reichstag und im preuBischen ·Abgeordnetenhaus. Was den<br />

Kulturkampf anging, so war er freilich ein Fanatiker: Wie unerheblich del' gerade<br />

diskutierte Punkt auch immer sein mochte, er "konnte einfach nicht aufboren," in<br />

haufig wilden und tiberspannten Worten gegen die Kirche zu wettem (Boyd,<br />

1991, S. 156).<br />

Wenn Virchow auch kein Materialist im su"engen Sinne war, so war er doch<br />

sicherlich ein Rationalist, bei dem nicht nur jede Spur eines religiosen Glaubens<br />

Gewahrung neuer <strong>Freiheit</strong>en. Es ist vollig deutlich, aus welchen weltanschaulichen Voraussetzungen<br />

<strong>der</strong> Liberalismus diesen Wi<strong>der</strong>spruch auf sich nehmen muBte."

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