Die Partei der Freiheit
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Kapitel 1: Deutscher Liberalismus - ein Oberblick 21<br />
1973, S. 64ff., Anm. 85) Jacobi erkHirt: "ich argere mich uber die Dummheit <strong>der</strong><br />
Leute, die in unserm Jahrhun<strong>der</strong>t den Aberglauben fur geHihrlicher ansehen, als<br />
die anwachsende Macht unumschrankter Alleinherrscher." (Jacobi, 1987, S. 35,<br />
Hervorhebung im Original.) Er stellt fest:<br />
"Was den Despotismus aniangt, <strong>der</strong> sich einzig und ailein auf Aberglauben griindet,<br />
so halte ich auch diesen fur weniger schlimm als den weltlichen. Jener entzieht<br />
dem Verstande die Erleuchtung nur gleich einer Wolke, die vor die Sonne tritt. [...]<br />
Der weltliche Despotismus hingegen greift die Vernunft in ihrem Keirn an. [...] Nur<br />
dieses muB ich noch erinnern, daB <strong>der</strong> Aberglaube, so lange weltlicher Despotismus<br />
nicht mit ihm gemeine Sache macht, dem menschlichen Charakter nicht, wie<br />
dieser, aIle Wurde raubt, son<strong>der</strong>n ihm Entwicklung in reichem Ma13e gestattet [...]"<br />
(Jacobi, 1987 S. 117f., Hervorhebung im Original.)<br />
In diesel' Sache versetzt Jacobi nicht nur den deutschen Aufklarem, sondem<br />
mithin auch <strong>der</strong>en geistigen Vatem in Frankreich einen liberalen Hieb. Er nimmt<br />
das nachrevolutionare Urteil von Benjamin Constant vorweg, daB <strong>der</strong> Kampf <strong>der</strong><br />
Aufklarung gegen katholische Kirche und religiosen Glauben nicht nur zunehmend<br />
unnotig, sondem sogar hochst gefahrlich sei, da er die Aufmerksamkeit von<br />
<strong>der</strong> neuen und sehr realen Bedrohung ablenke, die vom allumfassenden Staat<br />
ausgeht. Jacobi gab auch das Urbild einer ideal-liberalen Antwort auf den Kulturkampf,<br />
den die ideologischen Abkommlinge seiner aufklarerischen Gegner ein<br />
knappes Jahrhun<strong>der</strong>t spater in Gang setzen sollten. Wahrend <strong>der</strong> Franzosischen<br />
Revolution, <strong>der</strong>en leidenschaftlicher Beobachter er war, griff Jacobi verstarkt<br />
diejenigen an, die bereit waren, die individuelle <strong>Freiheit</strong> zu untergraben und die<br />
Macht des Staates zur Verwirklichung ihrer "rationalistischen" Werte unbegrenzt<br />
auszudehnen.<br />
Jacobis Denken muBte fur Constant von Interesse sein. SchlieBlich bestand<br />
eine tiefe Dbereinstimmung zwischen Constants Ideen und dem, was Mme de<br />
Stael von Jacobi sagt: "Er war <strong>der</strong> erste, <strong>der</strong> die auf Interesse gegrundete Moralitat<br />
bekampfte, und indem er das religiose Empfinden als Glundsatz seines eigenen<br />
Moralsystems ansah, schuf er eine von Kant verschiedene Lehre." (Mme de<br />
Stael, 1959, S. 342) Auch in einem an<strong>der</strong>en wichtigen Bereich tiberschnitt sich<br />
Jacobis Denken mit dem von Constant - was angesichts des starken Einflusses<br />
<strong>der</strong> schottischen AufkHiIung auf beide Denker vielleicht nicht velwun<strong>der</strong>lich ist:<br />
<strong>Die</strong> ganze Problematik namlich, wie eine freiheitliche Ordnung in del' modelnen<br />
Gesellschaft bewahrt werden konnte. Jacobi zufolge muB die Rechtssttuktur einer<br />
solchen Ordnung ihrerseits vom "lebendigen Willen des Volkes" getragen werden.<br />
Doch wie ist das moglich, wenn sich die Bevolkerung stattdessen egoistischen<br />
Vergnugen hingibt? Jacobi sieht einen moglichen Ausweg aus diesem Dilemma<br />
in <strong>der</strong> Beteiligung des Volkes an <strong>der</strong> "Staatsverwaltung." Dadurch wiirden<br />
die Menschen in staatsbtirgerlichen Idealen und in <strong>der</strong> Anteilnahme am Leben<br />
ihrer eigenen freien Gesellschaft geschult.<br />
<strong>Die</strong>s war zum Teil die Lasung, zu <strong>der</strong> Constant - und nach ihm vor allem<br />
Tocqueville - gelangten. Karl Homann wirft die interessante Frage auf, ob dies<br />
Jacobi nicht als Liberalen im gewahnlichen Wortsinne disqualifiziert, und in <strong>der</strong>