Die Partei der Freiheit
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8 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
raturgeschichte an<strong>der</strong>er Nationen nicht ihresgleichen findet, wird vielleicht nicht<br />
gentigend gewiirdigt. Zudem brachte Deutschland mit Immanuel Kant und Wilhelm<br />
von Humboldt zwei Geistesheroen des Liberalismus hervor, <strong>der</strong>en Ideen das<br />
liberale Denken bis auf den heutigen Tag beschaftigen.<br />
Doch auch damber hinaus entstand im 18. Jahrhun<strong>der</strong>t in Deutschland liberales<br />
Gedankengut, welches erst jetzt durch das Werk von Gelehrten wie <strong>Die</strong>thelm<br />
Klippel bekannt wurde. ObwoW dieser deutsche Friihliberalismus haufig von<br />
westlichen Modellen inspiriert war, iibte er seIber wie<strong>der</strong>um eine tiefe Wirkung<br />
auf den Liberalismus im allgemeinen aus. Benjamin Constant und Mme de Stael,<br />
die Quellen <strong>der</strong> fruchtbarsten A<strong>der</strong> des liberalen Denkens im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t,<br />
verdanken ibm ihre Ideen. Mme de Staels Achtung vor <strong>der</strong> deutschen AufkHirung<br />
ist bekannt; weniger bekannt ist die Haltung Constants, <strong>der</strong> am Ende des 18.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts schrieb: "In den letzten zwanzig Jahren erfuhren les lumieres in<br />
Deutschland einen erstaunlichen Fortschritt; kein an<strong>der</strong>es Volk besitzt stichhaltigere,<br />
tiefere und reifere Ideen als die Deutschen." (Guillemin, 1958, S. 123£.) So<br />
viel Irrefiihrendes und Beschuldigendes wurde tiber den "deutschen Son<strong>der</strong>weg"<br />
geschrieben, daB es wichtig ist, diese Tatsache zu betonen: Was <strong>der</strong> allgemeine<br />
Liberalismus in <strong>der</strong> Tradition von Constant und Stael am deutschen Denken jener<br />
Zeit so lohnend fand, war genau das, was dieses von <strong>der</strong> franzosischen AufkHi.<br />
rung unterschied, vor allem das deutsche Verstandnis fUr den Wert religiasen<br />
Glaubens und die nicht-hedonistische Ethik.<br />
Wie in allen an<strong>der</strong>en Landem war im Deutschland des spaten 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
<strong>der</strong> Wil1schaftsliberalismus ein Glundbestandteil del' Gegenwehr gegen den Absolutismus.<br />
Gegen Mitte des 19. Jahrhundel1s waren liberale Schriftsteller und<br />
Aktivisten in <strong>der</strong> Lage, den Weg aus del' - die Deutschen genau wie an<strong>der</strong>e europaische<br />
Volker bedrohenden - Bevolkerungskrise zu weisen, und die Neuordnung<br />
des sozialen und wirtschaftlichen Lebens zu fardem. <strong>Die</strong> Ara des graBten liberalen<br />
Einflusses - die 1860er und 1870er Jahre - sah die Schaffung eines vereinigten<br />
deutschen Staates, eines Rechtsstaates, del' sich auf Privateigentum und Vertragsfreiheit<br />
griindete. In den Worten Knut Borchardts:<br />
"Urn 1870 hatte sich die neue kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung<br />
bereits weitgehend durchgesetzt. Darnit war auch das Wachsturn ,institutionalisiert'.<br />
Es waren Institutionen geschaffen, die eine effizientere Allokation <strong>der</strong><br />
Ressourcen, hohe Kapitalbildung und eine gro13ere Rate technischen Fortschritts<br />
gleichsam erzwangen." (Borchardt, 1985, S. 57)<br />
Weiterhin bestanden Mangel, wie tiberall, doch es gab keinen Grund zu <strong>der</strong><br />
Annahme, daB sie nicht im liberalen Sinn behoben werden konnten. Mit Hilfe des<br />
Liberalismus war den Deutschen ein Haus gegeben, in dem sie friedlich und in<br />
zunehmendem Wohlstand leben konnten.<br />
Mit Beginn <strong>der</strong> 1870er Jahre setzte jedoch in intellektuellen Kreisen und auf<br />
hochster Regierungsebene eine anti-liberale Reaktion ein, die sich bald schon in<br />
Wahlergebnissen nie<strong>der</strong>schlug. Es begann <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>gang des deutschen Liberalismus<br />
und mithin ein ProzeB, in dem sein groBter politischer Ftihrer, Eugen