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Die Partei der Freiheit

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256 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />

nisch gebraucht. Doch Naumann selbst gesteht, daB <strong>der</strong> ObelWachung des Staates<br />

durch den Einzelnen bzw. durch das Yolk in <strong>der</strong> Demokratie auBerordentlich<br />

enge Grenzen gezogen sind:<br />

"<strong>Die</strong> Masse kann nicht ohne Beauftragte ihre politische Kraft ausiiben, und je gro­<br />

Ber die Staaten sind, desto kleiner wird <strong>der</strong> Anteil an <strong>der</strong> Souveranitat, <strong>der</strong> auf den<br />

einzelnen Staatsbiirger kommt. [...] <strong>Die</strong> Masse selbst kann auf direktem Weg nicht<br />

herrschen. Das ist technisch unmoglich, denn Herrschen ist ein gelernter Beruf. Das<br />

einzige, was die Masse vermag, ist, daB sie auswahlen kann, von wem sie beherrscht<br />

sein will".<br />

Selbst im "Volksstaat" ist die Souveranitat delmaBen velteilt, daB "<strong>der</strong> Handwerker,<br />

Bauer, und Arbeiter" nur "sein kleines Teilchen von ihr hat." (Naumann,<br />

1964e, S. 452ff.) Nicht nur das Individuum ist in Naumanns "Volksstaat" praktisch<br />

machtlos, sondem sogar die Menschen als Kollektiv sind ein passives Element,<br />

und <strong>der</strong> "Volkswille" ist ein auBerliches Gebilde: "Immer leistet die Masse<br />

nur Zustimmung, sie schafft aber als Masse keine Ideen. Es liegen in ihr Stimmungen<br />

und Bedurfnisse, aber erst wenn die Techniker <strong>der</strong> Massenfumung sich<br />

dieser Stimmungen und Bedtirfnisse bemachtigen, entsteht <strong>der</strong> VolkswilIe."<br />

(Naumann, 1919, S. 125)<br />

Naumann bewies hier seine Vertrautheit mit <strong>der</strong> damals neuen politischen Soziologie<br />

Michels, Mosca und Pareto, welche den Kulissencharakter modemer<br />

demokratischer Regierungsformen aufdeckten, in <strong>der</strong> die Macht in Wirklichkeit<br />

von politischen Eliten <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Art ausgetibt wird. 25<br />

<strong>Die</strong> fehlende wirkliche Teilhabe von Individuen an <strong>der</strong> politischen Entscheidungsfindung<br />

in <strong>der</strong> Modeme wurde bereits von Benjamin Constant in seiner<br />

Vorlesung tiber <strong>Die</strong> <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> Alten im Vergleich zu <strong>der</strong> <strong>der</strong> Neuen «(~onstant,<br />

1872b, S. 539ff.) vermerkt. Hierin lag ein wesentlicher Grund fur die Vorliebe,<br />

die <strong>der</strong> Liberalismus des 19. Jahrhundelts ftir die modeme private im Gegensatz<br />

zur alten offentlichen <strong>Freiheit</strong> hegte. Doch Constant harte lediglich eine Wahlerschaft<br />

von einigen hun<strong>der</strong>ttausend Menschen im Sinn. AuBerdem waren die<br />

Staaten, von denen er sprach, betrachtlich kleiner als sie es ein Jahrhun<strong>der</strong>t spater<br />

werden sollten, und er sprach von ,Jndividuen (t. Naumann schreibt von "<strong>der</strong> ganzen<br />

Volksmasse (t und bekennt ihre Ohnmacht, auf nationaler Ebene mehr zu tun<br />

als lediglich ihre HelTscher auszuwahlen. Wenn die Masse abel' seIber ohnmachtig<br />

ist, wieviel weniger Macht besitzt dann das Individuum? Und warum, so<br />

konnte Constant fragen, sollte ein rationales Individuum nicht die <strong>Freiheit</strong> sein<br />

eigenes Leben zu formen und zu fum'en aufgeben fur einen unendlich kleinen<br />

Anteil an del' Macht, das Leben aller Burger im Kollektiv zu formen?<br />

25 Aueh Schmoller (1922, S. 28f.) bemangelte waehen Auges die Idee des Volksstaats, die "nur<br />

eine volle Beherrschung <strong>der</strong> Obrigkeit durch das Yolk, d.h. in Wirklichkeit durch geschickte<br />

<strong>Partei</strong>fuhrer" bedeuten kanne. <strong>Die</strong> politisehe Soziologie habe gezeigt: "aueh in Demokratie<br />

herrsehe nieht das Yolk, sondem gewisse <strong>Partei</strong>en und ihre Fuhrer."

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