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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 6: Friedrich Naumann - ein deutscher Modelliberaler? 255<br />

SchlieBlich gibt es AuBerungen, die in reinen Nationalkollektivismus einmiinden:<br />

"Kunst ist Nationalangelegenheit," ,Je<strong>der</strong> Deutsche ist ein Wertgegenstand<br />

del' Nation, so lange er seines Volkes wiirdig bleibt" und "Kin<strong>der</strong>zuwachs ist<br />

Nationalkraft."<br />

Es war vorherzusehen, daB Naumanns Entwurf del' "Grundl'echte" zwar hier<br />

und da kritisiert werden, grundsatzlich abel' unter den Kommentatoren Begeisterung<br />

hervolTUfen wtirde, da er angeblich einen Meilenstein des FOI1schritts tiber<br />

bloB individuelle und "fonnale" Rechte hinaus dal'stelle. Roland Hahn ist einer<br />

del' wenigen, die das Wesentliche in Naumanns Vorschlag hervol'heben: daB es ­<br />

von einer vorgeschiitzten Anerkennung herkommlicher liberaler Rechte abgesehen<br />

- "auch ein in diesel' Schalfe bis dahin nicht dagewesenes Bekenntnis zu<br />

einem mehr odeI' weniger kollektivistischen Menschenbild [enthalt], das alle<br />

Grundrechtsfol'<strong>der</strong>ungen im Konfliktfalle zur bloBen Deklamation werden lassen<br />

muBte." Nach Hahns Ansicht liegt Naumanns Vol'haben im Grunde "weitjenseits<br />

del' [..] liberalen Tradition in Deutschland." (Hahn, 1993, S. 85)<br />

Doch selbst wenn man eine positive Haltung zu Naumanns (Jrundrechten einnimmt,<br />

fallt es schwer zu erkennen, was diese mit Liberalismus zu tun haben<br />

sollen. Jurgen Christ schreibt: "Ober den burgerlich-individualistischen Rechtsstaat<br />

hinaus, und deutlich abgesetzt von del' bolschewistisch-soz~alistischen<br />

Staatsform RuBlands, wollte Naumann den soiialen Volksstaat." (C:hrist, 1969, S.<br />

108) Zwar gibt es eine Reihe denkbarer politischer Kennzeichnungen einer solchen<br />

Art von Staat, so "sozialdemokratisch" o<strong>der</strong> vielleicht auch "national und<br />

sozialistisch" - "liberal" gehort jedoch nicht dazu. Das ist keine bloBe Frage del'<br />

"Semantik" im abfalligen Sinne. Erinnert sei an die Erklarung Eduard Bemsteins:<br />

"<strong>Die</strong> Ausbildung und Sicherung del' freien Personlichkeit ist del' Zweck aller sozialistischen<br />

MaBregeln, auch <strong>der</strong>jenigen, die auBerlich sich als ZwangsmaBregeln<br />

darstellen. Stets wird ihre genauere Untersuchung zeigen, daB es sich dabei<br />

urn einen Zwang handelt, del' die Summe del' <strong>Freiheit</strong> in del' Gesellschaft erhohen,<br />

del' mehr und einem weiteren Kreise <strong>Freiheit</strong> geben solI, als er nimmt."<br />

(Bernstein, 1909, S. 129. Hervorhebung im Original.) 1st das nicht eine treffen<strong>der</strong>e<br />

Beschreibung del' Ansichten, die Naumann zumindest ab dem Zeitpunkt<br />

hegte, als er seine Traume von Weltpolitik und Seekrieg aufgeben muBte?<br />

Wenn del' spate Naumann, dessen Position von del' des revisionistischen Sozialismus<br />

bestenfalls nicht zu unterscheiden war, als vorbildlicher Liberaler hingestellt<br />

wird, so hat dies zur Folge, daB je<strong>der</strong> authentische Liberalismus aus dem<br />

Reich politischer Erorterungen hinwegdefiniert wird. Der Liberalismus grundet<br />

sich auf die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft und auf den Vorrang del'<br />

letzteren. Es fallt schwer, einzusehen, walum die Naumannianer es nicht geradeheraus<br />

zugeben: Was Naumann zu bieten hat, ist ein Ersatz .fur den libera/en<br />

Staat: del' "Volksstaat."<br />

1m Denken Naumanns ist del' "Volksstaat" del' Sammelbegriff, del' vorgeblich<br />

die Ausiibung del' gewaltigen Macht rechtfertigt, mit del' er den Staat betrauen<br />

will, und <strong>der</strong> zugleich garantiert, daB eben dieser Staat diese Macht nicht tyran-

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