Die Partei der Freiheit
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Kapitel 6: Friedrich Naumann - ein deutscher Modelliheraler? 253<br />
Redlichkeit" vorliegt, die in <strong>der</strong> Lage ist, "Intiimer offen einzugestehen und zu<br />
korrigieren," ((~hrist, 1969, S. lOl~ Theiner, 1985, S. 55) istjedoch fraglich.<br />
VI. Weimar und neue Grundrechte<br />
Mit dem Untergang des Kaiserreiches beteiligt sich Naumann namrlich nachdriicklich<br />
an <strong>der</strong> Bildung <strong>der</strong> neuen politischen Ordnung, die in Deutschland entstehen<br />
soUte. Zunachst begriiBt er die Soldaten- und Arbeiterrate als Schritte zur<br />
Demokratisielung <strong>der</strong> Annee bzw. "zur Herbeifuhrung eines konstitutionellen<br />
Industriesystems." Aber er bekampft die Bolschewisierung Deutschlands und<br />
selbst die weitverbreitete Vergesellschaftung <strong>der</strong> Industrie. Stattdessen strebt er<br />
eine Art von undefinierten "gemischten Betriebsformen" (Theiner, 1983, S.<br />
285£.) an.<br />
Als Vertreter <strong>der</strong> Deutsch-Demokratischen Pal1ei, <strong>der</strong> Nachfolgerin <strong>der</strong> FOl1<br />
schrittlichen Volkspartei, kandidiel1 Naumann fur die Nationalversammlung, die<br />
eine Verfassung fur die deutsche Republik verabschieden soIl. Zum ersten und<br />
einzigen Mal gelang es nun einer von Naumanns Gruppielungen, ein Wahlergebnis<br />
in <strong>der</strong> GroBenordnung zu erzielen, die von Richters Linksliberalen in den<br />
1870er und 1880er Jahren erzeilt wurden: <strong>Die</strong> DDP gewann 18,6% <strong>der</strong> Stimmen<br />
und erne entsprechende Anzahl von Abgeordneten. Naumann wurde im Sommer<br />
1919 unangefochten zum ersten Vorsitzenden <strong>der</strong> DDP gewahlt, doch wenige<br />
Wochen spater starb er plotzlich. <strong>Die</strong> DDP war die wichtigste <strong>der</strong> "liberalen"<br />
<strong>Partei</strong>en Weimars. <strong>Die</strong> politische Ausrichtung <strong>der</strong> DDP mag <strong>der</strong> folgenden Erklarung<br />
ihres <strong>Partei</strong>programms aus dem Jahre 1919 entnommen werden: "Der demokratischen<br />
Staatsauffassung gelten Personen und Gemeinschaften nur als lebende<br />
Zellen und Glie<strong>der</strong>, den einheitlichen Korper aber bildet die Gesamtheit." (Hahn,<br />
1993, S. 81)<br />
Naumanns letzte wichtige politische Arbeit ist eine Liste "Volksverstandlicher<br />
Grundrechte," die er im Marz 1919 als Berichterstatter <strong>der</strong> Unterkommission fur'<br />
die Grundrechte unterbreitete. Er legt sie nicht als formulierten Entwurf fur die<br />
Grundrechtsabteilung <strong>der</strong> neuen Verfassung vor, sondem eher als Anregung fur<br />
weitere Diskussionen. Naumanns Version <strong>der</strong> Grundrechte enthalt, so Wolfgang<br />
Mommsen, "in gedrangter Form die Quintessenz seines politischen Wollens auf<br />
verfassungsrechtlichem und gesellschaftspolitischem Gebiet." (Naumann, 1964b,<br />
S. LIX)<br />
Naumanns Ziel lag darin, die altere, individualistische und "legalistische"<br />
Rechtsauffassung zu uberwinden. Einige Jahre zuvor hatte er erklal1, letztere sei<br />
das Produkt <strong>der</strong> "seelenlosen Aufldalung." "<strong>Die</strong> bloB privatwil1schaftliche und<br />
juristische Aufldarung," sei "eine notwendige und heilsame Durchgangsstufe"<br />
gewesen, nicht aber die "endgultige Weltanschauung." (Naumann, 1964b, S. 484)<br />
Nun sei es an <strong>der</strong> Zeit, sie durch eine "hohere" Auffassung zu ersetzen, welche