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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 6: Friedrich Naumann - ein deutscher Modelliheraler? 251<br />

Okonom Franz Eulenburg darlegte, waren die deutsch-osterreichisch-ungarischen<br />

Wirtschaftsbeziehungen unbedeutend im Vergleich zu denen, die Deutschland<br />

mit dem Rest del' Welt unterhielt (Theiner, 1983, S. 247). Ais <strong>der</strong> Krieg erst einmal<br />

vorbei war, wurde die ganze Frage muBig: <strong>Die</strong> siegreichen Alliierten wiirden<br />

keine wirtschaftliche Vereinigung selbst eines gestutzten Osterreichs mit dem<br />

Deutschen Reich zulassen; und das Letzte, fur das sich die an<strong>der</strong>en befreiten<br />

Staaten Mitteleuropas interessierten, war eine neue Form deutscher Hegemonie.<br />

* * *<br />

Einige Jahre lang grenzte Naumanns Sprache <strong>der</strong> des kollektivistischen Mystizismus.<br />

1911 versichert er, <strong>der</strong> deutsche Staat miisse "als ein lebendiger Organismus<br />

aller Volksgenossen" ((~hrist, 1969, S. 63) aufgebaut werden. Obgleich es<br />

Bedenken und sogar Wamungen vor dem MiBbrauch <strong>der</strong> Macht gab, erlag Naumann<br />

bei Kriegsbeginn einen uneingeschrankten kollektivistischen ltTationalismus:<br />

"Der gemeinsame Wille [...] erhebt sich unter uns als unsichtbare Gewalt,<br />

an <strong>der</strong> wir alle nur wie Organe und Hilfskrafte kleben und hangen. Das ist etwas<br />

Unbeschreibliches, ein Gegenstand des inneren Elfahrens [...]" Naumann glaubte<br />

an "ein mystisches GesamtbewuBtsein, einen Gesamtwillen, und ein Gesamt­<br />

Ich," welche aus del' Vereinigung von Yolk und Staat zu erschaffen seien (C~hrist,<br />

1969, S. 64, Fn. 16). In seiner 1917, nul' zwei Jahre VOl' seinem Tod velfaBten<br />

Schrift Der Kaiser im Volksstaat erkHirt er:<br />

"Das Yolk ist groBer, wichtiger und alter als aIle seine einzelnen Glie<strong>der</strong>. Der einzelne<br />

stirbt, das Volk aber lebt. Wir alle sind nur Wassertropfen, das Volk aber ist<br />

que11ende Flut. [... ] Was dem Gedeihen des Volkes dient, das ist gut, das sol1 getan<br />

werden, das solI geduldet werden" (Naumann, 1964b, S. 483).<br />

Einige Jahre spateI' sollte dies zur Grundlage del' Ideologie einiger bedeuten<strong>der</strong><br />

politischer Personlichkeiten werden, am auffallendsten bei Benito Mussolini.<br />

Dblicherweise werden solche AuBerungen des liberalen Naumanns unter Hinweis<br />

auf den "Kriegsrausch" heruntergespielt, del' ibn damals erfaBt habe. Doch das<br />

Beson<strong>der</strong>e bei Naumann ist, daB er gewohnlich unter dem EinfluB des einen o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en "Rausches" zu leiden hatte. In del' Tat suchte er Gelegenheiten fur solche<br />

"Rausche," die ihm Beweis dafur waren, daB er zu den wirklich Lebenden zahlte.<br />

Naumann scheint ein Leben lang damit befaBt gewesen zu sein, religioses Entziicken<br />

in <strong>der</strong> Politik aufzuspuren. Am Ende entdeckte er in <strong>der</strong> Verschmelzung<br />

von Yolk und Staat - ob letzterer nun kaiserlich o<strong>der</strong> demokratisch war - das, was<br />

an<strong>der</strong>e, eher im herkommlichen Sinne religiose Gemuter, als Vereinigung von<br />

Christus und Seiner Kirche empfinden.<br />

Ebenfalls im Jahre 1917 verfaBte Naumann unter clem Titel "<strong>Die</strong> <strong>Freiheit</strong> in<br />

Deutschland" eine Denkschrift fur das Reichsamt des InnelTI, in del' er eine Strategie<br />

vorschlagt, urn einer alliierten Propaganda entgegenzuwirken, die Deutschland<br />

als die ewig militaristische und aggressive Nation darstellt.<br />

Wie in an<strong>der</strong>en seiner Bemuhungen wahrend <strong>der</strong> Kriegszeit, entwickelt<br />

Naumann hier scharfsinnige Einsichten im Hinblick auf die Entlarvung des

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