Die Partei der Freiheit
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Kapitel 1: Deutscher Liberalismus - ein Oberblick 7<br />
Gemeinsam mit den an<strong>der</strong>en Volkem West- und Mitteleuropas hatten die<br />
Deutschen an jener institutionellen Evolution Anteil, die freie SHidte und Parlamente<br />
hervorbrachte und <strong>der</strong> <strong>der</strong> verbriefte Schutz <strong>der</strong> personlichen <strong>Freiheit</strong> und<br />
des Eigentums heilig war. Zudem entwickelte sich im Verlauf des Spatmittelalters<br />
unter den Burgem <strong>der</strong> ReichssHidte, aber auch in Norditalien, in den Nie<strong>der</strong>landen<br />
und an an<strong>der</strong>en Orten ein politisches Modell, welches als "implizite Politiktheorie"<br />
gezeichnet wurde. Ais eine Form des burgerlichen Republikanismus<br />
legte es, neben kommunalen Rechten undPflichten, "die fUr alle Burger unterschiedslos<br />
gultigen <strong>Freiheit</strong>srechte" (Schilling, 1988, S. 137) fest. Zwischen Reformation<br />
und DreiBigjahrigem Krieg erfuhr diese Theorie eine Renaissance und<br />
diente auch dazu, <strong>der</strong> aufkommenden Ideologie furstlicher Allgewalt entgegenzutreten.<br />
Der Kembegriff des Liberalismus, die Begrenzung politischer Macht zugunsten<br />
<strong>der</strong> burgerlichen Gesellschaft [civil society], war in deutschen Landen so tief<br />
verankert, daB die absolutistischen Ideen Jean Bodins, die gegen Ende des 16.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts in das Reich eingefiihrt wurden, zunachst auf eine Ordnung trafen,<br />
"<strong>der</strong>en Kennzeichen gerade war, daB niemand, nicht einmal theoretisch, Ullumschrankte<br />
Macht beanspmchen konnte." (Stolleis, 1977, S. 13£.). Noch 1653<br />
konnte Braunschweig-Wolfenbiittel auf dem Reichstage erklaren, daB Abgaben<br />
"gegen die Natur einer Staatsgesellschaft [seien], da man sich nur in <strong>der</strong> Hoffnung,<br />
das Seine zu behalten, in burgerliche Verbindungen einzulassen" (<strong>Die</strong>tzel,<br />
1923, S. 414£.) habe.<br />
Heinz Schilling bemerkte, daB <strong>der</strong> in Deutschland wie auch an<strong>der</strong>swo stark<br />
kommunale und genossenschaftliche Charakter des burgerlichen Republikanismus<br />
eine wichtige Rolle beim Wi<strong>der</strong>stand gegen die MachtanmaBung <strong>der</strong> Fursten<br />
und spater beim Aufstieg des individualistischen NatulTechts spielte: "<strong>Die</strong> gemeindlich-genossenschaftliche<br />
Reaktion im Stadtburgertum des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
gab den Resonanzboden fur diese neuen Ideen [des Naturrechts und, in einer<br />
spateren Phase, des Liberalismus] abo Sie erscheinen eher als Schritt auf einer<br />
vorgezeichneten Linie denn als Wechsel <strong>der</strong> Richtung. Ja noch mehr: Das gemeindlich-genossenschaftliche<br />
Denken selbst war offensichtlich keineswegs unfahig,<br />
sich mit diesen neuen Ideen zu verschmelzen."8<br />
Das Zeitalter des Absolutismus sah freisinnige Ideen auf dem Ruckzug und<br />
stellte eine Herausfordemng fur sie dar. Das galt natiirlich nicht nur fur<br />
Deutschland, sondelTI fur alle Lan<strong>der</strong>. Aber im spaten 18. Jahrhun<strong>der</strong>t erfuhren<br />
die freiheitlichen Ideen in Deutschland ein verbliiffendes Wie<strong>der</strong>aufleben. 9 <strong>Die</strong><br />
liberale Weltanschauung <strong>der</strong> Meister deutscher Dichtkunst, beson<strong>der</strong>s Goethes,<br />
Schillefs und Lessings, ist bekannt. <strong>Die</strong> Tatsache hingegen, daB sie in def Lite-<br />
8 Schilling (1988, S. 140). Vgl. die englische Version dieser Passage in dem Essay "Civic Republicanism<br />
in Late Medieval and Early Mo<strong>der</strong>n German Cities'" in: Ders. (1992, S. 55f.).<br />
9 Koch (1987, S. 39): "Der deutsche Liberalismus entstand, nicht an<strong>der</strong>s als seine westeuropaischen<br />
Vorbil<strong>der</strong>, als Gegenbewegung gegen den Siegeszug <strong>der</strong> absolutistischen Staatsrason,<br />
gegen ihre biirokratische Pragmatik und ihren lenkungswirtschaftlichen Merkantilismus."