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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 6: Friedrich Naumann - ein deutscher Modelliberaler? 249<br />

wahren, da Naumann den Tag kommen sieht, an dem "die ,Vereinigten Staaten<br />

<strong>der</strong> Erdkugel''', allerdings noch nicht so bald, Wirklichkeit werden soUte:<br />

"<strong>Die</strong> Menschheitsgruppe Mitteleuropa spielt urn ihre Weltstellung. Verlieren wir<br />

den Kampf, so sind wir voraussichtlich auf ewig verurteilt Trabantenvolk zu werden,<br />

siegen wir halb, so mtissen wir spater noch einmal fechten, siegen wir nachhaltig,<br />

so erleichtern wir unsern Kin<strong>der</strong>n und Enkeln die Arbeit" (Naumann, 1964d,<br />

S.664).<br />

Einige Gedanken Naumanns zu Mitteleuropa sind freilich akezptabel und sogar<br />

prophetisch, so sein Vorschlag eines groBen mitteleuropaischen Staatengebildes,<br />

welches tolerant und lebensfahig sein wiirde: "Das ist <strong>der</strong> Schutz vor RuBland<br />

und <strong>der</strong> Schutz vor gegenseitiger endloser Bekampfung!"23<br />

Bedeutsamer ist jedoch, daB sich Naumann in Milte/europa fiir den im Reich<br />

aufkommenden Kriegssozialismus begeistert. Er behauptet, daB die Deutschen<br />

endlich ganz verstanden hatten, was das Wort "Volkswirtschaft" bedeutet: "die<br />

wirtschaftliche Staatserhaltung." Zum Oberlebenskampf gezwungen, habe <strong>der</strong><br />

deutsche Staat sich "mit wuchtiger Selbstverstandlichkeit zum Subjekt und Direktor<br />

des Arbeits- und Erwerbsvorganges" gemacht. <strong>Die</strong> Deutschen hatten diesen<br />

"Staatssozialismus" als ihre natiirliche "Daseinsform" angenommen, da er <strong>der</strong><br />

logische Ausdruck "des deutschen Organisationsgeistes" sei. Der KJ1.eg habe die<br />

Bedingungen des Wirtschaftslebens grundlegend veran<strong>der</strong>t: "<strong>Die</strong> Periode des<br />

grundsatzlichen Individualismus, die Periode <strong>der</strong> Nachahmung des englischen<br />

Wit1schaftssystems, die schon sowieso im Abstieg war, ist dann vorbei." In <strong>der</strong><br />

Nachkriegswelt werde Staatssozialismus auf <strong>der</strong> Tagesordnung stehen: "Wir verlangen<br />

auf Glund <strong>der</strong> Kriegserfahrung nach geregelter Wirtschaft: Regelung <strong>der</strong><br />

Produktion unter dem Gesichtspunkt <strong>der</strong> staatlichen Notwendigkeit." (Naumann,<br />

1964d,S.640f.)<br />

In Naumanns verziicktem Bekenntnis zum Kriegssozialismus findet sich kein<br />

Hinweis auf irgendeine Sorge fur das Schicksal des Einzelnen im Zeitalter des<br />

GroBbetriebs. Der altmodische Individualismus sei "vollentwickelt" und "aufgenommen<br />

in die nachsthohere Form <strong>der</strong> wirtschaftlichen gemeinschaftlichen Daseinsweise,"<br />

die sich auf die "Einschiebung des Einzel-Ich in das Gesamt-Ich"<br />

griinde. "<strong>Die</strong>se lebendige Volksmaschine," die prachtig organisierte und gelenkte<br />

deutsche Wirtschaft "geht ihren Gang, ob <strong>der</strong> Einzelmensch lebt o<strong>der</strong> stirbt, sie<br />

ist unpersonlich o<strong>der</strong> iiberpersonlich" und ist nun "unser geschichtlich gewordener<br />

Charakter." (Naumann, 1964d, S. 602, 607f.)<br />

Es sei, als ob ihre ganze Geschichte die Deutschen auf das vorbereitet habe,<br />

was sie heute geworden seien: "ein einheitliches Yolk, groBa11ig einheitlich."<br />

"Daran haben Volksschule, allgemeine Wehrpflicht, Polizei, Wissenschaft und<br />

sozialistische Propaganda zusammengearbeitet." <strong>Die</strong> Erfaluung des KJiegssozialismus<br />

sei wie eine Offenbarung gekommen: "Wir wuBten kaum, daB wir im<br />

23 In einem Essay tiber "<strong>Die</strong> Nationalitaten Mitteleuropas" [1915], <strong>der</strong> etwa zur selben Zeit wie<br />

Mitteleuropa erschien (Naumann, 1964d, S. 467).

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