Die Partei der Freiheit
Die Partei der Freiheit
Die Partei der Freiheit
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
246 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
Anstatt die "Welt zu erobem," war Deutschland auf einmal eingekreist. Keine<br />
AuBenpolitik konnte so in die lITe gehen als die von Naumann empfohlene. Dennoch,<br />
bis 1914 erfolgte Naumanns Rtickzug von <strong>der</strong> Position <strong>der</strong> Weltmacht, <strong>der</strong><br />
Weltgeltung, des Kampfes urns Dasein unter den Volkem nur langsam und<br />
zogemd.<br />
Auf einer Reise nach England kurz vor Kriegsbeginn war Naumann, Theodor<br />
Heuss zufolge, von <strong>der</strong> Freundlichkeit <strong>der</strong> britischen Liberalen, mit denen er zusammentraf,<br />
beeindruckt: "Jetzt beginnt bei ihm das Suchen urn eine bindende<br />
Vertragswelt, die tiber den Tatsachenbestand del' nationalen Rtistungen hinaus<br />
eine politische Dbereinkunft im VolksbewuBtsein und, von solchem getragen, in<br />
del' Praxis del' Regierungsentscheidungen bringen wiirde." (Heuss, 1960, S. 32)<br />
Auch wenn es stimmt, daB Naumann damals solche intemationalistischen Einstellungen<br />
zu entwickeln begann 21 , so erfolgte del' Gesinnungswandel doch zu<br />
bemerkensweli spateI' Stunde.<br />
<strong>Die</strong> Beweislage fur die beginnende Hinwendung Naumanns zum Intemationalismus<br />
ist allerdings ambivalent und wirft Probleme eigener Art auf. Hannah<br />
Voigt wies auch darauf hin, daB Naumann in seinem Artikel "Auf dem Wege zur<br />
Menschheit" aus clem Jahre 1913 aufgrund seines "Weitblicks" Hihig war, "Neuland<br />
jenseits del' nationalstaatlichen Epoche zu sichten." (Naumann, 1949, S.<br />
361ff.) Abel' diesel' Essay vom Vortag des Ersten Weltkrieges ist keine Abhandlung<br />
ala Cobden.<br />
Zwar betont Naumann die immer weiter zunehmende Verflechtung del' Nationen.<br />
Auffallend ist jedoch del' Nachdruck, mit dem er die sich herausbildenden<br />
Moglichkeiten zul' Regierung def Menschheit als ganzes hervorhebt. <strong>Die</strong><br />
Menschheitsidee del' Aufklalung sei zwangslaufig begrenzt gewesen, da sie nicht<br />
"eigentlich organisatorischer Natur" sei und nicht an den "GroBbetrieb <strong>der</strong><br />
Menschheitsverwaltung" gedacht habe. Durch die zeitgenossischen Folischritte in<br />
<strong>der</strong> Kommunikations- und Transpolttechnik, durch Forschung und imperialistische<br />
Ausbeutung sei "die Menschheit [...] eine tibersehbare und fast schon kontrollierbare<br />
GroBe geworden." Man konne sich bereits "eine Ali Haushaltsplan<br />
<strong>der</strong> Menschheit" vorstellen. Es gebe "Velwaltungsaufgaben von unerholiem<br />
Umfang," wenn wir "die Menschheit als Organisationsproblem" (Naumann,<br />
1949, S. 361f., 377) angingen. <strong>Die</strong> Wortwahl kann kaum ohne Bedeutung sein.<br />
Del' von Weltmachtsvisionen befltigelte Naumann war sichtlich getragen von <strong>der</strong><br />
Vol'stellung einel' aufkeimenden Macht, die das ganze Menschengeschlecht<br />
umfassen soUte.<br />
21 Vennutlich meinte Heuss eine Reise aus dem Jahre 1912, tiber die er in (Heuss, 1949, S. 303)<br />
schrieb: "Bei dem Englandbesuch des Jahres 1912 harte er [Naumann] deutschfreundliche liberale<br />
Politiker pazifistischer Farbung kennengelemt, die sich seiner wohlmeinend annahmen.<br />
Aber er wehrte sich, ihre Vereinfachung und Verflachung <strong>der</strong> machtstaatlichen Problematik<br />
anzunehmen." Es scheint einen bedeutenden Unterschied <strong>der</strong> Betonung in Heussens beiden<br />
Versionen von Naumanns "nationalistischer'" und "intemationalistischer'" Reaktion auf die<br />
Begegnung mit den britischen Liberalen zu geben.