Die Partei der Freiheit
Die Partei der Freiheit
Die Partei der Freiheit
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Kapitel 6: Friedrich Naumann - ein deutscher Modelliberaler? 245<br />
v. Der Erste Weltkrieg UDd Mitteleuropa<br />
Zu jener Zeit fing Naumann an, seine Kriegsbegeistelung zu dampfen, beson<strong>der</strong>s<br />
fur den Krieg mit England. Bereits 1905 wies er "unzweideutig auf die sich<br />
verschlechternde auBenpolitische Situation infolge <strong>der</strong> englisch-franzosischen<br />
Annaherung hin und watnte vor einer Politik militarischer Abenteuer." Drei Jahre<br />
spater, "gewissennaBen zahneknirschend und resigniet1 [... ] pladiet1e er [..] fur<br />
einen defensiv bestimmten auBenpolitischen Kurs." (Theiner, 1983, S. 218f.) In<br />
<strong>der</strong> Agadirkrise von 1911 nahm Naumann eine relativ gemaBigte Raltung ein und<br />
bekundete sogar, uber "die anti-englischen Ausfalle" eines konservativen Fuhrers<br />
emport zu sein. Er begann datiiber zu spekulieren, daB die gemeinsamen Interessen<br />
<strong>der</strong> GroBmachte ihre Gegensatze ubetwiegen konnten, und er wirkte an franzosisch-deutschen<br />
Parlamentarierkonferenzen mit. Mit an<strong>der</strong>en Worten, er<br />
schickte sich an, erste zaghafte Schritte als europaischer Liberaler zu machen.<br />
Das solI aber nicht heiBen, daB es - wie Theodor Reuss meinte - "verkrampft"<br />
ware, "eine kontinuierliche auBenpolitische Konzeption Naumanns rekonstruieren<br />
zu wollen" (Heuss, 1959, S. 37) - als ob es fur Naumanns Wandlungen auf<br />
diesem Gebiet keine logische ErkHirung gabe. 20<br />
Zur damaligen Zeit hatte sich zur englisch-franzosischen Entente von 1904<br />
noch das englisch-russische Abkommen von 1907 gesellt ({~hrist, 1969, S. 85).<br />
Jahrelang hatte Naumann freudig einem Kreuzzug zur Brechung del' englischen<br />
"Weltherrschaft" entgegengesehen. Mit leichtfettiger Hingabe hatte er den<br />
Flottenbau untersmtzt, <strong>der</strong> gerade darauf abzielte, England in einem Weltkrieg<br />
herauszufordetTI und zu besiegen. Dber Anzeichen einer Annahetung zwischen<br />
England und Deutschland auBette er sich ablehnend. Doch irgendwie unterlieB es<br />
die Weltgeschichte, die ihr zugedachte Rolle zu spielen, und die deutsche Flottenpolitik<br />
fiihrte zu ganz an<strong>der</strong>en Ergebnissen als denjenigen, die Naumann erwartet<br />
hatte. Wie Fritz Fischer zusammenfaBt:<br />
"<strong>Die</strong> britische Reaktion auf die deutsche Herausfor<strong>der</strong>ung fuhrte zu einem ROstungswettlauI:<br />
den Deutschland zu gewinnen nicht hoffen konnte, und zu dem<br />
BOndnis bzw. den Ententen zwischen GroBbritannien und Japan, Frankreich und<br />
Ru13land. <strong>Die</strong>se britische Reaktion auf die deutsche SeerOstung, was die Deutschen<br />
als "Einkreisung" ansahen, fuhrte direkt zu Deutschlands Selbstisolierung"<br />
(Fischer, 1977, S. 331).<br />
20 Christ (1969, S. 71), zufolge war Naumanns Sieht <strong>der</strong> intemationalen Beziehungen grundsatzlieh<br />
von <strong>der</strong> "politisehen Situation des Deutsehen Reiches in <strong>der</strong> eUfopaisehen Staatenwelt"<br />
diktiert. Dann kann es kaum iiberrasehen, daB Naumann eine "Entwieklung [aufwies],<br />
die eine Entspreehung in den bedeutenden Veran<strong>der</strong>ungen [sic] def auBenpolitischen Lage<br />
Deutschlands, beson<strong>der</strong>s in und naeh dem ersten Weltkrieg, hatte. Man kann sie vereinfaehend<br />
als eine Entwicklung vom Imperialismus zur Bejahung einer mensehheitliehen Friedensregelung<br />
kennzeichnen." Dennoch an<strong>der</strong>te diese Entwicklung niehts an Naumanns<br />
"auBere[m] Staatsbild [...] das Bild eines kampfenden Staates, <strong>der</strong> imperialistischer Staat ist,<br />
sofem es seine Potenz erlaubt." Weiterhin sprach er von <strong>der</strong> "Geschichte als Kampf urns<br />
Daseins", auch noch wahrend des Krieges.