Die Partei der Freiheit
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6 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
zehnte <strong>der</strong> VemachHissigung dieses bedeutenden Forschungsgebietes wettgemacht.5<br />
<strong>Die</strong>ses Versaumnis kann mit Theo Schiller im wesentlichen auf "die allgemein<br />
akzeptierte Feststellung [zuruckgefuhrt werden], daB dem klassischen<br />
Liberalismus die gesellschaftliche Interessenlage des Biirgertums zugrunde lag. "6<br />
Dartiber hinausgehend ist dieser Mangel jedoch auch bedingt durch die politische<br />
Nie<strong>der</strong>lage, die <strong>der</strong> Liberalismus in Deutschland zum Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
erlitt. <strong>Die</strong> Verdrangung des deutschen Liberalismus durch den Sozialismus und<br />
vor aHem durch national-soziale und autoritar-imperialistische Stromungen fuhrte<br />
dazu, daB die Liberalen, beson<strong>der</strong>s die "entschiedenen" Liberalen und die "Manchestermanner"<br />
im Deutschland des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts, als historische Kuriositaten,<br />
ja sogar als Geschopfe, die ihrer namrlichen Umwelt absurd entfremdet waren,<br />
abgetan wurden. Oswald Spengler sprach fur die gesamte nationalistisch-autoritare<br />
Schule seiner Zeit - und noch fur manche an<strong>der</strong>e - als er schrieb:<br />
"Es gibt in Deutschland verhaBte und verrufene Grundsatze, verachtlich aber ist<br />
aufdeutschem Boden allein <strong>der</strong> Liberalismus.,,7<br />
Ironischerweise trug Spengler mit dieser Aussage dazu bei, die Vorurteile<br />
deutschfeindlicher Auslan<strong>der</strong> bis zum heutigen Tage zu bestarken. Nicht nur<br />
Propagandisten vom Schlage eines William S. Shirer, sondem auch achtbare<br />
auslandische Historiker waren - aus welchen Grunden auch immer - vom Wunsch<br />
beseelt, das deutsche Yolk aus <strong>der</strong> Geschichte des Westens herauszuschreiben;<br />
folglich versuchten sie, die Geschichte des Liberalismus in Deutschland zu marginalisieren.<br />
Doch solch eine Haltung zeigt nichts als Blindheit gegenuber verburgten<br />
Tatsachen, die weit zuruckreichen. Wie Franz Schnabel schrieb:<br />
"<strong>Die</strong> geschichtlichen Wurzeln <strong>der</strong> liberalen Gedankenwelt lagen (...] im deutschen<br />
wie im westeuropaischen Leben und reichten zurtick bis zu den <strong>Freiheit</strong>en des<br />
Mittelalters, so daB <strong>der</strong> Liberalismus auch fur Deutschland das Wort <strong>der</strong> Frau von<br />
Stael, ,In Frankreich ist die <strong>Freiheit</strong> alt, <strong>der</strong> Despotismus neu', in Anspruch nehmen<br />
konnte." (Schnabel, 1987, S. 174)<br />
5 Siehe das Urteil solcher Ge1ehrter wie Fenske (1992, S. 457); sowie Jarausch/Jones (1990,<br />
S. 3). Sie behaupten: "<strong>Die</strong> gegenwartige deutsche Geschichtsliteratur ist gepragt vom weit<br />
verbreiteten Interesse am Schicksal des Liberalismus und vom Mangel an speziellen Buchem<br />
zu dieser Thematik."<br />
6 Schiller (1979, S. 19)~ Beate Carola Padtberg (1990, S. 331, 343f.) ist bloB auffalliger als<br />
die meisten ubrigen Historiker, wenn sie von <strong>der</strong> fortgesetzten "Dichotomie" spricht, die im<br />
deutschen Liberalismus zwischen "rechtsstaatlichen Theorien fur aIle Menschen" und "wirtschafts-<br />
und gesellschaftspolitisch gepragten For<strong>der</strong>ungen fur burgerliche Schichten" spricht.<br />
Padtberg zufolge ist <strong>der</strong> deutsche politische Liberalismus standig von einem "Ruckfall" in die<br />
Lage einer rein "burgerlichen Klassenpartei" bedroht, wenn er sich weigert, mit den Sozialdemokraten<br />
zusammenzuarbeiten.<br />
7 Spengler (1924, S. 33,53). Es mag nebenbei bemerkt werden, daB Spenglers Verachtung des<br />
Liberalismus nur zu erwarten war, da er in demselben Essay vorbrachte: "Ideen, die Blut geworden<br />
sind, fordem Blut. Krieg ist die ewige Form h6heren menschlichen Daseins, und<br />
Staaten sind urn des Krieges willen da."