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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 6: Friedrich Naumann - ein deutscher Modelliberaler? 239<br />

ubergreifend, nicht auf eine pdizise Klasse eingeschrankt." (Weber, 1991, S. 29)<br />

Fur die Feinde des Liberalismus ist es naheliegend, daB sie nach seiner "Demaskiemng"<br />

als Klassenideologie mfen. DaB dies auch ein selbsternannter liberater<br />

Fuhrer wie Naumann fordelt, ist jedoch einzigartig in <strong>der</strong> europaischen Geschichte.<br />

Zur gleichen Zeit werden die Konfusionen in Naumanns okonomischen Ansichten<br />

stellenweise reduziert. So gab er bereits 1902 ein "prinzipielles Bekenntnis<br />

zum Kapitalismus" (Theiner, 1983, S. 155) abo Das Erscheinen von Werner<br />

Sombarts Der mo<strong>der</strong>ne Kapitalismus hatte ibn davon iiberzeugt, daB - im Gegensatz<br />

zu Marxens Vorhersage - "<strong>der</strong> Kapitalismus nicht im Absterben, sondem<br />

ganz im Gegenteil erst in den AnHingen einer ungeheuren Aufstiegsperiode begriffen<br />

sei." (Mommsen, 1964, S. xv) Mit an<strong>der</strong>en Worten, Naumann griff die<br />

Prognosen J.-B. Says, Bastiats und <strong>der</strong> deutschen Freihandler auf. DaB er erst so<br />

spat Sombarts "Nachhilfe" brauchte, urn das zu erkennen, was liberale Okonomen<br />

bereits in <strong>der</strong> Mitte des vorangegangenen Jahrhun<strong>der</strong>ts theoretisch dargelegt<br />

hatten und was in jedem Fall seit Jahrzehnten offensichtlich war, ist nur ein weiteres<br />

Zeichen dafiir, wie sehr die frtihe Rezeption <strong>der</strong> marxistischen Lehre sein<br />

Denken beeinfluBt hatte. I5<br />

Doch es war ein stark verandelter Kapitalismus, den Naumann befiirwoltete.<br />

Urn das Jahr 1905 entwickelte er jene Ideen, mit denen er in den darauffolgenden<br />

Jahren die Herzen <strong>der</strong> sozialpolitisch orientierten Historiker und Politiker gewinnen<br />

sollte. In einem Essay mit dem Titel "Das Ideal <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>" unterschied er<br />

zwischen "theoretischem" und "praktischem" Liberalismus: Der altere, theoretische<br />

Liberalismus "geht von <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung allgemeiner Rechtsgleichheit aller<br />

Staatsgenossen aus." Dagegen geht <strong>der</strong> neuere, praktische Liberalismus, "von den<br />

vorhandenen Kontrastempfindungen <strong>der</strong> Zeitgenossen aus und verwandelt sie in<br />

politische Energie." (Naumann, 1964e, S. 357) DaB Naumann seinen neuen Liberalismus<br />

somit in vollkommen subjektiven und opportunistisch-politischen Begriffen<br />

definiert, scheint sich ihm nicht als Problem darzustellen. Er wie<strong>der</strong>holt<br />

seine Auffassung von den teils schadlichen Wirkungen formaler Rechtsgleichheit:<br />

"folmales Recht kann inhaltlich die einen starken und die an<strong>der</strong>en schwachen".<br />

So habe es sich verhalten, als die alteren Liberalen die wiltschaftliche<br />

<strong>Freiheit</strong> einfuhrten. Sie "kam vielen als Plage." (Naumann, 1964e, S. 359,361)<br />

Dann setzt sich Naumann mit <strong>der</strong> vorgeblich einzigen groBe Tatsache des modemen<br />

Wirtschaftslebens auseinan<strong>der</strong>: dem GroBbetrieb. In fur ibn typischer<br />

Weise erklart er, das Verstandnis dieser Erscheinung "in seiner ganzen Wucht"<br />

sei "das unbestrittene Verdienst von Marx" gewesen, welcher damit "<strong>der</strong> politischen<br />

Theorie und Praxis einen AnstoB" gegeben habe, "<strong>der</strong> heute uns alle bewegt."<br />

(Naumann, 1964e, S. 362) <strong>Die</strong> Riesenbetriebe drohten die Menschen "zu<br />

15 Heuss (1919, S. 6) versieherte: "Das war das GroBe in ihm [...] daB alles einmal Gedaehte<br />

und Erlebte in ibm blieb und in ihm wuehs und den Reiehtum seiner Mensehheit sehmiiekte."<br />

Heuss erkUirte allerdings nieht, warum es ein Zeiehen von GroBe sein solI, grundfalsehe Gedanken<br />

zu bewahren.

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