Die Partei der Freiheit
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Kapitel 6: Friedrich Naumann - ein deutscher Modelliberaler? 237<br />
IV. Ein neuer Liberalismus?<br />
Nachdem die Nationalsozialen in den Reichstagswahlen von 1896 zelTieben<br />
wurden und noch nicht einmal einen Kandidaten in die Stichwahl bringen konnten,<br />
erlebten sie in den Wahlen von 1903 eine beinahe vollkommene Katastrophe,<br />
als sie mit 0,39 Prozent <strong>der</strong> Stimmen nur ein Reichstagsmandat erhielten. Wie<strong>der</strong>um<br />
gelangte Naumann nicht uber die Stichwahl hinaus, in <strong>der</strong> er dem Kandidaten<br />
<strong>der</strong> Freisinnigen Volkspartei unterlag. "Das Wahlergebnis zeigte, daB<br />
Naumann die Stabilitat des freisinnigen Wahlerpotentials doch erheblich unterschatzt<br />
hatte." Unterschatzt hatte er auch "die Unzuganglichkeit eines groBen<br />
Teils des linken Burgertums gegeniiber einer nationalen Macht- und einer sozialen<br />
Refolmpolitik." ([)uding, 1972, S. 176; Theiner, 1983, S. 123) Er gefiel sich<br />
darin, Eugen Richter und seine freisinnigen Kollegen als "Wortfuhrer desparater<br />
Kleinburger" (Theiner, 1983, S. 65) zu verspotten urn sie Hicherlich zu machen,<br />
weil sie den Durchbruch zur Massenpartei verfehlt hatten. Doch ironischerweise<br />
waren die Nationalsozialen ihrerseits niemals in <strong>der</strong> Lage, mehr als einen Bruchteil<br />
<strong>der</strong> Stimmen selbst dieser schmalbrustigen entschiedenen Liberalen fUr sich<br />
zu verbuchen.<br />
Nach dem Zusammenbluch yon 1903 laste Naumann den Nationalsozialen<br />
Verein auf und blickte auf eine Vereinigung mit wohlgesonnenen liberalen Kraften.<br />
Er brachte seine Gluppe in die von Theodor Barth geftiht1e Freisilmige Vereinigung<br />
ein, die sich 1893 tiber die Militalfrage von Richters Freisinniger Pal1ei<br />
abgespalten hatte. Bereits zuvor hatte Naumann Verbindungen zu BaI1h hergestellt.<br />
Sie waren einer Meinung, daB man eine anti-agrarische liberale Bewegung<br />
brauche, welche Nation und Sozialpolitik bejahen und mit den Sozialisten zusammenarbeiten<br />
wiirde. Einem Beobachter roch Naumanns Bundnis mit BaI1h<br />
und "seinem Fahnlein del' sieben Aufrechten" nach Verzweiflung. 13 Endlich, im<br />
Jaht-e 1907, gelang es Naumann, ein Reichstagsmandat zu gewinnen. Doch wenn<br />
sie sich auch als Liberale gaben, muBten Naumann und seine Freunde immer<br />
wie<strong>der</strong> feststell~n, daB die Grtindung und Schaffung einer demokratischen Massenpartei<br />
- so <strong>der</strong> Preis, den sie den deutschen Liberalen daftir anboten wenn<br />
diese sich von iht-en Glundsatzen trennten - bei weitem ihre Fahigkeiten uberstieg.<br />
14<br />
Naumann harte auch enge Verbindungen mit einer Anzahl prominenter Sozialwissenschaftler,<br />
dalunter VOl' aHem Max Weber und sein Bru<strong>der</strong> Alfred, Lujo<br />
Brentano und GerhaI1 von Schulze-Gavemitz. Sie aHe wurden als Liberale im<br />
neumodischen Sinn dieses WOI1es angesehen, und es gelang ihnen, Naumann<br />
einige seiner entsetzlichen Winnisse tiber das marktwirtschaftliche System aus<br />
dem Kopf zu schlagen. Dennoch teilten sie in erheblichem Umfang Naumanns<br />
13 Hellpach (1948, S. 397), <strong>der</strong> hinzufiigt: "bei diesen Unpolitkem suchte Friedrich Naumann<br />
Unterschlupf, urn irgendwie, irgendwo, irgendwallll ein Reichstagmandat zu erwischen!"<br />
14 Theiner (1983, S. 303). Theiner ra-umt ein, daB <strong>der</strong> Sieg <strong>der</strong> Deutschen Demokratischen <strong>Partei</strong><br />
bei den 191ger Wahlen zur Nationalversammlung "ein Strohfeuer" geblieben ist.