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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 6: Friedrich Naumann - ein deutscher Modelliberaler? 233<br />

Zweifellos ist dies eine <strong>der</strong> Episoden, die Theodor Heuss im Sinne harte, als er<br />

in einer rechtfertigenden Passage schrieb, Naumann habe sich in Kolonial- and<br />

Flottenfragen "mit einer gelegentlich brutal wirkenden Energie [ausgedriickt], urn<br />

innere Einwande christlicher Gefiihligkeit nie<strong>der</strong>zuringen." (Heuss, 1959, S. 15)<br />

Doch wenn man das Drama von Naumanns Innenleben einmal beiseite lassen<br />

darf - ist es nicht statthaft, bei diesem Kapitel seines Denkens zu verweilen und<br />

tiber die Weiterungen seiner AuBerungen nachzudenken? Trotz <strong>der</strong> torichten<br />

Worte des Kaisers lieB sich das deutsche Militar des Jahres 1900 nicht von<br />

NaumannS Vorstellungen leiten. In dieser Hinsicht war Naumann kein bloBer<br />

"Gefangener seiner Zeit," wie Ralf Dahrendorf ibn titutlierte (Dahrendorf, 1985,<br />

S. 34). <strong>Die</strong> Zeit war bessel' als er. Doch es soUte eine Zeit kommen, da ein deutscher<br />

Herrscher seine Truppen in ein "Barbarenland" - nicht China - schicken<br />

wiirde, und es wiirde Millionen von erbannlichen Soldaten des Feindes einfallen,<br />

sich zu ergeben. Dann sollte jener Herrscher gemaB <strong>der</strong> Maxime Naumanns handeln<br />

- mit Folgen, die nul' allzu gut bekannt sind. Man fragt sich, ob es nieht<br />

statthaft ist, soleh eine, zwar nieht kausal-historisehe, aber moraliseh-theoretisehe<br />

Verbindung zu ziehen.<br />

Noch 1907 verteidigte Naumann Carl Peters gegen Kritik an dessen barbarischer<br />

Behandlung <strong>der</strong> Eingeborenen in Ostafrika. Lujo Brentano warf Naumann<br />

seine Haltung in einem Brief VOl', und es entspann sieh eine KOITespondenz zum<br />

Thema.l 2 Naumann bestand darauf, daB Peters "die Gesehiehtsaufgabe del' Deutschen"<br />

erfiille und gab zu verstehen, daB Brentano yom Standpunkt einer iiberholten<br />

"religios-naturreehtliehe[n] Grundlage des Liberalismus" argumentiere,<br />

die dabei sei, ihren Platz rur "entwicklungsgeschichtliche Ideen [zu raumen] [...]<br />

Rousseau wird mit Darwin versehnitten." Wie immer behauptete Naumann, daB<br />

es keinen Ausweg im Lauf del' Dinge gabe: "Ob del' neue Wein bessel' sein wird<br />

als <strong>der</strong> alte, wissen nur die Gorter, aber - wir werden ibn trinken miissen." (Hervorhebung<br />

Naumanns.) AuBerdem hatte Brentano sieh vergegenwfiliigen sollen,<br />

daB "es [...] eben Dinge [gibt], in denen fast die ganze jiingere Generation andel'S<br />

empfmdet;" die Jugend sei<br />

"kolonialfroh." Dnd namrlich ist es sinnlos, Politik gegen die Empfindungen <strong>der</strong><br />

Jugend zu betreiben.<br />

FUr Naumann war die Herrsehaft eines Volkes iiber ein an<strong>der</strong>es unvermeidlieh<br />

und zugleieh ein Zeichen fUr seine Gesundheit und Starke. Kleinere, sehwaehere<br />

Volker waren "politischer Kleinbetrieb" und dazu verdammt, von den groBeren<br />

und starkeren aufgesogen zu werden. "<strong>Die</strong> Geschichte selbst" habe gegen sie entsehieden.<br />

Sie mogen "nationalen <strong>Freiheit</strong>sideen" nachhangen, doch gesehiehtlieh<br />

betraehtet seien diese Ideen "riiekschrittlich." (Naumann, 1964e, S. 352£.) Einem<br />

aufstrebenden Volk wie dem deutsehen sei es angemessen, aUe schwacheren<br />

Volker, auf die es trifft, zu unterwerfen und zu verschlingen: "Wir scheuen uns<br />

gar nicht, Polen, Danen, Suaheli, Chinesen nach Krfiften zu entnationalisieren."<br />

(Christ, 1969, S. 75) Inbriinstig unterstiitzte Naumann die preuBische Politik del'<br />

12 Heuss (1949, S. 537ff.), wo einige <strong>der</strong> Briefe Naumanns wie<strong>der</strong>abgedruckt sind.

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