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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 6: Friedrich Naumann - ein deutscher Modelliberaler? 229<br />

beste Riistung fiir kommende Kriege ist eine mchtige Sozialrefolm." (Heuss,<br />

1949, S. 100) <strong>Die</strong> Herrschaft <strong>der</strong> Junker tiber die Politik sei zu beenden, weil die<br />

GroBglundbesitzer "eine alte, sinkende Klasse" seien, die den Erfordemissen von<br />

Gegenwart und Zukunft nicht mehr gewachsen sei. Anstelle des alten Systems sei<br />

im Innem eine liberale Ordnung einzurichten, da ein Yolk, das bei sich keine<br />

<strong>Freiheit</strong> genieBt, "nicht das Zeug zur weltgeschichtlichen GroBe in sich [hat]."<br />

(Naumann, 1964e, S. 250) Sowohl Naumanns sozialpolitische, als auch seine<br />

demokratischen Bestrebungen - wie diese es damals sogar waren - dienten folglich<br />

seiner Vision von weltumspannenden Kampfen, vor allem gegen England. So<br />

schrieb er 1899: "Der deutsche Geist wird dann, wenn er frei geworden ist, die<br />

Welt erobeln. 1m groBen Weltkampf des Kontinentes gegen das Englan<strong>der</strong>tum<br />

wird Deutschland die Ftihrung haben, ein Deutschland voll sozialen FOl1schrittes<br />

und voll mchtiger, selbstbewuBter Burger." ((~onze, 1950, S. 365)<br />

Naumann und seine Freunde waren stolz auf ihren Versuch, ein Btindnis mit<br />

<strong>der</strong> Sozialdemokratie herbeizufuhren. Eine ihrer Hauptklagen gegen Eugen<br />

Richter war, daB er sich einem solchen Bundnis verschloB und somit die einheitliche<br />

Front vereitelte, die die einzige Hoffnung gegen das autoritar-agrarische<br />

Herrschaftsgeftige war. Historiker waren in dieser Frage haufig einer Meinung<br />

mit den Naumannianem. Was jedoch auch immer iiber die Fehler <strong>der</strong><br />

Richterschen Strategie gesagt werden mag - Naumanns Ansatz war offensichtlich<br />

verfehlt. Denn sein Erfolg hing davon ab, die deutsche Sozialdemokratie zu seinem<br />

weltpolitischen Programm zu bekehren. Und dieses Unterfangen war zum<br />

Scheitem verurteilt.<br />

Naumann seIber legte das Problem im Jahre 1905 dar: "Das aber, was wir <strong>der</strong><br />

Sozialdemokratie vorwerfen, ist, daB sie vielfach noch bis an die Ohren in kleinburgerliche<br />

Weltpolitik eingetaucht ist." (Naumann, 1964e, S. 354) Doch daB<br />

sich die Sozialdemokraten einer "kleinburgerlichen Weltpolitik" hingaben, d.h.<br />

einer Friedenspolitik und mithin uberhaupt keiner echten Weltpolitik in<br />

Naumanns Sinn, war kein Zufall. In seiner Soziologie <strong>der</strong> Imperialismen beobachtete<br />

Schumpeter, daB die kriegs- und imperialismusfeindliche Einstellung <strong>der</strong><br />

modemen Arbeiter - wie sie sich in <strong>der</strong> offiziellen Haltung <strong>der</strong> sozialistischen<br />

<strong>Partei</strong>en wie<strong>der</strong>spiegelte - ein Erbe des Kapitalismus und <strong>der</strong> liberalen Lehre war:<br />

"Der vom Kapitalismus geschaffene Typus des industriellen Arbeiters ist tiberall<br />

energisch antiimperialistisch [...] nie geht eine Initiative zu gewaltsamer Expansionspolitik<br />

von [ihm] aus. In diesem Punkt formuliert <strong>der</strong> offizielle Sozialismus<br />

zweifellos nicht nur die Interessenlage, son<strong>der</strong>n auch den bewuBten Willen <strong>der</strong> Arbeiter.<br />

Sozialistischen o<strong>der</strong> tiberhaupt Arbeiterimperialismus gibt es noch weniger<br />

als Bauernimperialismus". (5'chumpeter, 1953, S. 125)<br />

Es stimmt zwar, daB einfluBreiche Sozialdemokraten in den Jahren unmittelbar<br />

vor dem Ersten Weltkrieg anfingen, das deutsche Kolonialreich, als nicht mehr<br />

liickgangig zu machen, hinzunehmen. Ihre Einlassungen nahmen gewohnlich die<br />

Folm <strong>der</strong> Agitation fur eine bessere Behandlung <strong>der</strong> Eingeborenen an, doch'<br />

manchmal unterstrichen sie auch einen moglichen wirtschaftlichen Nutzen fur<br />

Deutschland (Schro<strong>der</strong>, 1968, S. 183ff.). <strong>Die</strong>se Haltung war aber meilenweit ent-

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