Die Partei der Freiheit
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220 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
gung und Bewun<strong>der</strong>ung zu konkretisieren." (von Weizsacker, 1985, S. 27) Ralf<br />
Dahrendolf - ein Teilnehmer am gleichen Kolloquium wie Weizsackel' - deutete<br />
die Quelle des Problems an, als er erkla11e:<br />
"Zumal <strong>der</strong> von angelsachsischen Vorbil<strong>der</strong>n gepragte Liberale steht zuweilen eher<br />
verbltifft vor dem wilhelminischen Deutschen, <strong>der</strong> zwischen dem Hofprediger<br />
Stocker und dem Arbeiterfuhrer Bebel nicht ohne Miihe seinem politischen Weg<br />
fand. In <strong>der</strong> Tat stellt man sich manchmal die Frage: War Friedrich NaUlnann tiberhaupt<br />
ein Liberaler?" (Dahrendorj, 1985, S. 34)<br />
Doch nicht nur jene, die von den Idealen des anglo-amerikanischen Liberalismus<br />
emllt sind, finden es recht verwirrend, wenn Naumann als ein Heroe des<br />
modemen deutschen Liberalismus bezeichnet wird; denn fur jeden, def mit <strong>der</strong><br />
Geschichte <strong>der</strong> liberalen Idee in Deutschland vertraut ist, enthiilt diese Darstellung<br />
schwerwiegende Probleme. Dennoch entschieden sich die deutschen Liberalen<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg, ihre Stiftung nach Naumann zu benennen,<br />
und er wird weiterhin als eine Ikone des Liberalismus in Deutschland verehrt<br />
(Fleck, 1988).<br />
Naumanns Weltanschauung durchlief in seiner nicht sehr langen politischen<br />
Laufbahn mehrere Wandlungen. Von einer christlich-sozialistischen Haltung<br />
gelangte er uber eine sozial-darwinistisch-imperiatistische Phase zu einer Anschauung,<br />
die wir zweckmaBigerweise postimperialistisch-demokratisch nennen<br />
konnen. In welchem Umfang ist es gerechtfertigt, irgendeine diesel' Phasen - und<br />
folglich Naumann selbst - als "liberal" zu kennzeichnen? <strong>Die</strong>s zu uberprufen ist<br />
das Ziel del' folgenden Ausfumungen. Theodor Schie<strong>der</strong> schrieb, Naumann sei<br />
"in erster Linie ein Ideenpolitiker" gewesen, <strong>der</strong> "den Gang <strong>der</strong> Geschichte im<br />
voraus [konzipierte] und sein politisches Handeln diesem Konzept [unterordnete]."<br />
(Schie<strong>der</strong>, 1964, S. xi) Daher werden nicht so sem- seine politischen Aktivitaten,<br />
sondem seine grundlegenden Gedanken im Mittelpunkt del' Erol1erung<br />
stehen.<br />
II. Anfange ond christlich-soziale Phase<br />
Friedrich Naumann wurde 1860 in Stonnthal bei Leipzig geboren. Er war <strong>der</strong><br />
Sohn eines evangelisch-Iutherischen Pfarrers, <strong>der</strong> Naumanns Beschreibung<br />
zufolge "konservativ in dem alten guten sozialen Sinn" und "staatssozialistisch<br />
gerichtet" (Naumann, 1964e, S. 495) war. Das Haus <strong>der</strong> Familie befand sich im<br />
ersten Wahlkreis von August Bebel, und del' alte Naumann hatte die Gelegenheit,<br />
sich in offentlicher Debatte mit dem sozialdemokratischen Fuhrer auseinan<strong>der</strong>zusetzen.<br />
Ais Junge war Naumann vom leidenschaftlichen Agitator Bebel und dessen<br />
personlicher Beziehung zu seinen ibn anbetenden Anhangem in del' Arbeitel'<br />
klasse tiefbeeindruckt (Naumann, 1964e, S. 496£.).<br />
Mit einem Pastor als Vater und einem GroBvater mutterlicherseits als Theologen<br />
scheint Naumanns Entscheidung, ein Kirchenamt anzustl'eben, vol'gezeichnet