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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 5: <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten beim Nie<strong>der</strong>gang des deutschen Liberalismus 215<br />

lichkeit seien marxistische Lehren und VOl' allem die Ausbeutungstheorie niemals<br />

wi<strong>der</strong>legt worden. 54<br />

1925 beschrieb Leopold von Wiese einen Wandel, del' sich in vielen Deutschen<br />

vollzogen hatte, die "nul' noch mit schlechtem Gewissen liberal waren" und<br />

anfingen, "den Sozialisten hier, den Konservativen dort im Stillen recht zu<br />

geben":<br />

"War man nicht vielleicht doch ausbeuterisch o<strong>der</strong> auBenpolitisch zu lax? Ratte<br />

sieh nieht <strong>der</strong> ,Individualismus' i.iberlebt~ besa13 man nieht doeh zu wenig Staatsgesinnung?"<br />

(von Wiese, 1925, S. 25)<br />

<strong>Die</strong>se Krise traf weite Bereiche des deutschen Burgeltums und schwachte seinen<br />

Glauben an sich selbst und an die Gesellschaftsordnung, die es vertrat. Das<br />

Ansehen, das die Kathe<strong>der</strong>sozialisten - verdientennaBen o<strong>der</strong> auch nicht - ob<br />

ihrer Universitatszugehorigkeit genossen, muB beim Burgertum groBes Gewicht<br />

gehabt haben. Von den Vertretem del' "Wissenschaft" muBten die begabten und<br />

fleiBigen Angehorigen del' Klasse, die das industrielle Deutschland geschaffen<br />

hatte, und die Nachkommen, fur die sie Talent und FleiB eingesetzt hatten, jahrzehntelang<br />

horen, daB ihr Reichtum praktisch "zuHillig" war - wenn nicht<br />

Schlimmeres, wie zum Beispiel Schmollers wohlbekannte AuBerung: "Man erwirbt<br />

heute die Millionen nicht, ohne etwas mit dem Atmel am Zuchthaus zu<br />

streifen." (Habermann, 1997, S. 139) Auf solch moralisch zweifelhaftes Vermogen<br />

harte "die Gesamtheit" - d.h. del' Staat - eindeutig einen vOITangigen und unbegrenzten<br />

Anspruch. Zu den Stimmen del' "Wissenschaft" fugten sich jene <strong>der</strong><br />

fuhrenden Sozialdemokraten, <strong>der</strong> agrarischen Konselvativen, <strong>der</strong> christlichen<br />

Kirchen, <strong>der</strong> Antisemiten und haufig <strong>der</strong> Regierung selbst. <strong>Die</strong> "vollige Selbstentfremdung<br />

groBer Teile des deutschen Burgertums," wie sie sich etwa wahrend<br />

des Ersten Weltkrieges in del' Ablehnung burgerlicher WeIte zeigt (wie <strong>Die</strong>ter<br />

KrUger schreibt in: Kriiger, 1983, S. 192), verdient sowohl hinsichtlich ihrer<br />

Quellen als auch del' Rolle, die sie beim Ableben des deutschen Liberalismus<br />

spielte, erforscht zu werden.<br />

Ais die aufnumpfenden For<strong>der</strong>ungen nach antigesellschaftlichen Vorrechten ­<br />

vor allem fur die Gewerkschaften - immer lauter vorgetragen wurden und die<br />

Hatz nach sozialpolitischen Wohltaten auBer Kontrolle geriet, setzte eine gewisse<br />

Reaktion unter den einstigen Sozialpolitikem ein. Schon VOl' dem Krieg harte<br />

Ludwig Pohle bemerkt, daB einige <strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten ,jetzt von einem<br />

Grauen VOl' den Geistem erfaBt zu werden [scheinen], die man selbst erst gerufen<br />

54 Pohle (1931, S. v-vi). Vgl. Winkel (1977, S. 118): "Eine Folge dieser Theorielosigkeit ist<br />

darin zu sehen, daB die Nationalokonomie dem marxistischen Lehrgebaude und seiner Untermauerung<br />

lange Zeit hilflos gegeniiberstand und sich allein auf die praktische Politik des Alltags<br />

beschrankte." Kruse (1953, S. 138), stellte fest: "<strong>Die</strong> Feindschaft gegen die akonomische<br />

Theorie bei <strong>der</strong> jtingeren historischen Schule hat sich vie1fach verhangnisvoll auf die volkswirtschaftlich<br />

vorgebildete hahere Beamtenschaft ausgewirkt. <strong>Die</strong> vallige Ratlosigkeit gegentiber<br />

den yom Marxismus aufgeworfenen Problemen, gegeniiber Erscheinungen wie <strong>der</strong><br />

Preispolitik im ersten Weltkriege o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Inflation muBte sich rachen."

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