Die Partei der Freiheit
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Kapitel 5: <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten beim Nie<strong>der</strong>gang des deutschen Liberalismus 213<br />
VI. Ideen ond ihre Folgen<br />
Das Vennachtnis des Kathe<strong>der</strong>sozialismus lebte iiber Jahrzehnte hinweg in<br />
Deutschland fort, VOl' aHem unter jenen, die unter seinem direkten EinfluB in del'<br />
Schu1e erzogen worden waren und danach staatliche Behorden bemannten odeI'<br />
selbeI' eine SteHung a1s Lehrer odeI' Professor annahmen. Bei den Staatsbeamten<br />
brachte er eine MentaliHit hervor, die "auf wirtschafts- und sozialpolitischem<br />
Gebiete [...] zu allerlei gewagten Experimenten" (Pohle, 1911, S. 114) bereit war.<br />
Mit dem grenzen10sen Vertrauen in die Macht des Staates, dieWirtschaft zu<br />
gestalten, ging eine erschiittemde Unkenntnis volkswirtschaftlicher Glundlagen<br />
einher. Letztere erwies sich als beson<strong>der</strong>s schad1ich im Bereich del' Geldpolitik.<br />
So schil<strong>der</strong>te Ludwig von Mises, daB sich die beruhmte und schicksalstrachtige<br />
Hyperinflation, die 1923 ihren Hohepunkt erreichte, unter del' Agide von Biirokraten<br />
vollzog, die den Ereignissen mit dem gleichen Unverstandnis begegneten<br />
wie ihre Professoren (von Mises, 1990, S. 96ff.). Mises schreibt, daB in den ragen<br />
del' groBen Inflation, die mit dem Zusammenbruch <strong>der</strong> Mark endeten, in<br />
Deutschland bis in die hochsten Ebenen hinein eine "absolute Unkenntnis <strong>der</strong><br />
einfachsten Grundsatze del' Geldtheorie" herrschte. "So war etwa Hell' [Rudolf]<br />
Havenstein, del' Reichsbankprasident, ehrlich davon iiberzeugt, daB die fortgesetzte<br />
Ausgabe neuer Banknoten nichts mit dem Anstieg von Warenpreisen,<br />
Lohnen und Devisenkursen zu tun hatte. <strong>Die</strong> Preiserhohungen sah er als Machenschaften<br />
von Spekulanten und Profiteuren an und durch die Intrigen innerer und<br />
auBerer Feinde hervorgerufen. [...] Zur Wie<strong>der</strong>herstellung einer gesunden Wahrung<br />
schien weiter nichts erfor<strong>der</strong>lich zu sein, als ein hartes Durchgreifen gegen<br />
die egoistischen Ziele unpatriotischer Menschen."52<br />
<strong>Die</strong>se Analyse wurde von gut unterrichteten Gelehrten bestatigt, die keineswegs<br />
Mises' Laissez-faire-Einstellung teilten. Moritz Bonn z.B. war zu jener Zeit<br />
Rektor del' Handelshochschule in Berlin und setzte danach seine akademische<br />
Laufbahn an amerikanischen und britischen Universitaten fort. In seinen Memoiren<br />
schreibt er:<br />
"<strong>Die</strong> wirtschaftliche Erziehung <strong>der</strong> preuBischen Burokratie lag jahrelang in den<br />
Randen Schmollers und seiner Schuler. Ihr negatives Ergebnis wurde in <strong>der</strong> Inflationskrise<br />
nach dem ersten Weltkrieg sichtbar. <strong>Die</strong> Burokratie hatte von den einfachsten<br />
Wirtschaftsbegriffen keine Ahnung - es gab kaum jemand .~m preuf3ischen<br />
o<strong>der</strong> Reichs-Finanzministerium, <strong>der</strong> etwas von Inflation wuBte (in Osterreich lagen<br />
die Dinge an<strong>der</strong>s). [...] [Auch <strong>der</strong> Reichsbankprasident Rudolf Ravenstein] besaB<br />
so gut wie uberhaupt keine Kenntnis von theoretischer Nationalokonomie [...] [Er<br />
war zwar ein guter Verwalter,] von Geldtheorien, abgesehen von Knapp, verstand<br />
er jedoch nichts".53<br />
52 Von Mises (1990, S. 98). Mises fuhrt diese Art verbliiffen<strong>der</strong> okonomischer Unkenntnis auf<br />
die Lehren <strong>der</strong> historischen Schule zuriick.<br />
53 Bonn (1953, S. 53, 269). Bonns Analyse teilt auch Schnei<strong>der</strong> (1969, S. 157f.). Angesichts<br />
<strong>der</strong> Aussagen einer Anzahl hochqualifizierter Beobachter tiber den verhangnisvollen theoriefeindlichen<br />
EinfluJ3 <strong>der</strong> jiingeren historischen Schule, darunter sogar Schmollers Protege und