Die Partei der Freiheit
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212 Ralph Raieo: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
eine Theorie, die. die ursachlichen Zusammenhange wirtschaftlicher Erscheinungen<br />
- einschlieBlich del' negativen Folgen verschiedener Staatseingriffe - hervorhebt<br />
und erkHirt, waren die Gelehrten <strong>der</strong> historischen Schule frei, sich <strong>der</strong> von<br />
Adolf Weber beklagten "Gefiihlspolitik" zu widmen. Ihre Antworten zeigten die<br />
ubliche - man kann sogar sagen natiirliche - menschliche Reaktion bei del' Konfrontation<br />
mit Not und Elend. Hayek fuhrt die Absage an die analytische Okonomie<br />
auf den Umstand zuriick, daB sie "die Menschen davon abhielt, ihren ersten<br />
impulsiven Reaktionen nachzugehen und [...] sie dazu zwang, indirekte Wirkungen,<br />
die nur unter Ausubung des Verstandes sichtbar wurden, gegen heftige Gefuhle,<br />
wie sie durch direkte Beobachtung konkreten Leidens verursacht werden,<br />
abzuwagen." (von Hayek, 1933, S. 125) Armut begleitete den Aufstieg des<br />
Industriekapitalismus. In GroBbritannien reagierten beriihmte Schriftsteller darauf<br />
mit "Gefuhlspolitik" und Abscheu fur die Volkswirtschaftslehre. Indem sie auf<br />
die "Gefuhlspolitik" zuriickfielen und die "dustere Wissenschaft" (dismal<br />
science) ablehnten, wie<strong>der</strong>holten die deutschen Feinde des Wirtschaftsliberalismus<br />
die emotionale Reaktion ihrer englischen Vorganger - und dies taten sie im<br />
Namen einer "neuen" und "tieferen" Volkswirtschaftslehre.<br />
Doch die echt okonomische Herangehensweise an die "soziale Frage" ist eine<br />
ganz an<strong>der</strong>e. Sie kann durch eine Begebenheit veranschaulicht werden, mit del'<br />
die Wandlung des jungen Ludwig von Mises von einem gemaBigten Sozialpolitiker<br />
zum groBen Anwalt des Laissez-faire im 20. Jahrhundet1 begann. Als Student<br />
an del' Wiener Universitat flihrte Mises eine Studie uber die Wohnungsverhaltnisse<br />
Osten'eichs durch. In <strong>der</strong>en Verlauf entdeckte er nicht nul' die bedauemswetten<br />
Wohnbedingungen <strong>der</strong> Arbeitetfamilien, sondem - zumindest gleich<br />
wichtig - die lJrsachen dieser Bedingungen. Sie waren in dem Umstand zu<br />
finden,<br />
"daB die Steuergesetzgebung dem GroBkapital und dem Unternehmertum die Be<br />
Uitigung auf dem Gebiete des Hauserbaues unmoglich machte. Osterreich war ein<br />
Land ohneBoden- und Bauspekulation. <strong>Die</strong> exorbitante Besteuerung <strong>der</strong> Aktiengesellschaften<br />
und die Hohe <strong>der</strong> Umsatzsteuer fUr Immobilien schlol3 die kapitalkraftigen<br />
Kreise von <strong>der</strong> Mitwirkung an <strong>der</strong> Versorgung des Wohnungsmarktes<br />
aus" (von Mises, 1978, S. 13f.).<br />
Solch eine Erklarung ist ganzlich an<strong>der</strong>er Natur als diejenige, die ihr Augenmerk<br />
auf die "Habsucht" <strong>der</strong> Vennieter richtet, und doch ist sie erhellen<strong>der</strong>. Indem<br />
wir auf diese Weise von <strong>der</strong> konkreten Situation abstrahieren, urn Zusammenhange<br />
mit an<strong>der</strong>en Faktoren, die den Gesamtzusammenhang des Wirtschaftsprozesses<br />
ausmachen, zu beschreiben, konnen wir die Phanomene verstehen und<br />
rational mit ihnen umgehen. Angesichts <strong>der</strong> unenneBlich komplexen Menge jener<br />
Phanomene, aus denen die deutsche Wirtschaft in den fruhen Jahrzehnten dieses<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts bestand, konnte die Ablehnung <strong>der</strong> rationalen Methodologie nur<br />
Unheil bringen.