Die Partei der Freiheit
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208 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
ralismus, mit dem sie die Debatte sHindig beschickten und den sie mit Schmahungen<br />
gegen die moralischen MaBsHibe ihrer Gegner verbanden, ilTitiel1e Pohle<br />
ganz beson<strong>der</strong>s. Typisch daftir war nach Pohles Ansicht eine Konferenz tiber die<br />
Wohnungsnot, bei <strong>der</strong> er sich weigerte, das iibliche Bild vol1iger Eluiedrigung<br />
und Verzweiflung zu malen. Lujo Brentanos Antwort bestand darin, ihn anzugreifen,<br />
er sei immer bereit, "das Wohl <strong>der</strong> breiten Masse zu opfelu [...] durch<br />
Verteuerung <strong>der</strong> Miete." (Pohle, 1911, S. 120)<br />
Pohle war im iibrigen nicht <strong>der</strong> einzige in Deutschland, <strong>der</strong> die Kathe<strong>der</strong>sozialisten<br />
darur kritisierte, daB sie das "Machtverhaltnis" an die Stelle einer wirklichen<br />
Lohntheorie setzten. Drei Jahre zuvor hatte Ludwig Bernhard in einem Beitrag<br />
zu Ehren des siebzigsten Geburtstages von Schmoller sein Erstaunen damber<br />
zum Ausdruck gebracht, daB es den Kathe<strong>der</strong>sozialisten trotz all <strong>der</strong> Aufmerksamkeit,<br />
die sie <strong>der</strong> Arbeiterfrage gewidmet hatten, nie gelungen war, eine eigene<br />
Lohntheorie auszuarbeiten (Bernhard, 1908, S. XI: Iff.). Das wenige, was sie<br />
hervorgebracht hatten, kame noch nicht einmal dem 1832 von F.B.W. Hermann<br />
erreichten Stand gleich. Letzterer hatte die Ricardianische Theorie verwerfend<br />
erklart: "Nicht die Unternehmer lohnen den Arbeiter [...] <strong>der</strong> wahre Gegenwert<br />
<strong>der</strong> Arbeit liegt [..] nicht im Kapitale <strong>der</strong> Unternehmer, son<strong>der</strong>n in den Arbeiten<br />
und Nutzungen, welche <strong>der</strong> Kaufer des Produktes entgegenbietet." <strong>Die</strong> "historisch-statistische<br />
Schule," so Bernhard, sei niemals zu <strong>der</strong> Erkenntnis gelangt,<br />
daB "die [wirtschaftlichen] Vorgange [...] komplizierter als die Summe unserer<br />
Detailforschungen" sind. Nur <strong>der</strong> Osterreichischen Schule und beson<strong>der</strong>s Bohm<br />
Bawerk sei es gelungen, die Zusammenhange zu erhellen. 49<br />
Doch nach Pohles Beobachtung ist keine Kritik in <strong>der</strong> Lage, die "naive Selbstsicherheit"<br />
<strong>der</strong> Reformer zu storen. lhre Beherrschung des akademischen Lebens<br />
stelle sicher, daB je<strong>der</strong> Schriftsteller sich auf die AutoriHit all <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en berufen<br />
kann, die <strong>der</strong> gleichen Auffassung seien. Somit bestatige jede Deutung, die ein<br />
Kathe<strong>der</strong>sozialist <strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> Gewerkschaften wie <strong>der</strong> Sozialpolitik im allgemeinen<br />
gabe, sich selbst; sie habe nichts mit empirischen o<strong>der</strong> theoretischen Forschungen<br />
zu tun, sondem hange nur an <strong>der</strong> Voreingenommenheit <strong>der</strong> Mit-Glaubigen<br />
(Pohle, 1911, S. 40).<br />
1m Verlauf seiner Kritik entwickelt Pohle eine politisch-soziologische Analyse,<br />
die in einem Zeitalter <strong>der</strong> Massendemokratie zunehmend an Gewicht<br />
gewinnt:<br />
38, sie sei "im Grunde nichts weiter als eine petitio principii und ein in das vornehme Gewand<br />
einer nationa16konomischen Theorie sich hiillendes Werturteil.,. Wenn die deutschen Arbeiter<br />
nach einem Grund suchten, sich ihren Arbeitgebern preisgegeben zu fuhlen, so hatten die<br />
Kathe<strong>der</strong>sozialisten ibn beschafft.<br />
49 Bernhard (1908, S. 3, IIf.). Drei Jahre nach Pohles Kritik untersuchte Eugen von B6hm<br />
Bawerk den TrugschluB im Ansatz <strong>der</strong> Historizisten in seinem Aufsatz "Macht o<strong>der</strong> 6konomisches<br />
Gesetz?'" (von Bohm-Bawerk, 1914, S. 205ff.)