Die Partei der Freiheit
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Kapitel 5: <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten beim Nie<strong>der</strong>gang des deutschen Liberalismus 203<br />
Eisenhahnen und Freizugigkeit doch nur ausnahlnsweise hei ganz hesondren Arheits-<br />
und Kommunikations-Verhaltnissen richtig sein, schwerlich in <strong>der</strong> Ausdehnung,<br />
daB ein die Gesamtheit treffen<strong>der</strong> Eingriff in die personliche <strong>Freiheit</strong> dadurch<br />
gerechtfertigt erschiene".39<br />
In Worten, die Richters und Bambergers Kritik seiner eigenen Sozialversicherungsgesetze<br />
wie<strong>der</strong>gaben, schrieb Bismarck, man spreche "von Arbeiterschutz,<br />
es handelt sich aber in <strong>der</strong> Tat urn Arbeiterzwang, urn den Zwang weniger zu arbeiten,"<br />
und walnte VOl' den Folgen, VOl' allem VOl' del' "Steigelung <strong>der</strong> Erwaltungen<br />
und del' niemals zu befriedigenden Begehrlichkeit del' sozialistischen Klassen<br />
[...]"40 Abel' wie Wolf bemerkte: "<strong>Die</strong> Mittel, dem geHihrlichen Zirkel zu entgehen,<br />
nennt Bismarck nicht." (Wolf, 1899, S. 494)<br />
Einen weiteren Aspekt bertihrt Wolf, del' Bismarckverehrer, jedoch nicht.<br />
Bismarck hat Erhebliches dazu beigetragen, den Geist staatlicher Eingriffe zu<br />
entfesseln; niemand hatte sich eindrucksvoller als er fur die dringende Notwendigkeit<br />
ausgesprochen, die "Untertanen" des industriellen Systems gegen den<br />
"mitleidlosen Geldsack" usw. zu schtitzen. Jetzt nahm die Bewegung fur allseitige<br />
staatliche Eingriffe eine Richtung, die er nicht wiinschte und die er als<br />
schadlich ansah. Bismarck war somit del' erste - abel' nicht del' letzte - Sozialpolitiker,<br />
del' bedauem sollte, daB die sozialpolitische Woge uber jene Grenzen<br />
schwappte, die er ihr in seinem eigenen Denken gezogen hatte. Er mag uber die<br />
Worte Eugen Richters nachgedacht haben: "Denn alles in del' Politik zieht seine<br />
Konsequenzen auf fur diejenigen, die eine solche Politik eingeleitet haben, [auch]<br />
wenn sie sie nicht weiter fuhren wollen." (SBR, 1897, S. 296, 300ff.).<br />
Urn die Jahrhundeltwende begann eine Gluppe jungerer Okonomen - in einigen<br />
Fallen mit <strong>der</strong> Unterstiitzung industrieller Kreise - mit <strong>der</strong> Kritik del' vorhen'<br />
schenden Schule des Kathe<strong>der</strong>sozialismus. Zu ihr zahlten Julius Wolf, Ludwig<br />
Pohle und Andreas Voigt (beide von del' Universitat zu Frankfu11 a.M.), Adolf<br />
Weber von del' Kenner Hochschule, Ludwig Bernhard von del' Universitat zu<br />
Berlin und an<strong>der</strong>e. Mittelpunkt ihrer BeHitigungen war die Zeitschrifl [iir Socialwissenschaft,<br />
die 1898 von Wolf gegrtindet und bis 1910 von ihm herausgegeben<br />
wurde (vom Bruch, 1980, S. 296, 300ff.).<br />
39 Von Bismarck (1932, S. 489ff.).Vgl. von Mises (1932, S. 438f.): "Wohl hat [die Gesetzgebung]<br />
immer wie<strong>der</strong> den Versuch gemacht, im Arbeiterschutz tiber das MaB dessen, das die<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Industrie von selbst brachte, hinauszugehen. ["0] Nicht so sehr <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand<br />
<strong>der</strong> Untemehmer hat sie daran gehin<strong>der</strong>t, als <strong>der</strong> zwar nicht offen gesprochene und nicht<br />
offen vertretene, aber dennoch sehr wirksame Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Arbeiter selbst. DelID die Kosten<br />
je<strong>der</strong> Arbeiterschutzbestimmung mtiBten von ihnen nichtnur mittelbar, sondem auch<br />
unmittelbar getragen werden. Wenn die Frauen- und Kin<strong>der</strong>arbeit beschrankt o<strong>der</strong> ganz beseitigt<br />
wurde, belastete dies gerade so den Arbeiterhaushalt wie die Kiirzung <strong>der</strong> Arbeitszeit<br />
<strong>der</strong> erwachsenen Arbeiter0"<br />
40 Von Bismarck (1932, S. 492). Vgl. die Bemerkung Bambergers (l898b, So 327), daB, was die<br />
grundsatzlichen Fragen anbelangte, Bismarck seiber nicht im mindesten ein Sozialist war~ daB<br />
er in <strong>der</strong> Tat sagar Spuren von "Manchestertum" zeigen konnte, wie bei seinem Wi<strong>der</strong>stand<br />
"gegen die Einmischung <strong>der</strong> Staatsgewalt in den Fabrikbetrieb."