Die Partei der Freiheit
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2 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
Neuerdings aber findet ein an<strong>der</strong>es Paradigma Verbreitung. Weit umfassen<strong>der</strong><br />
und geschichtlich tiefer verwurzelt, stellt diese Interpretation die modeme Markt<br />
Wi11schaft, den Liberalismus und den Sozialismus in ein vollig an<strong>der</strong>es Licht.<br />
<strong>Die</strong>se Sichtweise, die in jungerer Zeit von Gelehrten wie David Landes, Jean<br />
Baechler, E. L. Jones, Douglass C. North und an<strong>der</strong>en entwickelt wurde, kann<br />
zumindest bis zum groBen belgischen Historiker Henri Pirenne zuruckverfolgt<br />
werden. l 1m allgemeinen wird sie als <strong>der</strong> "institutionelle" Ansatz bezeichnet,<br />
manchmal auch als die "Europaisches-Wun<strong>der</strong>"-Interpretation nach dem bekannten<br />
Werk von E. L. Jones (1987).<br />
Das "Wun<strong>der</strong>", urn das es hier geht, besteht in <strong>der</strong> Tatsache, daB Menschen<br />
zuerst in Europa und seinen Auslaufem ein langanhaltendes Pro-Kopf-Wachstum<br />
zustande brachten und auf diese Weise <strong>der</strong> "Malthus'schen Falle" entgingen.<br />
Nach dem neuen Paradigma liegen die Wurzeln dieses "Wun<strong>der</strong>s" in <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />
Wendung begrundet, die sich in Europa entwickelnde Zivilisation nahm.<br />
Europa entschied sich fur solche Institutionen und Werte, die politische Macht<br />
begrenzten und individuelle Rechte - beson<strong>der</strong>s Eigentumsrechte - for<strong>der</strong>ten.<br />
1m Gegensatz zu an<strong>der</strong>en groBen Zivilisationen - vor allem China, Indien und<br />
die islamische Welt - verwandelte sich Europa nach dem Fall des westromischen<br />
Reiches in ein System geteilter, dezentraler und konkurrieren<strong>der</strong> Machte und<br />
Rechtsprechungen. In diesem System war es im allgemeinen fur keine politische<br />
Herrschaft ratsam, Eigentumsrechte mit den gleichen Mitteln einzuschranken und<br />
zu verdunnen, die in an<strong>der</strong>en Teilen <strong>der</strong> Welt an <strong>der</strong> Tagesordung waren. 1m<br />
standigen Wettbewerb miteinan<strong>der</strong> entdeckten die Fursten, daB offene Enteignungen,<br />
maBlose Besteuerung und Behin<strong>der</strong>ungen des Handels nicht ungestraft<br />
blieben. Wie es Erich Weede ausdmckt: "Gerade weil Burger, Talent, und<br />
bewegliches Kapital leicht von einem Gliedstaat in einen an<strong>der</strong>en ubersiedeln<br />
konnten, hat das politische Dbergriffe in die Wirtschaft dramatisch beschrankt"<br />
(Weede, 1988, S. 181). "Der Wettbewerb <strong>der</strong> Staaten" wurde zu dem, was er<br />
auch heute noch ist. In den Worten von Gerard Radnitzky: "die wichtigste<br />
Garantie fur <strong>Freiheit</strong>." (Radnitzky, 1995, S. 204)<br />
Zudem brachten <strong>der</strong> Feudaladel und eine Nationen iibergrei~ende Kirche in jedem<br />
Gemeinwesen Gegenkrafte zur Zentralgewalt hervor. Durch einen Jahrhun<strong>der</strong>te<br />
wahrenden Kampf wurde jedes Gebiet in Landsitze, Orden, freie Stadte,<br />
religiose Gemeinschaften, Universitaten mit jeweils eigenen garantierten <strong>Freiheit</strong>en<br />
aufgeteilt. Fiirsten sahen ihre Hande durch Volksvertretungen und Frei-<br />
Pirenne (1951 ~ eine Sammlung seiner Schriften, hauptsachlich aus den 1920er und 1930er<br />
Jaht~n)~ Landes (l970)~ Baechler (1971)~ Baechler (l995)~ North/Thomas (l973)~ North<br />
(1981)~ Jones (l987)~ Powelson (1994). Siehe desweiteren Rosenberg/Birdzell, Jr. (1986)~<br />
Baechler/Hall/Mann (1988)~ Weede (1990)~ Radnitzky (1991, S. 139ff.). Fur Ubersichtsarbeiten<br />
zur Literatur siehe Weede (1988, S. 172ff.)~ Raico (1994, S. 37ff.). Fur eine kritische<br />
Er6rterung <strong>der</strong> Position von Douglass C. North siehe Wischermann (1993, S. 239££.).