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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 5: <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten beim Nie<strong>der</strong>gang des deutschen Liberalismus 199<br />

Wilischaftsinteressen, eine Voraussetzung fur die Ausweitung <strong>der</strong> Sozialpolitik.<br />

An<strong>der</strong>erseits erfor<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Drang zur Schaffung einer Weltmacht die Untersttitzung<br />

<strong>der</strong> breiten Massen, denen im Gegenzug Vorteile verschafft werden miiBten.<br />

AuBerdem wiirde <strong>der</strong> Staat mit <strong>der</strong> Ausdehnung in Obersee auch zu Hause wachsen,<br />

und "in <strong>der</strong> Machtsteigerung des Staates [liege] die beste Gewahr fur die<br />

Verbesserung ihrer [d.h. del' Arbeiter] Lebenshaltung". (Marienfeld, 1957, S. 58;<br />

vgl. auch S. 56ff.) Wie in an<strong>der</strong>en Landem wiesen die Sozialimperialisten in<br />

Deutschland kaum einmal auf die Kosten von Militarismus und Imperialismus<br />

hin, die von Arbeitem und <strong>der</strong> ubrigen Bevolkerung in Form von Steuem und<br />

entgangenen Kapitalinvestitionen im Privatsektor zu tragen waren. Jedenfalls<br />

waren die Industriearbeiter unter <strong>der</strong> Fuhrung Bebels und Liebknechts nicht fur<br />

die grandiosen Plane del' Professoren zu haben.<br />

Als sich das AusmaB von Tirpitzens Programm nach anHmglicher Geheimhaltung<br />

allmahlich herausstellte, wurden die dafur vorgebrachten Argumente ehrgeiziger.<br />

Zunachst war weitgehend von <strong>der</strong> Verteidigung Deutschlands, beson<strong>der</strong>s<br />

des sich ausweitenden Handels mit Obersee die Rede. Nun wurde mehr und mehr<br />

auf Deutschlands "Weltruf' und "Weltgeltung" (vom Bruch, 1980, S. 89) verwiesen.<br />

Unter <strong>der</strong> Fiihrung Schmollers und Wagners predigten die Kathe<strong>der</strong>sozialisten<br />

die Notwendigkeit iiberseeischer Kolonien; beson<strong>der</strong>s Schmoller war bezaubert<br />

von <strong>der</strong> Vorstellung, eine Kolonie mit zwanzig o<strong>der</strong> dreiBig Millionen Deutscher<br />

in Sudbrasilien zu begriinden. 35 Viele Kathe<strong>der</strong>sozialisten wandten sich<br />

mit atzen<strong>der</strong> Propaganda gegen England als den "treulosen Raubstaat." Das<br />

Kriegsrisiko, das Deutschland mit seiner Weltpolitik einging, konnte die Professoren<br />

nicht schrecken. Ais Neo-Merkantilisten behaupteten sie, daB gelegentliche<br />

Kriege die unvermeidliche Begleiterscheinung des Wirtschaftswachstums seien.<br />

Schmoller schrieb:<br />

"Alle kleinen, spater auch die graBen Kulturstaaten haben eine naturliche Tendenz,<br />

ihre Grenzen hinauszurUcken, an Meere und groBe Strome zu kOlnmen, Handelsnie<strong>der</strong>lassungen<br />

und Kolonien drauBen in <strong>der</strong> Welt zu erwerben. Vnd da stoBen sie<br />

stets auffremde Volker, mit denen sie sich vertragen, haufiger aber kalnpfen mussen.<br />

Wirtschaftliche Entwicklung und staatliche Expansion, Handelsfortschritt und<br />

Machtsteigerung sind meist unloslich verbunden, auch da, wo <strong>der</strong> oberflachliche<br />

Blick nur Machtfragen siehl." (Schmoller, 1920, S. 114f.)<br />

<strong>Die</strong> alte Volkswirtschaftslehre war in <strong>der</strong> Tat ubelwunden - nicht nul' die Okonomie<br />

von Cobden und Bastiat, sondem auch die von David Hume und Adam<br />

Smith, von Iurgot, Schlettwein und Mauvillon. Von nun an sollten die Nationen<br />

einan<strong>der</strong> nicht mehr als Freunde und als Quellen gegenseitigen Wohlstands<br />

betrachten, SOndelTI als Feinde und nattirliche Rivalen urn die begrenzten Guter<br />

35 Schmoller (1920, S. 19). <strong>Die</strong> Kolonisierung des siidlichen Brasiliens war Teil einer weitreichenden<br />

Weltpolitik, die Schmollers Meinung nach unerlaBlich war, da die Bevolkerung<br />

Deutschlands in den nachsten hun<strong>der</strong>t Jahren auf 100-150 Millionen anwachsen wiirde~<br />

(ebenda, S. 6).

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