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Die Partei der Freiheit

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198 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />

zuwirken (von Tirpitz, 1920, S. 98, Fn. I), schuf del' neue Marinechef Admiral<br />

Alfred von Tirpitz ein Nachrichtenamt unter Leitung des Korvettenkapitans<br />

August von Heeringen. Mit Beginn <strong>der</strong> Arbeit im Herbst 1897 genoB die Anwerbung<br />

prominenter akademischer Personlichkeiten hochste PrioriHit, urn den von<br />

Tirpitz vorwurfsvoll so genannten "verkiimmerten Welthorizont des Volkes" zu<br />

weiten. Heeringen "reiste in den UniversiHiten umher, wo", wie sich Tirpitz mit<br />

Befriedigung erinne11e, "sich fast alle Nationalokonomen bis zu Brentano hin in<br />

groBartiger Weise zur Unterstiitzung bereit fanden." Schmoller, Wagner, Sering<br />

und an<strong>der</strong>e erkHirten sich dienstwillig, jedes okonomische Argument zu liefem,<br />

das fur den Flottenbau benotigt wiirde.3 4 Der alte Albert Schaffle wurde vorgefuhrt,<br />

urn dem Kreuzzug noch mehr Glanz zu verleihen. Selbst Lujo Brentanos<br />

bekannte Anglophilie hin<strong>der</strong>te ibn nicht daran, sich <strong>der</strong> Propaganda fur eine<br />

immer groBere Marine anzuschlieBen; noch bis 1914 sah Brentano keinen Grund<br />

dafur, daB das Programm irgendeinen ungunstigen EinfluB auf die deutsch-britischen<br />

Beziehungen ausuben konnte (Sheehan, 1966, S. 179£., 183).<br />

<strong>Die</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten wurden zu unverfrorenen "Flottenprofessoren", wie<br />

sie Friedrich Naumann, <strong>der</strong> ihre Ansichten teilte, liebevoll nannte; in vertraulichen<br />

Mitteilungen <strong>der</strong> Marine wurden sie ungezwungen als "unsere guten<br />

Freunde" bezeichnet. "Es gelang dem Nachrichtenbureau, fur die ,Kampagnen'<br />

zu den beiden Flottengesetzen die Professorenschaft als die fiihrende KJaft del'<br />

Marinepropaganda zu gewinnen." Mit Hilfe dieser vomehmen Personlichkeiten<br />

aus <strong>der</strong> akademischen Welt, den Vertretem <strong>der</strong> groBen Universitaten Deutschlands,<br />

wurde "eine publizistische Lawine ausgelost." (IJeist, 1976, S. 102) <strong>Die</strong><br />

Professoren - beson<strong>der</strong>s in Berlin - lieBen nicht einmal davon ab, die Marineagitation<br />

in ihre Vorlesungen und Lehrbucher einflieBen zu lassen.<br />

Das Vergnugen, das die Kathe<strong>der</strong>sozialisten bei ihren Bemuhungen empfanden,<br />

erhohte sich noch durch den Umstand, daB dies eine weitere Front war, an<br />

<strong>der</strong> sie die Obsolenz und UnzeitgemaBheit des alten Liberalismus beweisen<br />

konnten. "Manchestertum" - die Lehre Cobdens, Brights und Bastiats - hatte stets<br />

zwei Aspekte: im Inland Laissez-faire und auswarts Nichtintervention und Anti­<br />

Imperialismus. Genau wie er in <strong>der</strong> sozialen Frage versagt hatte, meinten die<br />

Kathe<strong>der</strong>sozialisten mit Harne, zeige sich <strong>der</strong> Laissez../aire-Liberalismus als vollig<br />

unHihig, den Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> modemen Welt auf intemationaler Ebene<br />

zu genugen.<br />

1m Denken<strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten gab es eine namrliche Verbindung zwischen<br />

Sozialrefonn und Imperialismus. Sie und ihre Verbundeten - vor allem <strong>der</strong><br />

Politiker und Publizist Friedrich Naumann - waren in Deutschland die wichtigsten<br />

Beispiele fur das Phanomen des "Sozialimperialismus," <strong>der</strong> damals in allen<br />

GroBstaaten auftauchte (Semmel, 1960; Baumgart, 1982, S. 65£f.). 1m sozialimperialistischen<br />

Denken ist Weltpolitik, als InstIument zur Fordelung deutscher<br />

34 Von Tirpitz (1920, S. 95f.). Wagners Spezialitat lag darin, zu beweisen, daB es fur Deutschland<br />

ein Leichtes war, die gewaltigen neuen Flottenausgaben aufzubringen~ Ascher (1963, S.<br />

297).

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