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Die Partei der Freiheit

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Kapitel 5: <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten beim Nie<strong>der</strong>gang des deutschen Liberalismus 197<br />

zahen Velteidiger des Laissez-/aire-Prinzips vorgebracht wurde. Ferrara versportete<br />

den ausgesuchten Respekt, mit dem deutsche Professoren sozialistische<br />

Schriftsteller und ihre Lehren behandelten: <strong>Die</strong> Deutschen sprachen von den<br />

"edlen und groBen Gedanken" del' sozialistischen Schule, den "groBen <strong>Die</strong>nsten,"<br />

die sie del' Wirtschaftswissenschaft geleistet harte und von del' "Gewandheit ihrer<br />

Kritik." "Was wir fur kindische Paradoxien [des Sozialismus] halten, wird zu<br />

,offenkundigen Wahrheiten' erkHirt, seine Klagen und Fliiche zum Schrei rechtschaffenen<br />

Leidens, das von ,positiven und unbestreitbaren Tatsachen' herriihre."<br />

(Ferrara, 1874, S. 986) Ferrara ffigt hinzu, daB "diese frechen Verteidiger des<br />

Realismus, wie sie sich seIber betiteln," in ihrer Neigung zu staatlichem Paternalismus<br />

"das Wahngebilde eines wahrlich geheiligten Staates ausgebriitet haben."<br />

(Ferrara, 1874, S. 993)<br />

III. <strong>Die</strong> ersten Vertreter des Sozialimperialismus<br />

<strong>Die</strong> Rolle del' Kathe<strong>der</strong>sozialisten als Agitatoren fur den Wohlfahrtsstaat ging<br />

mit einer weiteren selbst auferlegten politischen Funktion einher, - die del' Propaganda<br />

fur die Weltpolitik Wilhelms II. <strong>Die</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten waren somit - urn<br />

einen in den 1960er Jahren in den USA gebrauchliches Wortspiel zu verwenden ­<br />

die erste Schule mo<strong>der</strong>ner Welfare-Warfare Intellectuals, d.h. Denker, die gleichzeitig<br />

Fiirsprecher des Wohlfahrtsstaates als auch des Imperialismus waren.<br />

Ais sich Wilhelm II. zu Beginn del' 1890er Jahren del' Weltpolitik zuwandte,<br />

harte er es mit einer weitgehend apathischen, wenn nicht sogar feindlich gesinnten<br />

Offentlichkeit zu tun. Weltpolitik setzte eine machtige deutsche Hochseeflotte<br />

voraus, abel' dafur, klagte del' Kaiser, fehlte "auch dem gebildeteren Teile del'<br />

Bevolkerung" jegliches Verstandnis (Deist, 1976, S. 32). Ohne Unterstiitzung del'<br />

Offentlichkeit ffir den ersebnten Flottenbau konnten ibn seine Wi<strong>der</strong>sacher im<br />

Reichstag in Frage stellen ([Jeist, 1976, S. 34). <strong>Die</strong> Sozialdemokraten waren natiirlich<br />

unerbittliche Gegner del' FlottenpHine wie auch del' Weltpolitik im allgemeinen,<br />

doch es besteht kein Zweifel daran, daB aus Sicht del' Marine Eugen<br />

Richter, del' Fuhrer del' konsequent Liberalen, del' geHihrlichste Kritiker war.<br />

Angesichts seiner Stellung im Reichstag, seiner Berliner Tageszeitung <strong>Die</strong><br />

Freisinnige Zeitung und nicht zuletzt seiner bis ins einzelne gehenden Kenntnis<br />

del' einan<strong>der</strong> folgenden Flottenvorlagen, war Richter ein Haupthin<strong>der</strong>nis fur des<br />

Kaisers Plane. 33<br />

"Das Volk," bemerkte del' Kaiser, muBte "gleichsam gegen den Reichstag<br />

orientiert und insurgiert werden." (Deist, 1976, S. 108) Urn das zu en-eichen,<br />

sollten Meinungsfuhrer fur die Sache del' Weltpolitik gewonnen werden. Urn die<br />

"Aufklarung" zu verbreiten und urn dem EinfluB Richters und an<strong>der</strong>er entgegen-<br />

33 Von Tirpitz (1920, S. 9,98, Fn. 1, S. 99) und Deist (1976, S. 121f). Weitere Aspekte von<br />

Richters Haltung zu diesen Fragen werden im 3. Kapitel des vorliegenden Bandes erortert.

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