Die Partei der Freiheit
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196 Ralph Raico: <strong>Die</strong> <strong>Partei</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
Zudem sagt Philippovich selbst, daB <strong>der</strong> von ibm empfohlene gewaltige Wandel<br />
nur yom "Staat als Verwalter <strong>der</strong> Gerechtigkeit" (von Philippovich, 1908, S.<br />
19) besorgt werden konne. Der Gipfel einer solchen Sozialphilosophie ist die<br />
wachsende Macht des Staates, die - von Btirokraten und Professoren o<strong>der</strong> vielleicht<br />
professoralen Btirokraten - ausgetibt wird, urn jeden Aspekt je<strong>der</strong> Person in<br />
je<strong>der</strong> Lebenslage so zu tiberblicken und zu lenken, daB am Ende "verteilende Gerechtigkeit"31<br />
erreicht wird. Wahrscheinlich war es unnotig, daB Philippovich<br />
darauf hinwies, daB es ftir Schaffle, Wagner, Schmoller und die ganze Schule<br />
unabdingbar war, "daB das Individuum sich nicht als Selbstzweck, sondem nul'<br />
als Glied <strong>der</strong> Gemeinschaft erkenne."32<br />
<strong>Die</strong> Bereitschaft deutscher Ordinarien, sozialistische Lehren heranzuzuchten,<br />
ist erstaunten auslandischen Beobachtem nicht entgangen. Der Schwede Gustav<br />
Cassel fand es bedauerlich, daB deutsche Akademiker das "mystische Gerede"<br />
und die "sophistischen Gedankengange" (C~assel, 1957, S. 33) des Marxismus<br />
immer noch als "wissenschaftlichen Sozialismus" bezeichneten. Cassels Landsmann<br />
Knut Wicksell beobachtete, del' deutsche Sozialismus mache "immer mehr<br />
Adepten, auch unter den Gelehrten [...] man trifft nunmehr sehr oft sozialistische<br />
Argumente, sogar die am wenigsten haltbaren, unter irgend einer Verkleidung in<br />
<strong>der</strong> deutschen Professorenliteratur." (Wicksell, 1933, S. 4, Fn. 1) In RuBland<br />
schalt del' groBe liberale Rechtsphilosoph Boris Tschitscherin die Kathe<strong>der</strong>sozialisten<br />
dafur, daB sie den Sozialisten Arbeit abnahmen, indem sie den Staat als<br />
einzige Quelle des Rechts verherrlichten (Walicki, 1992, S. 145). In Lausanne<br />
spottete Vilfredo Pareto tiber die deutschen Professoren ob ihrel' Schwarmerei fur<br />
den Staat und ihrer ethischen AnmaBungen. Er verhohnte sie, "sich eine ,del'<br />
ethische Staat' genannte Theorie ausgedacht zu haben, die sicherlich del' weltfremdeste<br />
Traum ist, del' jemals in einem menschlichen Him helumgespukt hat;<br />
und es ist wahrscheinlich wegen ihrer Verachtung aller del' Leht-en del'<br />
Geschichte in diesel' Hinsicht, daB sie sich den Titel del' ,historischen Schule'<br />
gewaht-en." (Pareto, 1897, S. 54)<br />
Es kann vielleicht nicht uberraschen, daB die scharfste Kritik eine Generation<br />
zuvol' von Francesco Ferrara, dem Wortftihrer <strong>der</strong> italienischen Okonomen und<br />
31 Vgl. z.B. aueh S'chmoller (1898, S. 76): "<strong>Die</strong> Gesetzgebung ist allmaehtig~ ihr Direktiv ist<br />
das Prinzip <strong>der</strong> Gereehtigkeit, sie wird zu je<strong>der</strong> Zeit beherrseht von <strong>der</strong> Art, wie das Prinzip<br />
<strong>der</strong> Gereehtigkeit in den leitenden Geistern und <strong>der</strong> offentliehen Meinung einer Zeit aufgefa13t<br />
wird."<br />
32 von Philippovich (1908, S. 49). Es ist atemberaubend, mit welcher lassigen Unbekummertheit<br />
die Kathe<strong>der</strong>sozialisten ethisehe "Ideale" aufstellten, die eine durehgreifende Politisierung<br />
cler biirgerliehen Gesellsehaft mit sieh braehten. Albert Sehaftle zufolge diirfe etwa "<strong>der</strong> Preis<br />
<strong>der</strong> Arbeitskraft nieht mehr nur naeh dem marktwirtsehaftliehen Spiel von Arbeitsangebot<br />
und Arbeitemaehfrage kalkuliert werden. Vielmehr sollte ein neuer ,sozialer o<strong>der</strong> gesellsehaftlicher<br />
Standpunkt' <strong>der</strong> Nationalokonomie begrundet werden, von dem aus die mensehliehe<br />
Leistung nieht naeh ihrem momentanen Verkaufspreis, son<strong>der</strong>n nach ihrem gesellschaftlichen<br />
Stellenwert im arbeitsteiligen Gefiige ,bewertet' werden konnte." Pankoke (1970, S.<br />
155).