Die Partei der Freiheit
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Kapitel 5: <strong>Die</strong> Rolle <strong>der</strong> Kathe<strong>der</strong>sozialisten beim Nie<strong>der</strong>gang des deutschen Liberalismus 195<br />
und ungeheure Vermogensungleichheit durch die Hen"schaft des freien Wettbewerbs,"<br />
"<strong>der</strong> anarchische Zustand ungebundener Konkurrenz und <strong>Freiheit</strong>," "die<br />
Ordnung <strong>der</strong> Gesellschaft beruht auf <strong>der</strong> Herrschaft des Kapitals tiber die Arbeitskraft,"<br />
"die Willkiir hartherziger Geldsacke," "die wertvollen wissenschaftlichen<br />
Ergebnisse <strong>der</strong> sozialistischen Literatur," "<strong>der</strong> Nihilismus des laisser faire"<br />
und - hiermit ftir Politiker und Btirokraten die Tore zur unbegrenzten Velftigung<br />
tiber das Vermogen jedes Gesellschaftsmitglieds offnend - "die heutige regellose,<br />
fast bloB vom Zufall abhangige Verteilung in <strong>der</strong> Gesellschaft."29<br />
Wie die an<strong>der</strong>en Kathe<strong>der</strong>sozialisten verwarf Philippovich gelegentlich <strong>der</strong><br />
FOlm halber den Marxismus und brachte seinen Glauben an eine auf dem Privateigentum<br />
beruhende Wirtschaft zum Ausdruck. In <strong>der</strong> Tat war er im Kern keineswegs<br />
so staatsorientiert wie die meisten Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schule: Mit seinem<br />
volkswirtschaftlichen Lehrbuch - urn die Jahrhun<strong>der</strong>twende das in Deutschland<br />
meistverwendete Grundlagenwerk - ftihrte er die Grenznutzenlehre <strong>der</strong> Osterreichischen<br />
Schule an deutschen Universitaten ein, und er erfreute sich groBer Bewun<strong>der</strong>ung<br />
durch Ludwig von Mises, dessen Lehrer er war. 30 Umso bedeuten<strong>der</strong><br />
ist daher <strong>der</strong> bittere HaB gegen die freie Gesellschaft und das autonome Individuum,<br />
den sich Philippovich in seiner Ehrung an Schmoller zu zeigen erlaubte.<br />
Am SchluB des Essays wird <strong>der</strong> Zweck von Philippovichs kathe<strong>der</strong>sozialistischer<br />
Ideologie deutlich. Es ist notwendig, behauptet er, daB "das Prinzip <strong>der</strong> Gerechtigkeit<br />
[...] die gesellschaftlichen Lebensbedingungen so ordnet, daB Verdienst<br />
und Macht, Leistung und Besitz und Einkommen, gesellschaftlicher Weli<br />
und soziale Stellung <strong>der</strong> Menschen immer mehr zusammenfallen." (von<br />
Philippovich, 1908, S. 50)<br />
Philippovich laBt allerdings auBer acht, daB es zumindest zwei wichtige Probleme<br />
bei diesem "Prinzip" gibt. Wenn die auf dem Markt von den Marktteilnehmern<br />
getroffenen Verteilungsentscheidungen abgelost werden sollen, muB <strong>der</strong><br />
neue Standard willkurlich gesetzt werden. Schmoller harte etwa yom "Durchschnitt<br />
<strong>der</strong> Hohenzollern" den Eindruck, "daB ihr Einkommen mir durchaus nicht<br />
zu groB gegentiber ihrem Verdienst erscheint." (Schm 0 lier, 1898, S. 82) Doch<br />
einern solchen Urteil werden kaurn alle zustimmen. Unter demokratischen Bedingungen<br />
wtirde del' Streit damber, wessen Urteile tiber Leistung und Anstrengung<br />
schlieBlich die Vermogensverteilung bestimmen sollten, einen echten und wilden<br />
Kampf urns Dasein zur Folge haben.<br />
29 DaB <strong>der</strong> Anteil, den "Gluck" und "Zufall" am Einkommen und Vermogen haben, im Interesse<br />
sozialer Gerechtigkeit unterdriickt werden muB, wurde von Gustav Schmoller in seiner Antwort<br />
auf Treitschke betont, in Schmoller (1898, S. iff.). Das AusmaB an Macht, das soleh<br />
ein Programm jenen verschaffen wiirde, die mit <strong>der</strong> Unterscheidung zwischen "Gluck" und<br />
"Zufall'" einerseits und "Leistung" und "Anstrengung" (sic) an<strong>der</strong>erseits betraut sein wiirden,<br />
stellte fur Schmoller kein Problem dar - vermutlich ob seines grenzenlosen Vertrauens in die<br />
preuBische Biirokratie.<br />
30 Vgl. von Mises (1926, S. 53ff.)~ zu Philippovichs Grundriss <strong>der</strong> politischen ()konomie siehe<br />
von Hayek (1992, S. 47).